Am Montag, 01.12.2008 war Peter Sodann zu Gast im tagesschau-Chat in Zusammenarbeit mit politik-digital.de. Der Schauspieler und Bundespräsidenten-Kandidat der Linkspartei beantwortete Fragen zu seiner Kandidatur, sprach über sein Demokratieverständnis und erklärte, was er besser machen würde als Horst Köhler. Eines stellte der ehemalige Tatort-Kommissar ganz klar heraus: er geht nicht davon aus, dass er die Wahl gewinnen wird.

 

Moderatorin: Herzlich willkommen beim
tagesschau-Chat im ARD-Hauptstadtstudio. Heute bei uns zu Gast: Peter
Sodann, der Kandidat der Linkspartei für das Amt des Bundespräsidenten
– und vielen von Ihnen sicher auch bekannt als ehemaliger
„Tatort"-Kommissar Ehrlicher. Er wird in den kommenden 60 Minuten so
viele Ihrer Fragen wie möglich beantworten. Herzlich willkommen auch an
Sie, Herr Sodann. Schön, dass Sie sich Zeit genommen haben! Können wir
beginnen?

Peter Sodann: Ja, wenn Sie wollen.

diro: Herr Sodann, werden Sie Ihre Kandidatur mit Bestimmtheit bis zum Wahltermin aufrechterhalten?

friday:
Könnten Sie sich vorstellen, um eine zweite Amtszeit des jetzigen
Bundespräsidenten zu verhindern, doch noch zugunsten von Gesine Schwan
Ihre Kandidatur zurückzuziehen?

Peter Sodann:
Nein, warum? Ich trete nicht gegen Herrn Köhler an, ich trete auch
nicht gegen Frau Schwan an. Ich trete für die Linkspartei an. Warum
soll ich zugunsten von jemandem zurücktreten? Jeder macht sein Brot und
das ist gut.

Einheit: Warum haben Sie sich als Bundespräsident beworben, obwohl Sie keine Erfahrung haben?

Peter Sodann:
Ich weiß ja nicht, ob man als Bundespräsident überhaupt Erfahrung haben
muss oder geschult wird. Ich glaube, man muss als Mensch Erfahrung
haben und das reicht.

Fragesteller: Wo sehen Sie Ihre Stärken gegenüber dem derzeitigen Bundespräsidenten Horst Köhler?

Peter Sodann:
Das ist schwierig zu sagen, aber ganz sicher darin, dass ich den
Artikel 1 des Grundgesetzes stärker durchsetzen würde als Herr Köhler:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Klingt zwar pathetisch, aber
das ist nun mal der wichtigste Artikel.

Moderatorin: Können Sie konkret sagen, wie Sie den Artikel besser umsetzen würden?

Peter Sodann:
Das ist schwierig zu beantworten. Ich glaube, man kann nicht nur für
den Frieden oder gegen den Krieg sein, man muss auch Namen nennen.

wolf: Herr Sodann, Sie sagen, wir würden nicht in einer Demokratie leben. Glauben Sie, dass Demokratie funktioniert?

Peter Sodann:
Ich denke schon. Wenn man sehr wachsam ist und Demokratie nicht durch
Politik oder andere Dinge im großen weltpolitischen Geschehen
missachtet wird. Die Demokratie ist immer gefährdet durch Gier, was wir
jetzt gerade sehen, oder durch Dummheit.

SingSachseSing:
Die Kritik an Ihrer Nominierung lässt ja nicht nach – selbst aus den
Reihen der Linkspartei. Fühlen Sie sich ein wenig wie die Sarah Palin
der Linkspartei?

Peter Sodann: Fühle ich mich nicht.

Moderatorin: Tut die Kritik denn weh?

Peter Sodann: Wenn man weiß, von wem sie kommt, dann nicht.

Moderatorin: Auch wenn sie aus den Reihen aus der Linkspartei kommt?

Peter Sodann:
Sie werden mir beipflichten, dass es dumme und gute Lehrer, Polizisten
und Mediziner gibt. Deshalb kann es auch dumme Leute und kluge Leute in
der Linkspartei geben, wie in anderen Parteien auch.

tim: Wie finden Sie die Behandlung Ihrer Kandidatur durch die Medien?

Peter Sodann:
Unterschiedlich. Es gibt natürlich auch kluge und dumme Journalisten.
Es gibt solche, die auf der Haut des anderen ihre eigene Existenz
aufbauen wollen.

Moderatorin: Was hat Sie an der bisherigen Berichterstattung am meisten geärgert?

Peter Sodann: Das Nichtverstehen meiner Position oftmals, weil sie sie nicht verstehen wollen.

Moderatorin: Erste Nachfrage: Was wird nicht verstanden?

Peter Sodann:
Ich bin in einem anderen Umfeld aufgewachsen und Sie als Westdeutsche
sind in einem anderen System aufgewachsen – wie auch immer. Ich habe
andere Erfahrungen gemacht als sie und man muss natürlich auch die
Erfahrungen des anderen in Betracht ziehen, wenn man ganz ehrlich
durchs Leben gehen will.

Moderatorin: Das heißt, "westdeutsche" Journalisten berichten anders als "ostdeutsche"?

Peter Sodann:
Nein, das hat damit nichts zu tun. Inzwischen sind wir ein einiges
Deutschland. Wissen Sie, die Menschwerdung des Affen bedeutet, dass wir
uns noch eine ganze Weile über die Menschwerdung unterhalten müssen.
Ich weiß es aus eigener Erfahrung: Der Rhonegletscher am Furkapass ist
schon nicht mehr da.

Moderatorin: Zweite Nachfrage: Sie haben gerade gesagt, Journalisten würden Ihre Position nicht verstehen wollen. Was lässt Sie so denken?

Peter Sodann: Die Dummheit, mit der manche Argumente geführt werden, weil sie zu eigenem Nutzen sind.

p0lise:
Sie sagen, es gibt dumme und gute Linke, Lehrer, Mediziner, als Antwort
auf die Frage nach Ihren Kritikern? Ist wer Sie kritisiert dumm?

Peter Sodann: Nein, der kann teilweise auch recht haben, denn ich bin nicht fehlerlos und ich bin nicht Gott.

Alexander: Bitte, Herr Sodann, was verstehen Sie unter Demokratie?

Peter Sodann:
Wir wissen, dass es Volksherrschaft heißt. Aber unter Demokratie
verstehe ich ein Sinnbild, dass die Menschen gleich sein sollten. Es
ist ein ständiger Vorgang. Wir haben in der DDR noch gesagt: Égalité,
Fraternité, Pfefferminztee. Demokratie ist eine Geschichte, die ständig
bedacht, gefördert, überwacht werden muss. Sie bewegt sich aber immer
nach vorn, nach etwas Besserem.

Alexander: Herr Sodann, bitte ganz explizit, was möchten Sie als Bundespräsident in diesem Lande ändern, anders gestalten?

Peter Sodann:
Man kann nicht alles ändern und man kann nicht alles gestalten. Aber
Chancengleichheit. Kinderarmut, Hartz IV, also Nicht-Teilnehmen an
Bildung und Kultur ist schädlich für eine Demokratie. Sehr wichtig ist
mir die Würde des Menschen und ein Bildungs- und Kulturprogramm, was
auch die industrielle, wirtschaftliche Globalisierung im Auge hat, ohne
die wertvollen Hinweise unserer Altvorderen zu vergessen. Ich weiß,
dass ich jetzt ausgelacht werde, aber der Goethe-Spruch "Edel sei der
Mensch, hilfreich und gut", hat nach wie vor eine eminente Bedeutung.

Moderatorin: Wir werden noch konkreter und kommen noch einmal zurück zum Stichwort Kinderarmut:

Posaunenengel:
Die deutsche Kinderarmut im doppelten Sinn, zu wenig an der Zahl und
dann noch materiell arme Eltern, halte ich für das größte politische
Problem. Wie würden Sie als eventueller Bundespräsident gegensteuern?

Peter Sodann:
Vielleicht Frau Merkel zu bitten, ein vielleicht nicht ganz so großes,
aber großes Paket zu schnüren, was von unserer Regierung für Wirtschaft
und Banken geschnürt wird. Ein so großes Paket, dass die Kinder auf
diesem Erdball nicht vor Hunger sterben müssen.

Dirk L.: Inwiefern würden Sie Änderungen am Bildungssystem vornehmen?

Peter Sodann:
Erstmal würde ich versuchen, dass alle Länder Deutschlands zumindest
ein gleiches Bildungssystem haben, ohne dabei die Besonderheiten eines
jeglichen Landes zu verletzten. Also den Bayern das Bayerische (man
kann dort sehr gut essen), den anderen Ländern ihres und weniger
Amerikanisierung. Keine vollendete Antwort.

Moderatorin: Haben Sie keine?

Peter Sodann:
Eine vollendete Antwort hat wohl niemand außer Gott. Ich könnte darüber
noch lange reden. Aber Sie fragen mich als
Bundespräsidentschaftskandidat. Da muss ich etwas vorsichtig sein, ich
bin es noch nicht.

Moderatorin: Das heißt, die Antworten liegen in der Schublade?

Peter Sodann:
Wie heißt das so schön: Der Weg kommt mit dem Gehen. Allerdings weiß
ich auch, ich würde in meiner Tätigkeit nicht nur die Verbindung mit
dem Westen, sondern auch etwas mehr mit dem Osten suchen, weil ich
spüre, da stimmt etwas nicht mit unserer Bewegung.

benson:
Wie stehen Sie den Auslandseinsätzen der Bundeswehr gegenüber? Sehen
Sie Deutschland als NATO-Partner und im Zuge seiner historischen
Verantwortung auch dazu verpflichtet, sich für Frieden und
Gerechtigkeit in der Welt einzusetzen?

Peter Sodann: Für Frieden und Gerechtigkeit schon, aber nicht mit militärischen Einsätzen.

Moderatorin: Konkret: Raus aus Afghanistan?

Peter Sodann: Abzug. Dazu gehört allerdings auch ein Volksentscheid.

C-Rode: Glauben Sie, dass der Beruf des Schauspielers und das Amt des Bundespräsidenten Gemeinsamkeiten haben?

Peter Sodann:
So wie der Schuhmacher Gemeinsamkeiten hat mit dem Beruf des
Bundespräsidenten, möglicherweise auch der Tischler oder Literat, so
hat auch ein Schauspieler das Recht, Bundespräsident zu sein. Und er
kann es vielleicht sogar, wenn er ein guter Schauspieler ist.

Moderatorin: Nochmal: Gibt es Gemeinsamkeiten?

Peter Sodann:
Ich möchte kein schauspielender Politiker sein. Aber als
Bundespräsident muss man das ja nicht, da man keiner Partei sondern
seiner eigenen Person und dem Volk verpflichtet ist. Im ernsten Sinn
ist das sicherlich eine Gemeinsamkeit mit der Schauspielerei.

Gast:
Würden Sie, falls Sie bei der Wahl scheitern sollten, auch weiterhin
versuchen auf parlamentarischer Ebene Politik mitzugestalten?

Peter Sodann:
Ich habe schon immer Politik mitgestaltet, also in der ehemaligen DDR,
in der Bundesrepublik und selbstverständlich werde ich mich bis ans
Ende meiner Tage in irgendeiner Weise politisch äußern.

elchico: Bleiben Sie als Kandidat der Linkspartei auch für weitere Wahlen (außer der nächsten) erhalten?

Peter Sodann:
Nein, das glaube ich nicht, Ich bin jetzt 72. Würde ich
Bundespräsident, müsste ich bis 77 durchhalten. Und ich glaube, das
reicht. Anschließend würde ich mich allerdings nicht zur Ruhe setzen.

weltbürger: Wie hoch schätzen Sie Ihre Möglichkeit ein, dass Sie Bundespräsident werden?

Peter Sodann:
Ich nehme stark an, dass Horst Köhler den ersten Platz einnimmt, Frau
Schwan die Vorletzte wird und ich bekomme die bronzene Medaille.

Moderatorin: Warum kandidieren Sie dann überhaupt?

Peter Sodann:
Wenn man einen Marathonlauf macht, will man selbstverständlich
gewinnen, aber wenn man dann die Bronzemedaille erreicht, ist man auch
glücklich.

chat12345: Herr Sodann, sind Sie
sicher, dass ein linker Bundespräsident von der deutschen Bevölkerung
ernst genommen wird und wenn ja, warum?

Peter Sodann:
Ich wüsste nicht, dass die Linkspartei falsche Prognosen für die
Zukunft stellt. Es gibt viele Bevölkerungsschichten, die jetzt auch
beginnen, noch einmal über das Land nachzudenken. Ernstgenommen wird
man wohl nicht unbedingt von den Besitzenden. Ich bin der festen
Überzeugung, wenn ich hier in Berlin Hauptbahnhof ankomme, begegne ich
so vielen Leuten, die mir sehr freundlich zunicken. Und zwar nicht aus
Boshaftigkeit wie manche Journalisten, sondern aus Freude oder aus
Achtung, um nicht gleich Liebe zu sagen.

Sozial: Was hält Peter Sodann vom Sozialismus?

Peter Sodann:
Das Wort Sozialismus ist stark verunsichernd. Man kann es im Moment
nicht allzu laut aussprechen. Aber nach der Wende haben selbst die
Mitglieder der SPD nicht mehr Genossen gesagt. Langsam schleicht es
sich wieder ein. Vielleicht ist es im Moment besser zu sagen, ein
besseres, anderes Zusammenleben der Menschheit, was mit dem
Kapitalismus nicht geht. Die moralische Grundlage sind nun mal die
Renditen. Wenn unser Leben durch Geld bestimmt wird, bleibt es dabei,
der Abstand zwischen Arm und Reich wird größer. Babylon, Rom, und viele
andere Formen sind auch untergegangen aufgrund dieses Problems. Ich
denke, ein menschliches Zusammenleben muss jeden Tag von Neuem
beginnen. Und Sozialismus in besseren Händen könnte eine Variante sein.

tilmann: Sie teilen die Bevölkerung in Besitzende und Nicht-Besitzende ein, dies hat kommunistische Züge – oder wie sehen Sie das?

Peter Sodann: Das hat für mich nicht kommunistische, sondern humanistische Züge.

Punkebrot: Heißt das, Sodann sagt, dass der Kapitalismus überwunden werden muss?

Peter Sodann: Ja.

Moderatorin: Wir geben unseren Lesern die Gelegenheit, schon vor den Chats Fragen zu stellen. Diese hier hat die meisten interessiert:

free citizen (dresden):
Herr Sodann, finden Sie nicht, dass jeder Mensch das Recht auf Erfolg
und daraus resultierenden Reichtum haben sollte? Und dass Leistung die
Grundlage dafür sein muss?

Peter Sodann:
Empfinde ich auch. Aber wir sehen ja gerade, dass dieser Mensch, der
auf Erfolg geht von A bis Z noch gar keinen hatte. Was ist nun? Waren
wir nicht eigentlich immer nur die Mittelmäßigen?

Moderatorin: Und die zweitbeliebteste Frage lautet:

Tony:
Wenn Sie eh keine Chance auf das Bundespräsidentenamt haben, warum
treten Sie dann an und verhindern somit die doch für Ihre Partei
eigentlich angenehmere Kandidatin der SPD, Gesine Schwan? Unterstützen
Sie mit Ihrer Kandidatur nicht indirekt die Bürgerlichen Parteien?

Peter Sodann:
Ich weiß nicht, ob nicht Herr Köhler angenehmer ist als Frau Schwan.
Das könnte ja auch sein. Zweitens trete ich nicht gegen Frau Schwan an.
Wenn sie antritt, ist es ihr Problem. Ich trete für die Linkspartei an.
Wenn sie sich nicht selbst durchsetzt, hat sie Pech – wie Frau
Ypsilanti, die sich mit der Linkspartei nicht durchsetzen durfte.

Moderatorin: Frau Ypsilanti hatte Pech?

Peter Sodann:
Naja, das ist für mich von vornherein ein so politisches Debakel. Erst
einmal von Frau Ypsilanti verursacht, weil sie aufgrund der Wahl
dachte, ich mache es lieber nicht und werde dadurch
Ministerpräsidentin. Als zweites denke ich – als Tatortkommissar – die
Spur führt nach Berlin. Wo endet diese Spur? Einen Tag vorher hat doch
Herr Müntefering gesagt, auf keinen Fall mit der Linkspartei.

Moderatorin: Wir kehren zurück zu den Fragen unserer Leser. Auf Platz 4:

ag: Wie kann man sich für die Nachfolgepartei der SED aufstellen lassen?

Peter Sodann:
1. Die Linkspartei ist nicht die Nachfolgepartei der SED für mich. 2.
Jeder hat das Recht, nachzudenken. Und irgendwann kann jeder für sich
feststellen, wie ich, dass er vielleicht eine Epoche seines Lebens
falsch gedacht hat. Ich kann kein Mitglied der Partei, der SED sein, da
ich selbst daraus entfernt wurde. Im Moment bin ich parteilos. Auch die
Blockparteien sind nicht frei von Geschichte. Es geht wiederum gegen
die Linkspartei.

Apfel: Sie waren in Haft bei
der Staatssicherheit. Da müssten Sie großes menschliches Leid gesehen
und gehört haben, auch in kurzer Zeit. In der PDS -Linke sind ehemalige
Stasi – Bedienstete und Zuträger. Wie gehen Sie damit um, moralisch?

Peter Sodann:
Den „Inoffiziellen Mitarbeitern", die es zu meiner Zeit gab und danach
auch noch (sie sind ja nicht tot), davon hatte ich rund 95, habe ich
eigentlich verziehen. Es ist jetzt 18 Jahre danach. Ein
Lebenslänglicher wird üblicherweise nach 15 Jahren begnadigt. Ich habe
sie alle begnadigt. Man muss auch wissen, warum man „Inoffizieller
Mitarbeiter" wird. Das ist ein weites Feld. Moralisch gehe ich damit so
um: Wo eine Schuld ist, muss auch Vergebung sein. Das sagt uns die
Bibel.

TOBL: Herr Sodann, denken Sie nicht, dass
ein Vergleich à la "Wenn die (die Blockparteien) etwas falsch machen,
darf es die Linkspartei auch" unzulässig ist?

Peter Sodann:
Die Fragestellung ist doch falsch. Beschuldigt wird doch die
Linkspartei und nicht die anderen. Ich habe das nur als Vergleich
gesagt, damit man mal darüber nachdenkt, warum Die Linkspartei so
beackert wird.

Moderatorin: Das heißt, alle müssen sich verantworten? Oder gilt eher die Parole "Wir blicken nach vorn."

Peter Sodann:
Ich habe nie dafür plädiert, dass die Stasiakten geschlossen werden.
Mein Wahlspruch zu DDR-Zeiten war immer "alle müssen alles wissen,
dürfen und sollen". Wir blicken nach vorn und alle müssen sich
verantworten. Jetzt, in der Vergangenheit und in der Zukunft.

magnus: Sie haben die Bibel angesprochen. Welche Rolle spielt Religion in ihrer Politik?

Peter Sodann:
Wenn Sie mein Buch lesen, was zuletzt veröffentlicht wurde, „Keine
halben Sachen", kommen Sie an eine Stelle, wo ich mich mit meinem
Freund als betenden Kommunisten bezeichne. Der Grundtenor dieser
Geschichte ist, dass wir gesagt haben, Kommunismus ist schön, aber wenn
wir nicht beten können, sollte man den Weg dorthin nicht beschreiten.
Unter Beten verstanden wir und verstehen wir allerdings Demut vor dem
Baum, auf dem wir sitzen, zu haben und Demut vor allem, was uns die
Mutter Erde zur Verfügung stellt.

Dieter Hundeshon: Wenn Sie als Bundespräsident Frau Merkel einen Rat geben könnten, was würden Sie ihr sagen?

Peter Sodann: Mein Buch "Erinnerungen" zu lesen.

Moderatorin: Zusammengefasst in drei Sätzen?

Peter Sodann:
1. Mein Buch zu lesen. 2. Das kann ich ihr nur als Bundespräsident
sagen. 3. Sie soll sich nicht allzu stark von der Industrie und
Wirtschaft belatschern lassen.

Stud15: Ihre
philosophisch gespickten Antworten lassen eher an einen Schauspieler
denken, der die Rolle eines Politikers spielt, als an einen wirklichen
Staatsmann. Wie stehen Sie dazu?

Peter Sodann:
Auch ein Staatsmann darf Goethe und Schiller, Heinrich Heine oder
Walther Jens erwähnen. Auch ein Staatsmann darf, wenn Dichter und
Denker es besser ausdrücken können, unsere Dichter und Denker erwähnen.
Deshalb ist man lange nicht ein Schauspieler. Aber auch ein
Schauspieler, wenn er ein richtiger ist, darf nach wie vor
Bundespräsident werden.

Kalle: Halten Sie es für
legitim, anderweitig erworbene Bekanntheit in die Politik mitzunehmen?
In den USA hatten ehemalige Schauspieler wie Reagan oder Schwarzenegger
ja große Erfolge.

Peter Sodann: Ich halte es für
völlig legitim, sein Leben, was man bisher gelebt hat,
selbstverständlich auch in die Politik mitzunehmen. Geht ja gar nicht
anders.

Heino: Glauben Sie dass auch jüngere Menschen ihre Kandidatur befürworten?

Peter Sodann: Ich kenne welche. Und wenn es keine Karrieristen sind.

raffalex: Fühlen Sie sich als Kandidat von den anderen Parteien akzeptiert? Ernstgenommen?

Peter Sodann: Laut Presse und Medien denke ich: Ja. Weil man doch in verschiedenen Artikeln so sehr über mich schimpft.

Moderatorin: Wie sind denn Ihre direkten Kontakte in die anderen Parteien?

Peter Sodann:
Ich habe – ich will jetzt keine Namen nennen, damit diejenigen keinen
Schaden erleiden – durchaus Kontakt zu ehemaligen Bekannten aus der
ehemaligen DDR, die sich jetzt in anderen Parteien betätigen.

Moderatorin: Warum Schaden erleiden?

Peter Sodann:
Ich könnte mir aufgrund der Medien vorstellen, dass es Menschen gibt,
die aufgrund der Tatsache, dass ich mich links bekannt habe und dieses
Amt antreten will, die aufgrund dessen Angst um ihre Existenz haben
müssten. Es gibt Leute, die sagen "Wenn du das machst und ich
verpflichtet bin, mit dir zu gehen, kann es sein, dass die Bank mir
keinen Kredit mehr gibt."

Moderatorin: Wir haben
unsere Leser vorab gefragt, ob Sie, Herr Sodann, Bundespräsident werden
sollen. Hier das Ergebnis: 27% haben ja gesagt, 73% nein.

Peter Sodann: Das ist ganz gut, finde ich. Das ist rund ein Drittel.

Moderatorin: Mehr als zwei Drittel sind dagegen…

Peter Sodann:
Na und? Ich habe auch nicht gesagt, dass ich es unbedingt werde. Ich
habe nur gesagt, dass ich es werden will. Statistiken sind ohnehin
schwierig. Wenn Sie alle die gefragt hätten, die mich grüßen oder mir
auf die Schulter klopfen, hätte ich jetzt 50%. Mindestens.

Moderatorin:
Letzte Frage: Nach allen Erfahrungen, die Sie seit ihrer Nominierung
gemacht haben: Würden Sie die Entscheidung wieder treffen, zu
kandidieren?

Peter Sodann: Die Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe, sagen mir, ich würde das nochmal tun.

Moderatorin: Warum?

Peter Sodann:
Das ist jetzt keine Eitelkeit oder so. Es ist dadurch etwas ausgelöst
worden, wo ich sage, ich hätte gar nicht gedacht, dass ich soviel
Aufmerksamkeit erzeugen kann. Also ist doch was falsch im Staate
Dänemark. Angenommen, es würde jetzt das ganze Volk wählen, rechne ich
mir ein paar mehr Prozent aus. Aber das kann falsch sein.

Moderatorin:
Das wars leider schon wieder, eine Stunde ist um. Herzlichen Dank,
Peter Sodann, dass Sie sich Zeit für die Diskussion mit den Lesern von
tagesschau.de und politik-digital.de genommen haben. Ein Dankeschön
auch an unsere User für die vielen Fragen, die wir leider nicht alle
stellen konnten. In Kürze finden Sie das Protokoll dieses Chats auf
unserer Homepage. Das tagesschau.de-Team wünscht allen noch einen
schönen Tag.

Peter Sodann: Ich bedanke mich auch.

Der Chat wurde moderiert von Nicole Diekmann, tagesschau.de.