Duisburger Studierende entwickelten ein Wählerinformations-System (WIS). Das Portal bietet Informationen und Recherchemöglichkeiten zum gezielten Medienmanagement der Parteien in Wahlkampfzeiten.



Duisburger Studierende entwickelten ein Wählerinformations-System (WIS). Das Portal bietet Informationen und Recherchemöglichkeiten zum gezielten Medienmanagement der Parteien in Wahlkampfzeiten.

Im Sommer 2003 entwickelten Duisburger Studierende das
WählerInformationsSystem (WIS). Das Portal erschien ursprünglich mit einem Schwerpunkt auf die bayerische Landtagswahl 2003 und wurde seither stetig weiterentwickelt. In der aktuellen Version steht neben der umfangreichen Recherchemöglichkeit in den Wahlprogrammen zur bayerischen Landtagswahl 2003 eine ausführliche Dokumentation zum Bundestagswahlkampf 2002 zur Verfügung. Eine entsprechende Erweiterung des Portals mit Bezug auf die Europawahl 2004 ist geplant.

Im Wahlkampf haben Parteien vor allem ein Ziel: Sie wollen den Wähler bei seiner Entscheidungsfindung beeinflussen. Weil nach wie vor viele Wähler bereits vor Beginn des eigentlichen Wahlkampfes ihre Wahlentscheidung getroffen haben und weil nicht eine, sondern viele Parteien versuchen, den Wähler für sich zu gewinnen, kommt der Wahlkampf einem politischen Tauziehen gleich, bei dem die Parteien um die Gunst der noch nicht festgelegten Wählerschaft buhlen.

Parteien richten sich in medienzentrierter Zeit allerdings nicht in erster Linie direkt an den Wähler. Mit gezieltem Medienmanagement versuchen sie vor allem die Berichterstattung durch Massenmedien zu ihren Gunsten zu beeinflussen, um auf diesem Weg eine möglichst große Anzahl an Wählern zu erreichen. Auch die Inhalte von Wahlprogrammen sind in diesem Kontext von Bedeutung, denn indem über inhaltliche Auszüge aus den Programmen berichtet wird, erreichen schließlich auch programmatische Ziele der Parteien den Wähler. Hinzukommt, dass auch zufällige Ereignisse – man denke an den 11. September 2001 oder die Flutkatastrophe vor der Bundestagswahl 2002 – die Themenagenda des noch unentschiedenen Wählers prägen können, auf deren Basis er schließlich seine Wahlentscheidung trifft. Dass sich die Bemühungen um positive Medienauftritte für Parteien rechnen, liegt auf der Hand, denn im Zweifelsfall entscheiden wenige tausend Stimmen über Regierungskoalitionen oder den Fraktionsstatus.

Was ist WIS?

Das WIS-Portal wurde als multimediales Informationsangebot für interessierte Bürger von Studierenden des Studiengangs Angewandte Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen unter Leitung des Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Rüdiger Schmitt-Beck und des Diplom-Ingenieurs Frank Schwarz entwickelt. In seiner aktuellen Version bietet es neben einem umfangreichen Recherchetool zur bayerischen Landtagswahl 2003 (WIS I) eine umfassende, multimedial gestaltete Dokumentation des Bundestagswahlkampfs 2002 (WIS II) an, die aus drei Komponenten besteht. Teil Eins von WIS II beinhaltet eine multimedia-basierte Dokumentation der Wahlkampagnen der fünf im Bundestag vertretenen Parteien und der Wahlkampfaktivitäten von elf Verbänden. Die zweite Komponente umfasst eine Aufstellung zentraler politischer Ereignisse des Wahljahres 2002. In der dritten Komponente von WIS II sind schließlich zentrale Umfragedaten des Wahljahres der Institute infratest dimap, Forsa, und Allensbach dokumentiert.

Die Kampagnen zur Bundestagswahl 2002

Im Wahlkampf konkurrieren Parteien, Verbände und Interessenvertretungen gleichermaßen um die knappe Ressource Medien, wenn es darum geht, ihre Interessen, Ziele und Sichtweisen zu artikulieren. Unter dem Link „Kampagnen“ steht im Rahmen von WIS II eine ausführliche Dokumentation der Wahlkampagnen aller fünf Parteien, die nach der Bundestagswahl Abgeordnete in den Bundestag entsenden konnten, zur Verfügung. Beim Verfassen entsprechender Essays orientierten sich die Studierenden an folgenden Leitfragen: Welche Themen standen im Zentrum der jeweiligen Kampagne?, Welche Botschaften sollten dem Wähler vermittelt werden? und Welche Kommunikationskanäle wurden dazu gewählt?.

Ferner sind in dem Kampagnenbereich die Wahlkampfaktivitäten einer Reihe von Verbänden und Interessenvertretungen aufgeführt, die sich mit unterschiedlichen Mitteln, verschieden starker Intensität und divergierenden Zielsetzungen am Bundestagswahlkampf 2002 beteiligt haben. Erörtert werden so die Aktivitäten des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB), des Bundes der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (DBA), des Deutschen Bauernverbandes (DBV), des Deutscher Beamtenbundes (DBB), des Hartmannbundes und des Bundes der Steuerzahler (BdSt).

Politische Ereignisse im Wahljahr 2002

Betrachtet man Wahlkämpfe als dynamische Gemengelagen von Ereignissen, die den Wählen vor allem durch Massenmedien bekann gemacht werden, wird die enorme Bedeutsamkeit eines erfolgreichen Medienmanagements durch die Parteien offensichtlich. Weil verschiedene Ereignisse unterschiedlich auf das Bild der Partei in der Öffentlichkeit zurückwirken sind die PR-Berater der Parteien vornehmlich an der Berichterstattung über solche Ereignisse interessiert, in denen die eigene Partei, Kandidaten und Politikziele in gutem Licht erscheinen. Dafür kommen zum einen inszenierte Ereignisse infrage, bei denen ein prominenter Politiker bei einer symbolischen Handlung gezeigt wird, die einzig zum Zwecke der Berichterstattung stattgefunden hat.

Zum anderen werden Parteiereignisse mediatisiert – optimal in Szene gesetzt – beispielsweise durch die zuvorkommende Betreuung von Journalisten und die reichliche Bereitstellung von Interviewzeiten, sowie von Informations- und Bildmaterial. Auch zufällig stattfindende Ereignisse werden vom Medienmanagement der Parteien aufgearbeitet – so ist eine Flutkatastrophe für eine sozial-ökologisch orientierte Regierungskoalition im Wahlkampf nicht nur eine politische Herausforderung, sondern unter Umständen auch eine visuelle Steilvorlage.

Die Ereignisübersicht von WIS II, die auf der Basis des Themenarchivs der „Tagesschau“ erstellt wurde, reicht vom Jahresbeginn 2002 bis zur Bundestagswahl am 22. September und hebt farblich hervor, um welche Art von politischem Ereignis es sich handelt. Dabei werden Parteiereignisse von Medienereignissen und zufälligen Ereignissen unterschieden. Ferner ist kenntlich gemacht, ob die jeweiligen Ereignisse einen wirtschaftspolitischen Bezug haben.

Ergebnisse von Meinungsumfragen im Wahljahr 2002

Die Einflüsse des gesamten Wahlgeschehens auf die öffentliche Meinung spiegeln sich nicht zuletzt auch in den Umfragedaten wider, die von den Instituten der politischen Meinungsforschung begleitend zum Wahlkampf erhoben werden. WIS II dokumentiert eine breite Palette von Umfrageergebnissen verschiedener Institute, die während des Wahljahres 2002 gemessen und über die Medien an die Wählerschaft zurückgegeben wurden. An der Entwicklung der Wahlabsichten selbst, aber auch an den Bewertungen der Parteien, ihrer Leistungen und ihrer Politiker lasse sich, so die WIS II-Autoren, über die gesamte Vorwahlzeit hinweg wie an Konjunkturbarometern ablesen, welche Parteien in der Wählergunst Aufrieb erfahren und welche einen weniger guten Eindruck gemacht haben.

Die Tatsache, dass solche Befunde über Medien in immer größerem Ausmaß an die Wählerschaft zurückgemeldet würden, zeige eine zusätzliche Dimension der gesteigerten Komplexität des modernen Wahlkampfgeschehens auf. Denn manch ein Wähler orientiere sich bei seiner Wahlentscheidung nicht nur an seiner eigenen Bewertung sondern auch daran, wie andere die Kandidaten und Parteien bewerteten. Wenn sich die Ergebnisse von Parteien in Umfragen verändern, können auf diese Weise durch Rückkoppelungsvorgänge eigendynamische Prozesse in Gang kommen, die weitere Steigerungen oder Verluste mit sich bringen.


In diesem Zusammenhang sei es von herausragender Bedeutung zu wissen, dass die Umfragedaten von verschiedenen konkurrierenden Meinungsforschungsinstituten stammen, die mit unterschiedlichen Erhebungsmethoden arbeiten und nicht nur für Medien sondern auch für die Parteien selbst tätig seien.

Das Wählerinformationssystem WIS II bietet somit in Summe ein breites Potpourri an Informationen zum Bundestagswahlkampf 2002 auf deren Basis – nicht nur von Studierenden – mannigfaltige Analysen durchgeführt werden können. Im Sommersemester 2004 wird eine weiterer Ausbau des Wählerinformationssystems erfolgen, bei dem die im Juni stattfindende Europawahl 2004 im Mittelpunkt stehen soll. Wer das nicht abwarten will, kann schon jetzt mit den Organisatoren Verbindung aufnehmen, eine entsprechende Kontaktinformation ist auf der Seite zu finden.

Der Studiengang Angewandte Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Universität Duisburg Essen

Der interdisziplinäre Studiengang
Angewandte Kommunikations- und Medienwissenschaften (KOMMEDIA) der Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg vernetzt die Bereiche Informatik, Psychologie und Sozialwissenschaften und bezieht ferner Inhalte aus den Bereichen Angewandte Literaturwissenschaft, Kunst und Gestaltung mit ein. Als innovativ ist besonders die Integration von informatisch-technischen mit human- und kulturwissenschaftlichen Inhalten hervorzuheben. Der praxisorientierte Studiengang vermittelt auf diese Weise sowohl wissenschaftliche als auch berufsqualifizierende Kompetenzen in den Bereichen „Informatik und neue Medien“, „Kommunikation und Sprache“ sowie „Human und Public Relations“. Die Anzahl der verfügbaren Studienplätze ist pro Jahrgang auf etwa 80 begrenzt – die Zahl der Bewerbungen ist groß.