Der Antragsteller als Ärgernis?

Das Frankfurter Nachtleben leidet unter Überregulierung. Seit Mitte
der 90er Jahre setzen sich deshalb Initiativen für eine Liberalisierung
des restriktiven Reglements ein und kassierten dabei auch schon
handfeste Prügel für ihr unkonventionelles politisches Engagement. Im
Konflikt um die Störung von "Ruhe und Ordnung" hat sich die
subkulturelle Praxis politisiert: Jetzt intervenieren die Akteure in
den Kommunalwahlkampf.

Unter dem Motto "Was ihr wollt vs. Was geht" hatte die Frankfurter Party-Szene in den alternativen Veranstaltungsort Space Place
eingeladen. In der alten Milchsackfabrik war ein Boxring aufgebaut
worden, in dem sich vor allem die amtierende Oberbürgermeisterin Petra Roth(CDU) und der SPD-Spitzenkandidat Achim Vandreike den Fragen eines eher jungen Publikums stellten. Über vier Runden ging der von Fernseh-Moderator Roberto Cappelluti
moderierte Kulturkampf. Thema war die restriktive Politik der Stadt
gegenüber den Veranstaltern von Partys und Betreibern von
Szene-Hang-Outs. Hier kann Frankfurt dem vielfach formulierten Anspruch
als weltoffene Metropole wahrgenommen zu werden, in keiner Weise
gerecht werden. Auch wenn die Sperrzeit in der Frankfurter Innenstadt
inzwischen auf die Putzstunde zwischen 5 und 6 Uhr verkürzt wurde,
zeigt dies beispielsweise das Vorgehen der Polizei, die selbst
Veranstaltungen im Umfeld der Kunstmesse "Art" sowie der Frankfurter
Buchmesse bereits mit Verletzten beendet hat.

In den Mittelpunkt der
Podiumsdiskussion geriet immer wieder das Ordnungsamt, das die
Antragsteller nach Auskunft von Anwesenden lieber als Ärgernis, denn
als Bürger behandele. Mitveranstalter Matthias Morgenstern forderte
deshalb, statt dem Verbotsbescheid das sogenannte
"Realisierungsgespräch" zur Regel zu machen. Auch Vandreike mahnte eine
Umorientierung vom Obrigkeitsdenken zur Partnerschaft an, die auch die
Oberbürgermeisterin unter dem Stichwort "Serviceorientierung"
versprach. Während Roth damit vor allem eine Vereinfachung der
Verwaltungsverfahren durch verbesserte Koordination ("one-stop-agency")
meint, wurde deutlich, dass darüber hinaus ein verändertes
Kulturverständnis gefragt ist. In der abschließenden Runde über
"Kulturpolitik" fragte sie wiederholt, was denn nun für ein Gegenstand
diskutiert werde – etwa "Stadtteilkultur"? Hier zeigte sich auch, dass
die zur Beurteilung herangezogenen Maßstäbe recht unterschiedlich sind:
Während prestigeträchtige Großveranstaltungen wie der "Sound of Frankfurt"
sowie der Lärm von LKWs akzeptiert werden, werden die Dezibelmessungen
lieber am Club neben der Strasse vorgenommen, wie der ehemalige
Betreiber des Ostklub, Hans Romanov, berichtete.

Abschließend lässt sich von einem
Punktsieg für Vandreike sprechen: Während sich die Verwaltungschefin
als paternalistisches Stadtoberhaupt präsentierte und jedes Problem
durch persönliche Absprache zu lösen versprach ("Rufen Sie mich morgen
an…"), konnte der SPD-Kandidat zum Beispiel mit dem juristischen
Problem der persönlichen Haftbarkeit von Mitarbeitern der städtischen
Verwaltung in Sachen "Brandschutz" argumentieren. Auch wies er darauf
hin, dass das Thema durch diese Veranstaltung nun im
politisch-administrativen System angekommen sei. Was Aktivisten wie
Romanov, der für die Nutzung rechtlicher Freiräume plädierte, suspekt
erscheinen muss, ist aus der Perspektive politischer Kommunikation
plausibel: Die Akteure haben sich mit einer Diskussionsveranstaltung im
Kommunalwahlkampf und der Ankündigung zur Formulierung von
Wahlprüfsteinen als potenzielle Wähler so artikuliert, dass es auch
Politiker verstehen müssten. Ergänzt wird der Versuch
kommunalpolitischer Einflussnahme durch eine "Nachttanzdemo",
die am 10. März ab 22 Uhr durch die Frankfurter Straßen ziehen soll. Ob
diese das Ergebnis der Wahl am 18. März tatsächlich zugunsten einer
Frankfurter Kultur, die jenseits repräsentativer Edel-Events und
etablierter Institutionen stattfindet, beeinflussen wird, darf jedoch
bezweifelt werden.