Am Montag, 18. April, war Helga Daub, verteidigungspolitische
Sprecherin der FDP und Mitglied im Bundestag, von 13.00 bis 14.00
Uhr zu Gast in der Chat-Reihe "PolitikerTalk" der FDP.
Sie beantwortete Fragen zum geplanten Raketenabwehrsystem MEADS,
der China-Politik der Bundesregierung und zum transatlantischen
Verhältnis.

Moderator:
Herzlich willkommen im FDP-Live-Chat der Serie "Politiker-Talk"!
Unser heutiger Gast ist Helga Daub, MdB. In den nächsten 60
Minuten werden wir uns in diesem Live-Chat aus Berlin über
ihre Funktion als Mitglied im Verteidigungsausschuss auseinandersetzen
und hoffen auf interessante Fragen von Ihnen, liebe Chatter und
Chatterinnen. Die Fragen werden von unseren Moderatoren jetzt entgegengenommen.
Frau Daub, sind Sie bereit?

Helga Daub:
Aber natürlich.

Moderator:
Heute kommt der Koalitionsausschuss zusammen, um über das deutsche
Rüstungsprojekt MEADS abschließend zu beraten. Wie ist
die Haltung der FDP zu diesem Projekt?

Helga Daub: Die
FDP hat da noch nicht abschließend ihre Meinung gefällt.
Wir haben uns das wirklich nicht leicht gemacht. Für und Gegen
abgewogen, auch die Kritik der Stiftung Wissenschaft und Politik
(SWP) oder dem Hessischen Institut für Friedens- und Konfliktforschung.
Auch das ist natürlich in unsere Überlegung eingeflossen.
Natürlich auch der Bericht des Rechnungshofes, der vor allem
die finanzielle Seite gesehen hat. Also persönlich bin ich
der Meinung, wir hätten diese Debatte nicht mehr bekommen,
wenn der Einzelplan 14 (der Verteidigungshaushalt) finanziell üppig
ausgestattet wäre. Insofern haben aber angespannte Finanzlagen
auch ihr Gutes, dass man noch einmal sondieren muss.

Der Punkt ist ganz einfach: Brauchen wir MEADS zum
Schutz unserer Soldaten. Und das hat oberste Priorität. Oder
brauchen wir es nicht? Persönlich bin ich allerdings der Meinung:
Wenn wir kämpfen müssen, dass dann unsere Soldaten im
Ausland genügend geschützte Fahrzeuge haben. Ob es dann
wirklich das MEADS-System ist, was wir demnächst unbedingt
brauchen, wenn diese absoluten Grundsätzlichkeiten wie geschützte
Fahrzeuge vor Ort immer wieder erkämpft werden müssen,
bzw. immer wieder nachgefragt werden muss, ob das auch erfüllt
ist, ist fraglich. Zudem haben wir an keinem Einsatzort das Vorgängersystem
Patriot aufgestellt. Und von daher, wenn hier nicht noch jemand
sehr gute Argumente bringt, dass wir es unbedingt brauchen, würde
ich mich persönlich eher dagegen aussprechen. Kann da aber
noch nicht abschließend für meine Fraktion sprechen.
Und was die Grünen machen, ist ein absoluter Bazar und Kuhhandel.
Die Frage ist: Brauchen wir das System oder nicht. Und daran hat
sich die Entscheidung auszurichten.

Rechnungshof: Der
Bundesrechnungshof findet MEADS zu teuer. Was meinen Sie?

Helga Daub:
Na ja, ich meine Preissteigerungen wird man im Laufe eines Entwicklungsverfahrens
immer einkalkulieren müssen und wenn man bedenkt, dass das
Ganze 10 Jahre sicherlich brauchen wird, bis es zum Einsatz kommen
kann, muss man nach aller Lebenserfahrung davon ausgehen, dass die
2,8 Mrd. Euro insgesamt nicht ausreichen werden.

Moderator:
Am Mittwoch dieser Woche soll der Haushaltsausschuss mit Rot-Grüner
Mehrheit die Mittel für das Rüstungsprojekt bewilligen.
Die Beschaffungskosten für das deutsche Rüstungsprojekt
werden mit 2,85 Mrd. Euro angegeben. Der Bundesrechnungshof warnt
vor gravierenden Finanzrisiken. Teilen Sie diese Bedenken?

Helga Daub:
Die Bedenken darf man sicherlich haben. Wobei ich es absolut unglaublich
finde, was die Grünen im Tagesspiegel gesagt haben, dass sie
in den Haushaltsausschuss möglicherweise Vertreter und nicht
die Obleute schicken, das ist Politik nach dem Motto "Wasch
mir den Pelz, aber mach mich nicht nass". Da muss man Farbe
bekennen. Was unsere Vertreter natürlich auch wissen. Und das
werden wir morgen in unserer Fraktionssitzung abschließend
beraten und mit dieser Haltung werden unsere Vertreter dann natürlich
auch in den Ausschuss gehen und keine Stellvertreter heranziehen.

Moderator:
Eine allgemeine Frage zum Thema MEADS von krimhild:

krimhild:
Können sie vielleicht erklären was MEADS genau ist?

Helga Daub:
Der englische Name ist „Medium Extended Air Defense System“.
Also ein Luftverteidigungssystem der mittleren Reichweite (1000
Kilometer Umkreis und 30 Kilometer Höhe). Ein Raketenabwehrsystem.
Und der Vorteil von MEADS gegenüber Patriot ist, dass man eine
360 Grad Umkreis Abdeckung hat, wogegen Patriot nur – glaube ich
90 Grad – Abdeckung hat. Natürlich kann Patriot auch nachgerüstet
werden, allerdings nicht diese 360 Grad.

Gerolstein:
Die Grünen-Spitze befürwortet das MEADS Projekt. Das wird
Ärger mit der Basis geben, oder was meinen Sie?

Helga Daub:
Die Grünen sind gar nicht so überzeugt von diesem Projekt
und haben das in den vergangenen Wochen auch zum Ausdruck gebracht.
Da stecken wohl härtere Koalitionsverhandlungen dahinter, in
denen dies den Grünen abgerungen wurde. Der Preis: Andere Rüstungsprojekte
auf die lange Bank schieben bzw. gar nicht zum Zug kommen lassen.
Und das nenne ich einen Kuhhandel.

Moderator:
Noch eine Frage zur Finanzierung von MEADS:

frank:
Wäre die Erhaltung von Arbeitsplätzen nicht ein tolles
Argument?

Helga Daub:
450 Arbeitsplätze sind in der Tat sehr viel: Vor allen Dingen
vor dem Hintergrund der großen Arbeitslosigkeit, die wir haben.
Nur, wenn ich die Kosten in Relation setze und auch den recht eingeschränkten
Technologietransfer sehe, habe ich zumindest den Gedanken, ob es
das Wert ist. Denn wir verlieren in anderen Bereichen sehr viel
mehr Arbeitsplätze. Und da ist der Punkt, wo wir bessere wirtschaftliche
Rahmenbedingungen setzen müssen, um die Arbeitslosigkeit zu
bekämpfen.

hektor:
Brauchen wir für eine Berufsarmee nicht die beste Ausrüstung
die es gibt?

Helga Daub:
Brauchen wir. Wir brauchen vor allen Dingen für eine Armee
im Einsatz – und die Bundeswehr wird ja eine solche – eine ganz
andere Ausrüstung als für eine Landesverteidigungsarmee,
die die Bundeswehr 40 Jahre lang war. Und dafür brauchen wir
natürlich die finanziellen Mittel.

Moderator: Noch
eine Nachfrage zum Waffensystem MEADS:

berthold brecht:
Also ein Waffensystem, welches man nur im Ausland braucht. D.h.
man braucht auch entsprechende Einsätze und Logistik. Macht
der Besitz eines solchen Systems Auslandseinsätze wahrscheinlicher?

Helga Daub:
Wir brauchen es nicht nur im Ausland, sondern sicherlich auch zum
Schutz von Einrichtungen in Deutschland, sollten diese angegriffen
werden. Dafür ist es genauso geeignet. Und auch hier die Frage:
Wir sind ja nicht rundum von Feinden umgeben (also 360 Grad). Ist
dies mit einem entsprechend nachgerüsteten verbesserten Patriot-System
zu schaffen? Und sehen sie, deshalb ist meine Entscheidung noch
nicht definitiv.

Moderator:
Eine letzte Frage zum Thema MEADS: Wie ist die Haltung der US-amerikanischen
Kollegen zum deutschen MEADS-Projekt? Ist es in den USA überhaupt
ein Thema?

Helga Daub:
Oh ja! Es war mal so ganz am Anfang des Projektes, dass die USA
es gar nicht haben wollten. Inzwischen sind die USA voll drauf eingestiegen,
auch die amerikanische Industrie. Die decken auch über 50 %
des MEADS-Projekts ab (an dem Projekt sind auch noch die Italiener
und die Deutschen beteiligt). Und das ist sicherlich einer der Punkte,
wo wir als Deutsche nicht so glücklich sind, dass der Technologietransfer
Richtung Deutschland nicht so optimal läuft. Das soll keine
Einbahnstraße sein.

Moderator:
Kommen wir zum Thema Waffenembargo gegen China. Der Bundestag hat
sich in der vergangenen Woche mit dem EU-Waffenembargo gegen China
beschäftigt. Welche Position bezieht die FDP in diesem Punkt?

Helga Daub:
Wir wollen das Embargo derzeit noch nicht aufheben. Was natürlich
nicht bedeutet, dass es nicht irgendwann – an Bedingungen geknüpft
– aufgehoben werden kann. Es ist nicht über unseren Antrag
(keine Aufhebung des Waffenembargos) abgestimmt worden, sondern
wieder in die Ausschüsse verlagert worden. Die Haltung des
Bundeskanzlers ist allerdings eindeutig. Was er natürlich auch
machen kann. Er will die Aufhebung des Waffenembargos. Und der Bundesaußenminister
hat wortreich weder Ja noch Nein gesagt und sich zwischendurch laviert.
Und auch auf eine entsprechende Nachfrage keine eindeutige Antwort
gegeben.

Moderator:
Was genau müsste denn Ihrer Meinung nach passieren, damit das
Waffenembargo aufgehoben werden kann?

Helga Daub:
Respektierung der Menschenrechte in China, Freilassung derjenigen,
die damals (1989) inhaftiert wurden und seit 15 Jahren immer noch
in den Gefängnissen sitzen. Und natürlich Aufhebung der
Todesstrafe. Weltweit sind im letzten Jahr 3700 Todesurteile vollstreckt
worden, 3.400 davon in China. Demokratisierung wird nicht durch
eine Aufhebung des Embargos gefördert. Sondern die Aufhebung
des Embargos steht nach Auffassung der FDP am Ende des Prozesses.

Wirkung:
Welche China-Politik würde die FDP fahren?

Helga Daub:
Handel und Wandel weiter (nicht Waffenhandel) mit China wie bislang
auch. Aber natürlich deutliche Einforderung von Menschenrechten,
Aufhebung der Todesstrafe. Die Stimme Chinas für einen Sitz
im UNO-Sicherheitsrat rechtfertigt es nicht, all diese Punkte aufzugeben.

sinn:
Wir liefern doch auch Waffen an USA. Die haben auch die Todesstrafe
und foltern sogar. Wollen sie denen dann auch keine Waffen mehr
liefern?

Helga Daub:
Dieses Waffenembargo in China hat die EU gefasst (es handelt sich
um einen EU-Beschluss) mit dem realen Hintergrund der Erschießungen
auf dem "Platz des Himmlischen Friedens". Und im Gegensatz
zu den USA ist China eben keine Demokratie mit demokratischen Entscheidungsprozessen
und da sollte sich die EU dieses ja auch nicht aus der Hand nehmen
lassen.

leitfrisur:
Sie waren gerade in den USA. Was haben Sie denen denn über
unsere China-Politik gesagt?

Helga Daub:
Das ist eher anders gelaufen mit allen Gesprächspartnern. Fast
bei allen Gesprächspartnern war blankes Entsetzen über
den Alleingang von Schröder und Chirac. Auch vor dem Hintergrund,
dass gerade im fernen Osten mit Nordkorea, Iran, Mittlerer und Naher
Osten sich neues Gefahrenpotenzial aufbaut und die Amerikaner sich
sehr bemühen, zusammen mit der EU (in Richtung Iran) mögliches
Gefahrenpotenzial (also auch den Besitz von Atomwaffen) abzubauen.
Und in diesem Zusammenhang wird das Verhalten der Deutschen und
Franzosen auch als kontraproduktiv angesehen. Ich konnte unseren
Gesprächspartnern nicht widersprechen.

berliner Ensemble:
Gibt es nicht Richtlinien, wonach die BRD überhaupt nicht in
Krisengebiete liefern darf? Und ist China nicht ein prima Krisengebiet?

Helga Daub:
Es gibt diese Exportrichtlinien, das ist richtig. Ein Krisengebiet
nach der Definition der Richtlinie ist China aber zur Zeit nicht.
Und ich kann nur hoffen, dass es nach dem Beschluss des Antisezessionsgesetzes,
das sich gegen Taiwan richtet, nicht zu größeren Spannungen
in der Straße von Taiwan kommt. Würde es so kommen, dann
hätten wir in der Tat ein klassisches Krisegebiet.

diamandschleifer:
Aber China bedroht doch Taiwan mit Krieg?

Helga Daub:
Die Drohung steht ja schon seit mehr als 40 Jahren im Raum. Aber
dieses Anti-Abspaltungsgesetz könnte die Spannung natürlich
befördern. Bisher hat man sich ja gut gegenseitig in Schach
gehalten, wie es sicherlich auch an der deutsch-deutschen Grenze,
wo die verschiedenen Verteidigungsblöcke über 40 Jahre
aufeinandergestoßen sind, ähnlich war. Gleichwohl waren
wir kein Krisengebiet.

Moderator:
Eine provokante Frage von übhülüd:

übhülüd:
Schwarz-Gelb war schon immer ein großer Waffenverkäufer.
Solche Industrie ist auch ein wichtiges außenpolitisches Instrument.
Würden sie wirklich eine andere China-Politik betreiben?

Helga Daub:
Zunächst einmal hat Rot-Grün in den Jahren ihrer Regierung
mehr Waffen in Krisengebiete geliefert als die Jahre zuvor. Soviel
zum Waffenverkäufer. Und natürlich – und hier kann ich
nur für die FDP sprechen – setzen wir auf den friedlichen Wandel,
wie es uns Gott sei Dank in Deutschland ja auch geglückt ist.

heiner müller: Sollte
man denn nicht grundsätzlich darauf verzichten, Waffen zu verkaufen?

Helga Daub:
Wenn die Welt insgesamt eine Insel der Seeligen wäre, dann
bräuchten wir keine Waffen und dann könnte man das tun.
Leider Gottes gibt es Staaten, die in ihrer Freiheit und Existenz
bedroht werden, keine eigene Rüstungsindustrie oder nicht alle
Fähigkeiten haben und daher auf Waffenlieferungen angewiesen
sind. Wie heißt der schöne Spruch? "Frieden schafft
man nur mit gezücktem Schwert". Will sagen: Die Drohung
muss man aufrecht erhalten können, um nicht angegriffen zu
werden.

Moderator:
Der Bundeskanzler fordert die Aufhebung des Waffenembargos und begibt
sich damit auf Distanz zu vielen europäischen Partnern. Welche
Gefahren entstehen damit für die außenpolitischen Beziehungen
Deutschlands?

Helga Daub:
Das wir uns wieder schön ins Abseits manövrieren. Vor
allen Dingen in Richtung transatlantische Beziehungen. Herr Chirac
wird uns da sicherlich nicht aushelfen.

Moderator:
Der SPD-Politiker Reinhold Robbe ist zum neuen Wehrbeauftragten
der Bundestages gewählt worden. Bei der Abstimmung erhielt
er drei Stimmen mehr als SPD und Grüne zusammen besitzen. Warum
bevorzugen einige Mitglieder der Opposition den Kandidaten der Regierung?

Helga Daub:
Weil der nun gewählte Wehrbeauftragte Reinhold Robbe Befürworter
der Wehrpflicht ist und die CDU/CSU-Fraktion sich als einzige Fraktion
im Bundestag noch geschlossen für den Erhalt der Wehrpflicht
ausspricht. Zwar hat die Institution des Wehrbeauftragten nichts
mit der Wehrpflicht zu tun, hat aber offenbar nicht alle Mitglieder
der CDU/CSU-Fraktion überzeugen können. PS: Es gab auch
etliche Enthaltungen. Das waren vielleicht Leute, die Frau Merkel
bei der Gelegenheit eins in den Tee tun wollten.

filius8:
War die Wahl des Wehrbeauftragten für die FDP nicht ein Fiasko?

Helga Daub:
Wieso das? Die Abgeordneten der FDP standen voll hinter Günter
Nolting. Großen Teile der CDU/CSU auch. Und es war von vorne
herein klar, dass die Chance, es zu werden, äußerst gering
war. Schließlich hatte die SPD-Fraktion ja in ihrer Fraktion
schon ein Fiasko hinter sich und wird ihre Leute mit mehr oder weniger
sanftem Druck hinter Reinhold Robbe gebracht haben. Und dies ist
jetzt keine Kritik an Reinhold Robbe, ebenso wie es unser Kandidat
geworden wäre, wird auch sicher er ein guter Wehrbeauftragter.

Ärgger:
Ihr Kandidat zum Wehrbeauftragten hat weniger Stimmen bekommen,
als die Opposition hat. Haben sie Fehler gemacht bei der Absprache
mit der CDU?

Helga Daub:
Wir waren nicht in der CDU-Fraktionssitzung, wo dann letzte Absprachen
/ Einstimmungen für die Wahl getroffen worden sind. Die Aussage
auch des verteidigungspolitischen Sprechers, Christian Schmidt,
und natürlich von Frau Merkel, dass sie hinter unserem Kandidaten
stehen, war zumindest eindeutig.

Helga Daub:
Es werden wohl andere Gründe eine Rolle gespielt haben, als
da wären Wehrpflicht und Kanzlerkandidatur.

filius8:
Sehr geehrte Frau Daub, die Wahl des Wehrbeauftragten lief ja letztendlich
für die SPD besser als erwartet. Ich hätte gar nicht mitbekommen,
dass es CDU-Abtrünnige gab, wenn Herr Westerwelle sich später
nicht so aufgeregt hätte. War das marketingmäßig
ein guter Schachzug von Herrn Westerwelle? Ich bin mir da ja nicht
so sicher.

Helga Daub:
Es ging um die Person des Wehrbeauftragten, in erster Linie, und
nicht um Marketing der Partei. Allerdings hatte ich schon den Eindruck,
dass im Vorfeld der Wahl sehr viel darüber berichtet wurde,
wie über beide Kandidaten. Nun war das vielleicht nicht so
ausgeprägt in unseren Regionalzeitungen.

Moderator:
Der neue Wehrbeauftragte Robbe hat den Wehrdienst verweigert und
stattdessen Zivildienst absolviert. Ist er trotzdem für dieses
Amt geeignet oder sollte ein Wehrbeauftragter unbedingt Wehrdienst
geleistet haben?

Helga Daub:
Es gehört natürlich nicht zum Anforderungsprofil an einen
Wehrbeauftragten, dass er auch Wehrdienst geleistet hat. Schließlich
hatten wir ja auch schon mal eine Frau als Wehrbeauftragte, und
die Wehrpflicht gilt für Frauen bekanntlich nicht. Gleichwohl
halte ich es für eine sehr gute Voraussetzung, Wehrdienst geleistet
zu haben. Unser Kandidat hatte das übrigens damals noch 18
Monate. Es sind einem möglicherweise einige Dinge vertrauter.

mangapower:
Frau Daub, was halten sie von den hilflosen Versuchen Strucks, die
Wehrpflicht zu retten?

Helga Daub:
Gar nichts. Ich verstehe natürlich einige der Argumente der
Wehrpflichtbefürworter, z.B. Verankerung in die Gesellschaft.
Da die Bundeswehr aber verkleinert wird, wir folglich immer weniger
Wehrdienstleistende haben, immer mehr Standorte geschlossen werden,
kann auch dieses Argument nach meiner Meinung nicht mehr richtig
ziehen. Außerdem stellt sich ja der Verteidigungsminister
laut Zeitungsmeldungen an die Spitze der Bewegung, sollte der SPD-Parteitag
im November die Abschaffung der Wehrpflicht beschließen.

polizei: Die
FDP will die Wehrpflicht abschaffen. Glauben sie, dass macht Auslandseinsätze
einfacher?

Helga Daub: Was
die Ausbildung anbetrifft, glaube ich das in der Tat. Denn die Ausbildung
für Auslandseinsätze muss anders und intensiver sein als
bislang. Und bedingt durch die hohe Rotation bei der Ausbildung
für Wehrpflichtige bringt die Wehrpflicht auch die Ausbilder
an die Grenzen ihrer Kapazität. Dies ist nicht nur meine Meinung,
ich habe es oft von Ausbildern gehört und Grundwehrdienstleistende
werden ja eh nicht für Auslandseinsätze herangezogen.
Moderator: Kommen wir zum Schluss:

pitje puck: Der
einzige Grund, FDP zu wählen, wäre für mich die Ablehnung
der Wehrpflichtigenarmee. Aber wie lösen sie dann das Problem
im Sozial/Gesundheitswesen, welches wesentlich von Zivis getragen
wird?

Helga Daub:
Prinzipiell ist es so, dass der Zivildienst der Wehrpflicht folgt,
und nicht die Wehrpflicht dem Zivildienst. Natürlich hat es
in den vergangenen Jahrzehnten mit zunehmender Zahl von Zivildienstleistenden
geklappt, gewisse Engpässe im Gesundheitswesen und sozialen
Diensten zu entspannen. Noch mal: Das ist nicht Aufgabe der Wehrpflicht,
unser Gesundheitssystem auf sichere Füße zu stellen.
Hartz IV und Verdienstmöglichkeiten im Geringfügigkeitsbereich
bieten hier sicherlich eine Gelegenheit, in Gesundheitsberufe einzusteigen
– die übrigens zunehmen werden. Darüber hinaus gibt es
das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), das könnte sicher ausgeweitet
und weniger bürokratisch gehandhabt werden. So ist z.B. die
Alterseingrenzung von 17 bis 24 Jahren absolut unnötig. Außerdem
muss ein Jahr nicht unbedingt an ein Kalenderjahr gebunden sein.
Zeitansparkonten wären aus meiner Sicht auch denkbar. Und wenn
gesellschaftliches Engagement auch noch Vorteile brächte z.B.
am Arbeitsplatz, Studienplatz, – Voraussetzung immer: gleiche Qualifikation
– dann könnten wir die Lücke der Zivis, die dann wegfallen,
durchaus auffüllen.

Moderator:
Unsere 60 Minuten Chat sind vorbei, vielen Dank für das große
Interesse. Herzlichen Dank, Frau Daub, dass Sie sich die Zeit zum
chatten genommen haben. Das Transkript dieses Chats finden Sie auf
den Seiten der Veranstalter. Das Team der Serie "Politiker-Talk"
wünscht allen Beteiligten einen schönen Tag.