Sasan und Mohammad müssen die Internet-Zensur hinnehmen (Foto: Ralf Pauli)Im Iran werden Webseiten gesperrt und Software blockiert. Damit versucht das Regime in Teheran, der Jugend den Kontakt zur Außenwelt abzuschneiden. Doch es führt einen aussichtslosen Kampf: Die Verbreitung von kritischem Gedankengut lässt sich längst nicht mehr unterbinden – an der Zensur vorbei entwickelt sich eine aktive Blogkultur.

Nach zwei Stunden geben wir auf. Alle Zufahrten sind abgeriegelt durch Soldaten. Mit ihren grünen Uniformen, Schlagstöcken und Maschinengewehren mögen sie so gar nicht zu den hupenden Autokorsos voll junger Iraner passen, die bei lauter Discomusic und Feuerwerkskrachern zum traditionellen “Mittwochsfeuer” Tschahar Schanbe Suri zusammenkommen wollen. An dem zentralen Platz springen dann die Menschen wie jedes Jahr am Vorabend des letzten Mittwochs vor dem persischen Neujahr Nouruz über brennende Feuer – ein Brauch der alten Zarathustrer. Nur kommt es in diesem März 2011 nicht dazu. Prügelnde Soldaten verfolgen diejenigen, die sich an den Absperrungen vorbei wagen.

Wir kehren um. In Sasans Blick liegt dennoch Stolz. Der Feiertag, erklärt er, sei mittlerweile Ausdruck des Protestes gegen das Regime. Denn nach Vorstellung der Mullahs, der islamischen Gelehrten, die in der Islamistischen Republik Iran auch über weltliche Fragen richten, sollten Iraner keine nicht-islamischen Bräuche pflegen. Mit Militärgewalt werden die Leute bisweilen an der Ausübung derjenigen Bräuche gehindert, die älter sind als die Eroberung Persiens durch die Araber. Deshalb seien sie hier, der Webdesigner Sasan, 27, und der Unternehmer Mohammad, 35. Und mit ihnen tausende weitere junge Iraner.

Ein Handbuch für den gewaltlosen Widerstand im Netz

In Teheran und anderen größeren Städten gibt es zum Persischen Neujahr jedes Jahr Krawalle und Tote. Die iranische Jugend protokolliert alles – auf Youtube werden Handy-Videos von den Zusammenstößen mit den Prügeltrupps hochgeladen, auf Blogs werden akribische Berichte über das Vorgehen der Sicherheitskräfte verbreitet. So wie auf der Seite “Democratic Republic of Iran”, auf der man auch das “Non-Violent Resistance Handbook” auf Englisch und Farsi, der persischen Sprache, herunterladen kann. Darin erhält man eine Gebrauchsanleitung für den Internet-Browser Tor, der die IP-Adresse verschlüsselt und den User somit vor der Ortung durch Geheimdienste schützt, und es stellt Links zu Software bereit, die die Internetzensur spielend umgehen. Wie Freegate, das auch von Syrern und Chinesen verwendet wird, und von der quasi staatlichen US-Stiftung National Endowment for Democracy, die in autokratischen Regimes weltweit Oppositionskräfte stärkt, gesponsert wird. Oder Psiphon, eine an der University of Toronto mitentwickelte Software, die BBC, Voice of America oder auch das iranische Radio Farda verwenden.

Doch das reaktionäre Regime lernt hinzu. Es reagiert auf die Proteste nicht mehr allein durch Einschüchterung durch die omnipräsenten Revolutionsgarden, wie ein auf Youtube hochgeladenes Video aus Teheran zeigt, und massiver medialer Propaganda gegen die Teilnahme an un-islamischen Bräuchen. An jenen Tagen wird auch gezielt das Internet verlangsamt oder gänzlich gekappt, wie immer, nachdem es massive Proteste gegeben hat. “Sie wollen verhindern, dass wir erfahren, was im Land passiert.”  Diesen Satz hört man oft von jungen Iranern, wenn man sie auf die Internet-Zensur anspricht. Und doch sind die Iraner dank der verfügbaren Technik gerüstet, um der Zensur zu entgehen. Und sie sind mutig. Armin aus Kerman zeigte mir die Gewehrkugel, die ihm während der Grünen Revolution 2009 den Ellenbogen zerschmetterte, Ali aus Bam trägt jeden Tag grüne Kleidung, die Farbe der Revolution, und Vahid aus Kermanshah versteckte einen Freund vor dem Geheimdienst. Sajjad treffe ich im benachbarten Irak. Er musste fliehen, weil er nicht vorsichtig genug war mit dem, was er auf seine Homepage stellte.

Aktfotos werden zum Politikum

Selbst im Iran stößt man bisweilen auf Kritik, wenn sie geschickt formuliert ist. Vor zwei Wochen hat der im Iran gedrehte Kinofilm “Nader und Simin – Eine Trennung” von Asghar Farhadi den Golden Globe für den besten fremdsprachigen Film gewonnen. Darin wird die iranische Gesellschaft samt ihrer Zwänge porträtiert. Kritik am System wird nicht direkt geäußert, dennoch schwingt sie ungesagt mit. Laut Transparency for Iran wurde die Nachricht über die Auszeichnung sofort zum Thema Nummer Eins auf dem größten persischen Internetportal Balatin.

Doch was die iranische Blogosphäre dieser Tage überrollt, zeugt von der unaufhaltbaren Entwicklung der neuen Medien auch im Iran. Die in “Nader und Simin” zu sehende Schauspielerin Golshifteh Farhani hat sich für die französische Zeitung Le Figaro unverhüllt ablichten lassen – ein Tabubruch in ihrer Heimat. Das Regime hat der Schauspielerin nun die Wiedereinreise in das Land verboten. Die iranische Gesellschaft ist darüber gespalten. Doch Blog sei Dank ist heute eine öffentliche Debatte darüber möglich. Das werden die Mullahs nicht mehr verhindern können.