Die deutsche Wirtschaft liegt mit ihrer Bereitschaft, eBusiness und Online-Technologien zu verwenden, auf einem weltweit vierten Platz. Was bedeutet die Informationsgesellschaft für die deutsche Wirtschaft und welche Interessen verfolgt sie dabei? Jan Piegsa hat einige Wirtschaftsvertreter für politik-digital.de befragt.

Wirtschaft und Verbraucher in Deutschland liegen mit ihrer Bereitschaft, eBusiness und Online-Technologien zu verwenden, auf einem weltweit vierten Platz, so das Ergebnis der eReadiness-Studie 2005 der Economist Unit Intelligence und IBM. Zentrale Erkenntnis: Nach dem Platzen der Dotcom-Blase stehen die Zeichen wieder auf Wachstum. Die Ausgaben für Informations- und Telekommunikations-technologien (ITK) steigen weltweit. Die digitale Wirtschaft wächst und gedeiht auf allen Kontinenten. Folgt nun eine realistischere Entwicklung, nachdem der erste Hype durch überzogene Versprechen riesiger Markt- und Profitpotenziale zu Stande kam?

Digitalisierung und Internet sind Basisinnovationen, die die Wirtschaftswelt revolutionierten und „globalisierten“. Trotz Dotcom-Blase waren Informations- und Kommunikationstechnologien in den letzten Jahren ein wesentlicher Treiber des weltweiten Produktivitätsfortschritts. „In der Europäischen Union schätzt man ihren Anteil am Produktivitätswachstum auf rund 40 Prozent“, sagt Carsten Rolle, vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

„Die“ Wirtschaft gliedert sich aber in viele Branchen und Unternehmen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Interessen. Peter Hellmonds von Siemens unterscheidet zwischen Produzenten und Nutzerinteressen. Unternehmen, die wie Siemens Communications Produkte und Lösungen für die Informationsgesellschaft herstellen, haben vor allem an der Ausweitung des Marktes Interesse: „Das steigert den Absatz der Produkte, sichert Arbeitsplätze in Deutschland und schafft im Idealfall sogar neue Arbeitsplätze“, sagt Hellmonds.

Wirtschaftszweige, die ITK nutzen, suchen demnach in erster Linie nach Wettbewerbsvorteilen gegenüber ihrer Konkurrenz. Durch den intelligenten Einsatz von Kommunikationsprodukten und -lösungen sei man schneller „am Markt“ und könne kostengünstiger produzieren. Effizienz und Marktanteil sind dabei Richtwerte, die auch im Interesse der Wirtschaft insgesamt liegen.

Basis Bildung

Eine grundlegende Gemeinsamkeit in deutschen Chefetagen sei die Erkenntnis, „dass wir uns international nur dann behaupten können, wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen und sie weiterhin als wichtigen Differenzierungsfaktor fördern“, sagt Peter Hellmonds und verweist auf die Innovationskraft von Forschung an Universitäten, in Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Möglichst früh müsse ein Grundverständnis im sinnvollen Umgang mit neuen Informationstechnologien vermittelt werden, fordert selbst der BDI. Und auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) möchte Schulkinder und Studenten möglichst mit modernsten Laptops ausstatten, die drahtlos mit dem Internet verbunden werden können. Die Finanzierung sei „eigentlich originäre Aufgabe des Staates“, sagt Maurice Shadh von der BITKOM. Da die öffentliche Hand aber unter chronischen Finanzproblemen leidet, seien Public Private Partnerships, wie „Schulen ans Netz“ gefragt.

Regulationen und Investitionen – die Rolle des Staates

Für die IKT-Branche und darüber hinaus sind staatliche Akteure auch deshalb von Bedeutung, weil sie Rahmenbedingungen und Standards setzen, zum anderen aber auch selbst als Investor auftreten.

Durch klare gesetzliche Vorgaben zu Patenten, zum Copyright, zur Datensicherheit und zum Kunden- und Datenschutz wird Rechtssicherheit für die Nutzer neuer Technologien geschaffen.

Gerade der Datenschutz ist ein brisantes Thema. „Einerseits darf er nicht zum Hemmnis dynamischer Entwicklungen werden, andererseits aber auch nicht auf der Strecke bleiben“, sagt Carsten Rolle vom BDI. Regulierungen sollen möglichst wenig restriktiv sein und neue Anwendungen nicht behindern.

Der Staat setzt aber auch Standards und prägt damit die technologische Entwicklung. Die frühzeitige Standardisierung im Mobilfunksektor habe den in Europa entwickelten GSM-Standard quasi zum Weltstandard gemacht. Für Hellmonds ein klarer Wettbewerbsvorteil für europäische Anbieter: „Wenn wir uns die nächste Generation von Netzen ansehen, werden auch hier Standardisierungsthemen ein wichtiger Erfolgsfaktor sein.“

Im Bereich des eGovernment wird der Staat selbst zum Investor in ITK. Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung werde Strukturreformen und eine stärkere Kundenorientierung der öffentlichen Verwaltung bewirken – eGovernment wird so zum Standortfaktor im internationalen Wettbewerb. „Die am häufigsten von Unternehmen geäußerte Erwartung an eGovernment-Prozesse ist, dass sie schnellere Bearbeitungszeiten ermöglichen“, weiß Rolle vom BDI. Damit eGovernment „endlich in die Fläche kommt“, sollten die politischen Akteure möglichst eng kooperieren, um die begrenzten finanziellen Ressourcen effektiv zu nutzen.

Ob nun Maut-System, die für 2006 angekündigte elektronische Gesundheitskarte bis hin zur geplanten Jobcard – allesamt sollen sie mehr Transparenz und Effizienz erzielen. Der staatlich forcierte Einsatz modernster Technik soll dabei auch Vertrauen schaffen. „Letztendlich könnte auch ein Anreiz bei den Bürgern entstehen, sich einen Computer zuzulegen“, meint Shadh von der BITKOM.

Europäische Lösungen für den internationalen Markt

Da die europäische IKT-Branche im weltweiten Vergleich bislang nur im Mittelfeld zu finden ist, fordert der BITKOM eine europäische Strategie und mehr Förderprojekte für die Informationswirtschaft. Nach dem europäischen Erfolgsprojekt Airbus sollten sich IKT-Unternehmen der EU-Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene zu größeren Einheiten zusammenschließen und ein Gegengewicht zu Amerikanern und Asiaten bilden. Ein solches Konsortium könnte etwa bei der Entwicklung des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo zum Tragen kommen, das mit dem bestehenden amerikanischen GPS konkurrieren soll. Bislang gestaltet sich die Zusammenarbeit aber schwierig. Bundesminister Manfred Stolpe drohte schon mit dem Rückzug der Bundesregierung aus dem Projekt, falls deutsche Unternehmen nicht stärker eingebunden würden.

Synonym für die Erwartungen der Wirtschaft an die Informationsgesellschaft steht der Slogan eines Ingolstädter Autofabrikanten: „Vorsprung durch Technik“.