Am Sonntag 3. April 2005 war Iris Schlemmer von der Deutschen Hospiz
Stiftung im Live-Chat von tageschau.de für den "Bericht
aus Berlin". Sie sprach über die Notwendigkeit von Patientenverfügungen
und wie wichtig es ist, schon früh den eigenen Willen zu dokumentieren.

Moderator: Herzlich Willkommen
im tagesschau-Chat für den „Bericht aus Berlin“.
Ins ARD-Hauptstadtstudio ist zum Chat heute Iris Schlemmer von der
Deutschen Hospiz Stiftung gekommen. Vielen Dank, dass Sie Zeit für
unsere Zuschauer und User gefunden haben und die Frage: Kann es
losgehen?

Iris Schlemmer: Gerne!

Moderator: Kurz das Grundsätzliche:

diehard: Was ist genau eine Patientenverfügung?
Hab ich noch nie gehört?

Iris Schlemmer: Eine Patientenverfügung ist
eine schriftliche Willensäußerung, die ich für den
Fall verfasse, dass ich mich selbst mal nicht mehr äußern
kann.

heike29: Wie und wo kann ich eine Patientenverfügung
in meinem Sinne machen?

Iris Schlemmer: Es gibt über 100 verschiedene
Modelle von Patientenverfügungen zurzeit auf dem Markt. Wir
warnen vor Ankreuz-Formularen, die einfach unterschrieben werden.
Ich sollte mir für meine Patientenverfügung sehr viel
Zeit nehmen, mir genau überlegen, welche Behandlungen ich einfordere
und ich sollte mir dafür soviel Zeit nehmen wie für die
Planung eines Urlaubs oder einen Autokauf. Und ich sollte mit meinem
Hausarzt sprechen. Der kann mir medizinische Tipps geben.

inka33: Kostet so eine Verfügung etwas?

Iris Schlemmer: Das kommt darauf an. Grundsätzlich
kann ich natürlich kostenlos meinen Willen äußern
und niederschreiben. Ich kann mir aber auch fachkundige Beratung
holen und so eine Patientenverfügung registrieren lassen, beispielsweise
im "Bundeszentralregister Willenserklärung". Dazu
sollte ich Mitglied der Deutschen Hospiz Stiftung sein, und das
kostet 36 Euro im Jahr pro Person.

der.zuschauer: Ab wann kann man denn eine solche
Verfügung erstellen?

Iris Schlemmer: So eine Verfügung sollte
man so früh wie möglich erstellen, denn auch jungen Menschen
kann es passieren, dass sie durch einen Unfall oder eine schwere
Krankheit plötzlich in einen Zustand geraten, in dem sie sich
selbst nicht äußern können. Dafür dann vorgesorgt
zu haben ist wichtig.

Moderator: Zur Frage der rechtlichen Verbindlichkeit
kommen wir gleich noch. Zuvor noch:

der.zuschauer: Ist die immer gültig, wenn
man sie einmal ausgestellt hat?

Iris Schlemmer: So eine Patientenverfügung
sollte regelmäßig aktualisiert werden, möglichst
alle zwei Jahre. Dafür reichen eine neuerliche Unterschrift
und das Datum. So kann ich bestätigen, dass der niedergeschriebene
Willen meinem aktuellen noch entspricht.

sonntagaufembalkon: Wozu man eine abgeben sollte
ist mir noch nicht klar??

Iris Schlemmer: Damit ich mein Recht auf Selbstbestimmung
auch dann wahrnehmen kann, wenn ich mich selber nicht mehr äußern
kann. Wenn ich vorher konkret festlege, was meine Wünsche und
Wertvorstellungen sind, müssen sich die beteiligten Personen
dann auch daran halten.

Moderator: Ein Beispiel, was konkret dann erfolgen
kann oder auch nicht?

Iris Schlemmer: Z.B. kann ich mich in meiner Patientenverfügung
für den Fall äußern, dass ich selbst im Wachkoma
liege. Ich kann festlegen, dass ich eine Basisversorgung haben möchte
und werde dann umfassend mit Nahrung versorgt. Das z.B. war jetzt
im Fall der Terri Schiavo nicht der Fall.

inka33: Können Sie mir denn eine Internetseite
nennen, wo ich mir eventuelle Vordrucke ansehen kann, dass ich weiß
was da rein gehört?

Iris Schlemmer: www.hospize.de.
Da finden Sie schon gute Tipps und Hinweise was in einer Patientenverfügung
nicht stehen sollte, z.B. "Ich will nicht an Schläuchen
hängen". Denn das ist zu unkonkret und hilft im Ernstfall
dem Arzt nicht weiter.

Moderator: Gibt es auch andere Verbände oder
Institutionen, die das anbieten?

Iris Schlemmer: Eine Patientenverfügung bekomme
ich auch z.B. im Schreibwarenladen. Ich rate allerdings dringend
dazu, sich mit dem Inhalt der Patientenverfügung genau auseinander
zu setzen und individuelle Informationen zu holen.

tigeressa: Wo kann man die Verfügungen prüfen
lassen? Gibt es da eine Institution, die darüber schauen kann?

Iris Schlemmer: Die Deutsche Hospiz Stiftung beschäftigt
ein Team aus den Bereichen Medizin, Jura und Seelsorge. Man erhält
dann ein kleines Kärtchen in Scheckkartenformat das darauf
hinweist, dass die Patientenverfügung dort im Ernstfall abgerufen
werden kann.

Moderator: konkreter Fall:

schu: Meine Eltern haben eine Vorsorgevollmacht
für mich ausgestellt. Wenn ein Elternteil nicht mehr in der
Lage ist, selbst zu bestimmen, tritt dann diese ein oder ist der
andere Elternteil noch bestimmend?

Iris Schlemmer: Das kommt darauf an, wen ihre
Eltern als ersten Bevollmächtigten eingesetzt haben. In der
Regel ist es aber so, dass alle Bevollmächtigten gefragt werden
sollten und sich auch einig sein sollten.

karibu: Ist es ratsam eine Patientenverfügung
notariell beglaubigen zu lassen?

Iris Schlemmer: Nein. Eine Patientenverfügung
muss nicht notariell beglaubigt werden. Wichtig ist die Kommunikation
mit meinen Bevollmächtigten. Die sollten wissen, was in der
Patientenverfügung steht und wie ich mir eine Behandlung im
Ernstfall vorstelle.

Moderator: Noch mal zur Klärung der Begriffe:

mi.te: Wir (eheähnliche Gemeinschaft) haben
den Vordruck der Ärztekammer Hamburg und möchten uns gegenseitig
einsetzen, damit der Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist.
In der Vorlage ist allerdings auch eine Vorsorgevollmacht erwähnt.
Was ist das genau?

Iris Schlemmer: Eine Vorsorgevollmacht setzt den
Bevollmächtigten ein. Das ist wichtig, weil vom Gesetz her
nicht automatisch ihr nächster Angehöriger bevollmächtigt
wird. Es kann sogar passieren, dass ein vom Gesetz gestellter Betreuer
eingesetzt wird. Er darf dann für Sie sprechen in allen Fragen
der gesundheitlichen Fürsorge.

isis: Mein Vater, 84 J., wird seit 2 1/2 Jahren
über eine Magensonde künstlich ernährt. Er kann nach
einem Schlaganfall keine Gliedmaßen mehr bewegen, noch sprechen
und ist eigentlich nicht mehr ansprechbar. Wer darf diese Ernährung
abstellen? Er hat keine Patientenverfügung, hat sich aber vorher
oft geäußert, dass er so nicht leben möchte. Er
ist zu Hause und wird von meiner Mutter versorgt, die von Abstellen
nichts hören möchte.

Iris Schlemmer: In diesem Fall ist im Zweifel
für das Leben zu entscheiden, da keine schriftliche Patientenverfügung
vorliegt, die das Gegenteil besagt. Mündliche Äußerungen
durch Dritte überliefert dürfen nicht über das Leben
oder Sterben eines Menschen entscheiden.

Moderator: Es ist also IMMER eine schriftliche
Verfügung notwendig?

Iris Schlemmer: Auf jeden Fall. Nur wenn ich eindeutig
und konkret meinen Willen auf die jeweilige Krankheitssituation
äußere kann der Arzt dementsprechend handeln.

mi.te: Gibt es für die Vorsorge-Vollmacht
eine Vorlage?

Iris Schlemmer: Ja. Die gibt es und kann angefordert
werden bei der Deutschen Hospizstiftung in den Informationsbüros
München, Berlin oder in Dortmund.

tigeressa: Warum werden viele Patientenverfügungen
einfach von den Ärzten missachtet?

Iris Schlemmer: Was wir erleben ist, dass noch
nicht einmal jeder 2. neurologische Chefarzt zwischen aktiver und
passiver Sterbehilfe unterscheiden kann. Außerdem ist die
Rechtslage in diesem Gebiet noch sehr willkürlich und schwammig.

carl: Gibt es eine juristische und in der praktischen
Medizin definitiv gültige Abgrenzung von aktiver und passiver
Sterbehilfe?

Iris Schlemmer: Ja, aktive Sterbehilfe beinhaltet
immer eine Handlung wenn ich z.B. dem Patienten eine Spritze setze,
die ihn tötet. Passive Sterbehilfe ist Sterbebegleitung, d.h.
ich unterstütze den schwerkranken Patienten, z.B. auch mit
moderner Schmerztherapie, lindere quälende Begleiterscheinung
wie Atemnot oder Übelkeit und gewähre ihm menschlichen
Beistand.

lumba: Inwieweit müssen sich die Ärzte
an eine Patientenverfügung halten?

Iris Schlemmer: Es gibt ein Bundesgerichtshof-Urteil
vom März 2003, das besagt, dass Patientenverfügungen in
der Sterbephase umzusetzen sind. Gegenwärtig ist in der politischen
Diskussion, wann und wie Patientenverfügungen auch vor dem
Sterbeprozess umzusetzen sind. Immer gilt: Patientenverfügungen
müssen konkret und aussagekräftig sein. Ansonsten beziehen
sie sich nicht direkt auf die Krankensituation, entsprechen nicht
eindeutig dem Willen der Patienten.

tigeressa: Es existieren in der Hospizbewegung
doch beide Begriffe: Sterbehilfe und Sterbebegleitung oder? Beide
meinen das gleiche oder? Leben bis zuletzt?

Iris Schlemmer: Sterbebegleitung meint das, was
es auch sagt: Dem Patienten umfassend in seinem Sterben zu begleiten.
Die Begriffe die im Bereich der Sterbehilfe kursieren, sind sehr
verwirrend und werden oft missverstanden. Sinnvoll ist es, hier
zwischen Töten und Begleiten zu unterscheiden. Töten ist
verboten, Begleiten ist geboten.

Moderator: Es scheint ja nicht ganz so einfach
zu sein, eine Patientenverfügung zu verfassen. Sie haben die
Basis-Versorgung erwähnt, die automatisch "einsetzt",
wenn ich nichts geregelt habe. Für Gesunde sicher ein Thema,
das erst einmal relativ weit weg ist:

toster: Da muss ich mich aber sehr gut in der
Medizin auskennen, um zu wissen, was eine Basisversorgung ist.

Iris Schlemmer: Deswegen ist es ja auch so wichtig,
dass ich mich in dem Bereich umfassend informiere was ich für
Möglichkeiten habe. So kann ich in einer Patientenverfügung
ja nicht nur Therapiemaßnahmen ausschließen, sondern
ebenso
Palliativmedizin einfordern, die moderne Schmerztherapie beinhaltet
und darauf ausgerichtet ist, dass mir in den letzten Wochen und
Monaten ein schmerzfreies Leben möglich ist.

Moderator: Erklären Sie uns "Palliativ-Medizin"?

Iris Schlemmer: Palliativ-Medizin ist die moderne
Schmerztherapie abgegrenzt von der Intensivmedizin, die darauf ausgerichtet
ist, Patienten zu heilen. Die Palliativmedizin begleitet und versucht,
dem Patienten Schmerzen zu nehmen. Ziel ist nicht mehr die Heilung,
sondern die Begleitung.

Wisconsin11: Wo fängt für Sie Sterbehilfe
an und wo hört die ‘Begleitung’ für Sie auf?

Iris Schlemmer: Sterbehilfe – genauer gesagt:
aktive Sterbehilfe – ist immer dann, wenn ich einen Menschen töte.
In den Niederlanden z.B. ist aktive Sterbehilfe erlaubt. Dort geht
es schon so weit, dass im Jahr etwa 1000 Menschen getötet werden
ohne den Wunsch geäußert zu haben und ohne selbst gefragt
worden zu sein.

sonntagaufembalkon: Ist das nicht Panikmache jetzt
allen zu erzählen, sie sollen Verfügung machen, das sei
wichtig?

Iris Schlemmer: Das kommt darauf an ob sie für
eine Phase vorsorgen möchten, in der Sie sich selbst nicht
mehr äußern können. Wenn keine Patientenverfügung
vorliegt, dann müssen Ärzte und Angehörige im Ernstfall
über den mutmaßlichen Willen des Patienten spekulieren,
dies hat der Fall Terri Schiavo gezeigt.

Jan26: Wie ist die Rechtslage in dem Fall, dass
ein/e Patient/in in nicht eindeutig zurechnungsfähigem Zustand
dauerhaft zu erkennen gibt, dass er/sie sterben möchte? Und:
Wie sollte man Ihrer Ansicht nach verfahren, wenn leidende, kaum
artikulationsfähige Menschen auf Fragen hin signalisieren,
dass sie sterben möchten? Wie wird Zurechnungsfähigkeit
hier definiert?

Iris Schlemmer: Das ist ein schwieriges Thema.
Aktive Sterbehilfe ist und bleibt verboten. Im Zweifel ist für
das Leben zu entscheiden. Wenn Menschen äußern, dass
sie sterben möchten und sich schon im Sterbeprozess befinden,
dann ist umfassende Sterbebegleitung angezeigt. Die ethische Frage,
die sich bei aktiver Sterbehilfe stellt, ist, wie kann ich einen
Menschen die Würde mehr nehmen, als wenn ich ihm anbiete, ihn
zu töten?

Moderator: Andersherum gefragt – und stellen sich
diese Frage eigentlich auch die Ärzte:

Heinzhorscht: Kann ein Patient überhaupt
wollen, ohne Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins jahrelang
künstlich beatmet zu werden?

Iris Schlemmer: Das kann jeder nur für sich
selber entscheiden. Das gefährliche ist, dass in diesem Bereich
oft versucht wird, eigene Wünsche und Wertvorstellungen – unter
Umständen sogar aus Mitleid – auf schwerstkranke Patienten
zu übertragen. Nehmen wir das Beispiel Wachkoma: Niemand weiß,
was ein Wachkomapatient fühlt oder von seiner Umwelt noch mitbekommt.

Wisconsin11: Wie steht die christliche Kirche
zu der Thematik, dass man über sein persönliches Ende
entscheiden kann? Bedeutet das nicht unter Umständen einen
vertraglich geregelten Selbstmord?

Iris Schlemmer: Auch die christlichen Kirchen
lehnen aktive Sterbehilfe deutlich ab. Aber auch sie fordern, dass
jeder Mensch sein Recht auf umfassende Sterbebegleitung wahrnehmen
kann und das kann auch beinhalten, dass nicht unter allen Umständen
Maximaltherapie weitergeführt wird.

2050: Ist die Art und Weise des Sterbens jetzt
ein Thema, über das die Mediengesellschaft plötzlich diskutiert?

Iris Schlemmer: Wir von der Deutschen Hospizstiftung
merken, dass das Thema immer populärer wird. Natürlich
tragen dazu auch solche Einzelschicksale wie das der Terri Schiavo
bei.

Moderator: Ihre Meinung:

2050: Hat Bush den Fall Schiavo instrumentalisiert?

Iris Schlemmer: Ich denke das öffentliche
Gezerre um Terri Schiavo hätte so nicht sein müssen und
ich hoffe, dass sie davon nichts mitbekommen hat. Hier in Deutschland
wäre es sicher nicht möglich, dass sich die Politik derart
in einen solchen Fall einmischt.

Moderator: Kommentar von:

VORI: Es ist doch zu begrüßen, dass
das Tabu aufgehoben ist, der Tod gehört zum Leben.

Iris Schlemmer: Auf jeden Fall.

Moderator: Gibt es in Deutschland wirklich Fälle,
wo Ärzte verklagt wurden, weil sie das Leiden von Patienten
durch die Aufgabe lebensverlängernder Maßnahmen beendeten?

Iris Schlemmer: Die Rechtslage in diesem Gebiet
ist sehr unklar. Vergleicht man die Entscheidungen der Vormundschaftsgerichte
der letzten Jahre, zeigt sich, dass in diesem Bereich sehr viel
Willkür herrscht. Gerade deswegen ist es wichtig dass wir bald
ein gut überlegtes und durchdachtes Gesetz in diesem Bereich
bekommen. Es gab einen Fall, wo eine Patientin im komatösen
Zustand lag und das Vormundschaftsgericht allein auf Grund der mündlichen
Aussage des Ehemanns und des Haushaltes die künstliche Ernährung
eingestellt hat, obwohl keine schriftliche Patientenverfügung
vorlag. Wer behauptet Fälle wie der von Terri Schiavo wären
in Deutschland nicht möglich, kennt sich in der gegenwärtigen
Rechtssprechung nicht aus.

Moderator: Zum Thema neues Gesetz in Sachen Patientenverfügung:

HeMan2: Liebe Frau Schlemmer, was ist denn eigentlich
das Problem bei der Diskussion? Mein Vater hat Gebrauch von der
bisherigen Regelung gemacht und sie auch erfolgreich angewandt.

tigeressa: Warum hat Fr. Zypries ihren Gesetzesentwurf
der Patientenverfügungen absichern sollte, zurückgezogen?
Was bedeutet das nun gesetzlich?

Iris Schlemmer: Zu HeMan2: Wir machen auch oft
gute Erfahrungen mit Patientenverfügungen. Heikel wird es nur,
wenn die Betroffenen sich uneins sind, was die Patientenverfügung
wirklich aussagen soll. Solche Fälle werden dann populär
und erreichen mehr Öffentlichkeit als die vielen Patientenverfügungen,
die tagtäglich auch heute schon in Deutschland umgesetzt werden.
Zu Tigeressa: Auf den Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz
(BMJ) gab es viele Proteste von Seiten der Öffentlichkeit und
auch von Mitgliedern der Enquetekommission "Ethik und Recht
der modernen Medizin" des Bundestages, die sich seit langem
mit diesem Thema beschäftigt. Einer der wesentlichen Kritikpunkte
war, dass in dem Gesetzentwurf auch so genannte mündliche Patientenverfügungen
Gültigkeit haben sollten. Das hat sich jetzt geändert.
Auch Frau Zypries fordert mittlerweile die Schriftlichkeit von Patientenverfügungen.

Herr K.: Wo kann ich Vordrucke für eine Patientenverfügung
downloaden und sind Patientenverfügungen international gültig,
da ich nicht in Deutschland lebe?

Moderator: Die möglichen Bezugsstellen hatten
wir schon genannt, Teil zwei der Frage ist aber offen.

Iris Schlemmer: Eine Patientenverfügung hat
keine formalen Vorgaben. Eine Patientenverfügung ist eine individuelle
Willensäußerung. Wichtig ist jedoch, dass eine Patientenverfügung
aus drei Teilen besteht. Die so genannte "Vorsorgevollmacht
für Gesundheitsfragen", in der ich einen Bevollmächtigten
einsetze. Zweiter Teil ist die eigentliche Patientenverfügung,
auch "Vorausverfügung" genannt. Und in einem dritten
Teil
setze ich mit der "Betreuungsverfügung" jemanden
ein, der beispielsweise finanzielle Angelegenheiten für mich
regelt, wenn ich mich nicht mehr äußern kann. Und das
ist, soweit ich weiß, auch international so.

Moderator: Ist nicht der Bevollmächtigte
das Wichtigste bzw. der Wichtigste? Er entscheidet in der eigentlichen
Leidenssituation, wenn ich das nicht mehr kann – mit allen
Risiken und der Verantwortung.

Iris Schlemmer: Auf jeden Fall. Mein Bevollmächtigter
entscheidet darüber, wo ich untergebracht werde, im Pflegeheim
oder in einem Hospiz. Er entscheidet, welche Medikamente ich erhalte.
Wichtig ist aber, dass ich ihm auch Schriftliches an die Hand gebe.
Damit hat er im Zweifelsfall meinen geäußerten Willen
in der Hand und kann ihn als Beweis vorlegen.

Wisconsin11: Wie gehen Sie mit den nicht gerade
heiteren Geschehnissen in Ihrer direkten Arbeitsumgebung um?

Iris Schlemmer: Als Theologin denke ich, dass
Tod und Sterben zum Leben gehören und ich helfe Menschen gerne
dabei, für eine Phase vorzusorgen, in der sie sich selbst nicht
äußern können.

tigeressa: Hat jeder das Recht im Hospiz zu sterben?
Kann sich das jeder leisten?

Iris Schlemmer: Ein Hospizplatz muss nicht vollständig
selber finanziert werden. Er wird über eine Mischfinanzierung
bestritten. Oft muss der Patient einen recht geringen Zuschuss pro
Tag zahlen. Kann er das aber finanziell nicht leisten, wird das
auch oft vom Hospiz übernommen. Jeder hat das Recht, dort zu
sterben, wo er es möchte. Deswegen drängen wir darauf,
dass gesundheitspolitisch sich einiges ändert, damit Menschen
ihr Recht wahrnehmen können.

der.zuschauer: Wo sollte so eine Verfügung
aufbewahrt werden, sollen andere Personen auf die Verfügung
Zugriff haben und von ihr Kenntnis nehmen?

Herr K.: Wem, außer meiner Vertrauensperson
/ Bevollmächtigte(r) sollte ich eine Patientenverfügung
aushändigen? Denke da an einen Anwalt oder Notar.

Iris Schlemmer: Eine Patientenverfügung und
sei sie noch so gut, hilft niemandem, wenn sie in der Schreibtischsschublade
verstaubt. Ich sollte mindestens meinen Bevollmächtigten eine
Kopie aushändigen und Kenntnis müssen sie in sofern von
ihr haben, weil sie ja als Bevollmächtigter im Ernstfall für
mich sprechen. Deswegen müssen sie auch wissen, was meine Wünsche
und Wertvorstellungen sind. Eine Patientenfügung können
Sie registrieren lassen im Bundeszentralregister Willenserklärung
der Deutschen Hospiz Stiftung. Dort sind die Dokumente im Ernstfall
jederzeit abrufbar. Wenn es Schwierigkeiten gibt bei der Umsetzung
der Patientenverfügung, leistet das Team der Deutschen Hospiz
Stiftung umfassend und schnell Hilfe.

Moderator: Kommentar von:

VORI: Hospize sind eine segensreiche Einrichtung
und sollten auch durch Spenden unterstützt werden.

Moderator: Sie haben uns gerade verraten, dass
Sie Theologin sind. Daher noch einmal eine Frage zu Ihrer persönlichen
Meinung:

diehard: Finden sie die Berichterstattung der
Medien über den Tod des Papstes der Sache angemessen?

Iris Schlemmer: Ich denke – auch als evangelische
Theologin – der Papst war immer ein sehr mutiger und willensstarker
Mann. Er hat den Kontakt zu den Gläubigen gesucht. Daher sollte
man ihm selbst nicht vorschnell den Willen absprechen, auch über
die Medien auch in schwerster Krankheit noch Kontakt zu den Gläubigen
zu suchen. Der Papst hat den Menschen in seinen letzten Tagen gezeigt,
dass Krankheit mit zum Leben gehört.

Moderator: Das waren 60 Minuten tagesschau-Chat
zum Thema Patientenverfügung. Vielen Dank an Frau Schlemmer
und an alle Interessierten. Am Donnerstag, 7. April, gibt es den
nächsten Chat. Ab 13.00 Uhr stellt sich dann der SPD-Generalsekretär
Klaus Uwe Benneter den Fragen. tagesschau.de wünscht allen
noch einen schönen Abend!

Iris Schlemmer: Ich bedanke mich auch und wünsche
allen Usern und Zuschauern einen schönen Sonntagabend.

tigeressa: Vielen Dank für die souveräne
und kompetente Beantwortung!