Steffen Seibert, Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung; Bildquelle: Bundespresseamt/DenzelRegierungssprecher Steffen Seibert lud am heutigen Vormittag für eine halbe Stunde zu seinem ersten „Twitterview“ ein. Kurze Fragen und kurze Antworten in vergleichsweise knapp bemessener Zeit. Funktioniert das Konzept, dem Volk 140 Zeichen Platz zum Dampfablassen zu geben und wer beteiligt sich daran? politik-digital.de hat nachgeschaut.

Natürlich kann auch alles Zufall gewesen sein. Pünktlich an dem Tag, an dem Twitter-Boss Jack Dorsey (@Jack) nach Berlin gekommen ist, um die Bundeskanzlerin zu einem – analogen – Gedankenaustausch zu treffen, nimmt sich Merkels Sprecher aus – wie es bei der Bundesregierung heißt – Anlass seines einjährigen Twitter-Jubiläums eine gute halbe Stunde Zeit, um auf Fragen von Twitter-Nutzern zu antworten. Bereits am Vorabend hatte die Kanzlerin im Rahmen ihrer zweiten Bürgersprechstunde in Heidelberg Fragen zum Thema Internet gesammelt. Tags darauf war es nun an dem Twitter-erfahrenen Steffen Seibert, die digitale Kompetenz der Regierung in der Praxis unter Beweis zu stellen.

Um 11.30 Uhr ging es los und das Spektrum der Fragen und Fragenden war denkbar vielfältig. Unter dem Hashtag #fragReg hatte die interessierte Öffentlichkeit eine halbe Stunde Zeit, den Chef des Bundespresseamtes querbeet zu fragen und auf Antworten zu hoffen. Das Stichwort „querbeet“ blieb dann auch stilbildend für den gesamten Verlauf, denn ein irgendwie näher eingegrenztes Motto hatte das Presse- und Informationsamt dem Twitter-Experiment nicht gegeben oder geben wollen. Gleichwohl ließ sich bereits während des Twitterviews eine gewisse Kategorisierung der im Sekundentakt eingehenden Fragen vornehmen.

 „Wie soll der @regsprecher die ganzen Fragen sinnvoll beantworten?“

Häufig betrafen die Fragen auch den Merkel-Vertrauten selbst. So wurde Seibert beispielsweise gleich zu Beginn gefragt, ob er nicht besser ZDF-Moderator geblieben wäre anstatt „die Taten d. Regierung schönreden zu müssen“. Ob er „irgendeine Empfehlung für einen guten Journalistik-Masterstudiengang in Deutschland“ habe, wurde Seibert gefragt. Jemand anders wollte ein Praktikum im Bundespresseamt machen und ob er am Sonntag für die Bundesversammlung benannt sei, wurde der Regierungssprecher ebenfalls gefragt.

Syrien, das Taxigewerbe und die Flexiquote – Tagespolitik in 140 Zeichen

Den, das muss fairerweise festgehalten werden, weitaus größten Anteil der Tweets nahmen jedoch Fragen nach tagespolitischen Ereignissen und aktuell debattierten Politikfeldern ein. Am Tag nach der Selbstauflösung des Düsseldorfer Landtags fragten die Nutzer etwa nach der „sehr unsicheren Zukunft der FDP“, und ob Bundesminister Norbert Röttgen Merkels Kabinett verlasse, war ebenfalls von Interesse. Seibert zog sich bei allen Fragen mit NRW-Bezug auf seine Funktion als Sprecher der Bundesregierung zurück, der Landespolitik grundsätzlich nicht zu kommentieren habe.

Immer wieder wurden Fragen nach einem möglichen deutschen Engagement in Syrien gestellt, die Situation in Afghanistan war am heutigen Vormittag ebenso von Interesse wie die Schuldenkrise in Europa oder Angela Merkels Verhältnis zum französischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande. Auch wenn unter allen inhaltlichen Fragen die Außenpolitik dominierte. Zur Situation im deutschen Taxigewerbe waren ebenso Antworten gewünscht wie zur Bedeutung der Flexiquote für den Arbeitsmarkt. Überhaupt die Antworten. Relativ bald nach Seiberts Begrüßung liefen Kommentare auf, die sich um die Antwortgeschwindigkeit und die Sinnhaftigkeit all der Fragen sorgten. Steffen Seibert antwortete u.a. zum Thema OpenGovernment und versprach eine diesbezügliche Strategie der Regierung, zog sich ansonsten jedoch zumeist auf unverbindliche und knappe Statements zurück.

 „Das war toll. Hurra Hurra Hurra“ – Die Troll-Fraktion

Ja, und auch sie ließen es sich nicht nehmen, nachzufragen. @Chappi_Baxton beispielsweise wollte wissen, ob Seibert „das künftige Pollenflugverbot für den Sommer“ schon „bestätigen“ könne. Ob Wildfleisch in Alufolie vorgegrillt werden müsse, war ebenso von Interesse wie die Handlungen der Regierung gegen den „Alkoholismus in Deutschland“. Alle diese Fragen blieben jedoch ebenso unbeantwortet wie die Frage, was die Bundesregierung für Twitter-Nutzer tun könne, die samstags um 10 Uhr keine Brötchen mehr bei ihrem Bäcker bekommen.

Fazit

Was bleibt nach einer halben Stunde ununterbrochener Datenflut? Der Veranstalter selbst jedenfalls scheint zufrieden gewesen sein:„Ich denke, wir machen das mal wieder“. Mit diesen Worten verabschiedete sich Seibert, der zuvor noch Auskunft über seine derzeitige Lektüre („Oblomow“) gegeben hatte, von den Nutzern. Die Offenheit und die grundsätzliche Bereitschaft, Regierungshandeln in 140 Zeichen transparent zu machen, ist in jedem Fall zu begrüßen.

Wichtig wird es in der Zukunft aber sein, mögliche weitere Twitterviews thematisch streng einzugrenzen und durch einen entsprechenden Hashtag einerseits präzisere Fragen zu fördern und zum anderen – um beim Thema Twitter auch sprachlich im Bilde zu bleiben – Spaßvögeln bereits im Vorhinein möglichst viel Wind aus den Segeln zu nehmen. Der heutige Auftakt jedenfalls hatte keinen identifizierbaren Kern und dürfte allenfalls für Cyber-Soziologen interessant gewesen sein und Kulturpessimisten Argumente für ihre Haltung zum Thema Politik und Internet geliefert haben‏. Oder wie @Medididi knapp 10 Minuten vor Schluss twitterte: „Muss ich mir in Ruhe anschauen #fragREG“.

Bildquelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/Denzel