Am
Donnerstag, 31. August, war Wolfgang Zöller
, MdB der CSU und Gesundheitsexperte seiner Fraktion, zu Gast im
tagesschau-Chat in Kooperation mit politik-digital.de. Er stellte
sich den Fragen der Nutzer zum aktuellen Stand der Gesundheitsreform,
zu erwartenden Beitragserhöhungen und den Möglichkeiten
der Gesundheitsprävention.


Moderator: Herzlich willkommen
zu 60 Minuten tagesschau-chat. Zu Gast im ARD-Hauptstadtstudio ist
heute der CSU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Zöller. Er ist
Gesundheitsexperte seiner Fraktion und damit der richtige Ansprechpartner
für genau jenes Thema, das auch in der Sommerpause hohe Wellen
geschlagen hat: die geplante Gesundheitsreform. Herr Zöller,
können wir beginnen?

Wolfgang Zöller: Ja.

Moderator: Herr Zöller, wie hoch schätzen
Sie die Gefahr ein, dass die Gesundheitsreform noch scheitert?

Wolfgang Zöller: Die Gefahr schätze
ich sehr gering ein, weil beide großen Volksparteien daran
interessiert sein müssen, dass die Gesundheitsreform umgesetzt
wird.

Giovanni: Ich bin Mitglied der Jungen Union und
bin sehr enttäuscht von der so hoch gelobten Gesundheitsreform.
Wie sehen Sie das, ist diese Reform nicht nur eine verdeckte Beitragserhöhung,
ohne die Krankenversicherungssysteme durch Reformen fit für
die Zukunft zu machen?

Wolfgang Zöller: Ich kann verstehen, dass
er als Junger vermisst, dass in dieser Reform etwas mehr für
die demografische Entwicklung getan wird. Aber nichtsdestotrotz
sind in dieser Reform mehr Strukturelemente enthalten als jemals
zuvor bei bisherigen Gesundheitsreformen. Ein zusätzlicher
Betrag um die demografische Entwicklung abzufedern war leider in
der Koalition nicht durchsetzbar.

icarus: Hallo Herr Zöller. Wann glauben Sie,
steht uns nach der aktuellen Reform eine weitere Reform des Gesundheitswesens
ins Haus? 2007 oder 2008?

Wolfgang Zöller: Wenn die Reform so umgesetzt
wird, wie sie in den Eckpunkten festgelegt wurde und wir den Mut
haben, die dritte Säule -sprich die Steuersäule – entsprechend
ausgestaltet wird, werden wir eine nachhaltige Finanzierung über
mehrere Jahre sicherstellen können.

danno: Was wird sich für die Bürger
wirklich ändern, wenn die Gesundheitsreform im nächsten
Jahr in Kraft tritt?

Wolfgang Zöller: Erstmals wird eine Reform
beschlossen, die keine Leistungskürzungen für die Versicherten
vorsieht. Im Gegenteil, es werden sogar bestimmte, zusätzlich
notwendige Leistungen mit aufgenommen, wie z.B. Palliativmedizin,
Schmerztherapie, geriatrische Maßnahmen, Mutter-Kind-Kuren
und ähnliches. Des Weiteren haben die Versicherten wesentlich
mehr Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten, wie sie ihre Versicherung
wählen wollen. Z.B. Hausarzttarife, Kostenerstattungstarife,
Selbsbehalttarife, Präventionstarife u.v.m.

RTFM: Wenn Sie sagen, Sie müssen die Steuersäule
"entsprechend ausgestalten", was heißt das konkret?

icarus: Wie muss die Steuersäule denn ausgestaltet
werden?

Wolfgang Zöller: Im Eckpunktepapier ist
festgelegt, dass die Steuersäule für die Finanzierung
der Beitragsfreiheit der Kinder verwendet werden soll. Dies bedeutet
einen finanziellen Umfang von ca. 14-16 Milliarden und diese Summe
muss zunächst stufenweise aufgebaut werden. Als Sozialpolitiker
bedauere ich sehr, dass die Mittel aus der Tabaksteuer zunächst
im kommenden Jahr reduziert werden. Mir wäre ein stärkerer
Einstieg in die Steuersäule wesentlich lieber gewesen.

RTFM: Könnten nicht die Überschüsse
der Bundesagentur für Arbeit teilweise umgelegt werden auf
die Krankenversicherten?

Wolfgang Zöller: Nein, das lehne ich aus
einem bestimmten Grund ab: Mich stören schon immer die Verschiebebahnhöfe
zwischen den sozialen Systemen. Wenn durch Beiträge in der
Arbeitslosenversicherung dort Überschüsse erzielt werden,
müssen die Beiträge auch dort gesenkt werden. Dies dient
der Transparenz, im Ergebnis ist es für den Versicherten allerdings
egal, ob er 2% weniger Arbeitslosen- oder Krankenversicherungsbeiträge
zu zahlen hätte.

Moderator: Die Krankenkassen fordern ja den
Milliardenüberschuss der Bundesagentur für Arbeit ein,
um ihre Schulden begleichen zu können.

Wolfgang Zöller: Das wäre der verkehrte
Weg. Systemgerechter wäre es, die Zuschüsse, die die Agentur
für die Arbeitslosen an die Krankenkassen zahlt, nicht zu kürzen
und kostendeckend zu gestalten.

pedo: Eine realistische Einschätzung von
Ihnen: Wie hoch werden die Krankenkassenbeiträge durchschnittlich
im Januar 2008 für die Arbeitnehmer sein?

Wolfgang Zöller: Diese Frage ist sehr schwierig
zu beantworten, weil es Kassen geben wird, die keine Schulden haben.
Die werden ihre Beiträge auch nicht erhöhen. Es wird aber
auch Kassen geben, die jetzt noch eine Verschuldung haben und dementsprechend
ihre Beiträge anheben müssen. Dies hat aber nichts mit
der anstehenden Gesundheitsreform zu tun. Laut jetziger Gesetzeslage
dürften die Kassen überhaupt keine Verschuldung aufweisen.
Wenn Krankenkassen trotzdem Schulden haben, haben sie bisher keine
kostendeckenden Beiträge erhoben.

Moderator: In der "Zeit" ist heute
im Zusammenhang mit dem Finanzgebaren der Kassen von "Mauschelei"
die Rede – stimmen Sie zu?

Wolfgang Zöller: Wenn dem so ist, muss
man fragen, haben die Aufsichtsbehörden ihre Aufgaben erfüllt
oder waren es solche Machenschaften, die von der Aufsichtsbehörde
nicht gesehen werden konnten. Deshalb vertrete ich auch die Auffassung,
dass die Haftungsfrage der nicht schlecht bezahlten Vorstände
der Kassen geändert werden muss.

kaisi75: Hr. Zöller, sind Sie privat oder
gesetzlich versichert?

Wolfgang Zöller: Ich bin in der gesetzlichen
Krankenkasse versichert. Das hängt allerdings damit zusammen,
dass ich früher aufgrund meiner Tätigkeit als Mechaniker
in der gesetzlichen Kasse versichert war und bin mit den Leistungen
der Kasse bisher sehr zufrieden gewesen und sehe keinen Grund zum
Wechseln.

sklein: Werden die Privatversicherten künftig
sehr viel höhere Beiträge zahlen müssen? (Es war
von bis zu 37 Prozent die Rede?)

Wolfgang Zöller: Dies wird garantiert nicht
der Fall sein. Dies würde nämlich den Tod der privaten
Krankenversicherung bedeuten und die Koalition hat im Eckpunktepapier
klar geregelt, dass wir beide Versicherungen – gesetzlich wie privat
– als Vollversicherung erhalten werden.

Gesundheitsexperte: Wenn nicht, wie soll denn
sonst das Eckpunkte-Papier der Koalition umgesetzt werden, in dem
ja davon die Rede ist, dass Privatversicherte ihre Altersrückstellungen
mitnehmen können? Wie soll das finanziert werden?

Wolfgang Zöller: Die Mitnahme der Altersrückstellung
ist deshalb vorgesehen, damit auch Privatversicherte eine Wahlmöglichkeit
unter den Versicherungsunternehmen haben. Zurzeit ist es nur theoretisch
möglich, von der Versicherung A in die Versicherung B zu wechseln,
weil die bei der jeweiligen Versicherung gebildeten Altersrückstellungen
nicht mitgenommen werden können. Und wer glaubt, durch Auflösen
der privaten Krankenversicherung könnte die gesetzliche Krankenversicherung
finanziert werden, geht von der falschen Annahme aus, dass in der
privaten Versicherung nur Höchstverdiener versichert sind.
Tatsache ist jedoch, dass in der privaten Versicherung rund 1 Mio.
Versicherte über der Versicherungspflichtgrenze von 4000 Euro
verdienen, in der gesetzlichen sind es rund 11 Mio., die darüber
verdienen, das heißt, dass es prozentual praktisch vergleichbar
ist.

ace555: Was ist denn nun dran an diesen Gerüchten
um die angeblich geplanten Leistungskürzungen, die die BILD
heute Morgen verkündet hat?

Wolfgang Zöller: Zunächst die Mitteilung,
es gäbe einen Gesetzesentwurf, entbehrt jeder Grundlage. Zum
anderen: Was die veröffentlichten Zahlen angeht, so sind dies
Modellrechnungen, die in verschiedenen Ministerien oder Fachgruppen
schon einmal angestellt wurden. Die aber so nicht umgesetzt werden
können. Die Koalition wird unmittelbar nach der Gesundheitsreform
auch die Reform der Pflegeversicherung angehen. Die Zahlen, die
heute veröffentlicht wurden, spiegeln den Eindruck wider, dass
man die ambulante Versorgung höher vergüten und die stationäre
Versorgung weniger vergüten will. Dies ist theoretisch richtig,
nur in der Praxis führt das zu folgenden Schwierigkeiten: Würden
diese drastischen Kürzungen im stationären Bereich kommen,
würden viele Pflegeversicherten wieder in die Sozialhilfe fallen.
Um genau dies zu verhindern, ist damals die Pflegeversicherung eingeführt
wurden. Ein zweiter Gesichtspunkt: Wenn es jetzt schon Städte
mit 65% Singlehaushalten gibt, müssen erstmal die Strukturen
geschaffen werden, dass eine ambulante Pflege überhaupt vor
Ort durchgeführt werden kann.

Leser: Wird die Gesundheitsreform das unwirtschaftliche
System der stationären und ambulanten Pflege aufbrechen? Beispielsspweise
Schweden hat dort mit einer Vereinheitlichung beachtliche Erfolge
erzielt.

Wolfgang Zöller: Es ist richtig, dass wir
ambulante Pflege stärken wollen, nur die Problematik der Finanzierung
kann nicht dadurch gelöst werden, dass sich Pflegebedürftige
im stationären Bereich wieder auf Sozialhilfe verschieben.
Hier gilt es, einen sinnvollen Mittelweg zu finden und man muss
den Leuten auch wieder klar ins Bewusstsein bringen, dass die Pflegeversicherung
keine Vollversicherung ist.

Shaggy: Müsste nicht ergänzend zur Gesundheitsreform
noch viel mehr Gewicht auf Prävention gelegt werden? Nicht
nur in Form von Aufklärung, sondern auch in Form tatsächlicher
Anreizprogramme?

Wolfgang Zöller: Ja, das kann ich voll
und ganz unterstützen. Nur was Prävention angeht, brauchen
wir auch einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung. Es kann
nicht sein, dass man Prävention, z.B. was Bewegung und Ernährung
angeht nur dann akzeptiert, wenn sie über Krankenkassenbeiträge
finanziert wird. Wir brauchen generell mehr Eigenverantwortung was
Rauchen, Trinken und Übergewicht angeht. Wir geben in Deutschland
sehr viel Geld für die Behandlung von Krankheiten aus und noch
zu wenig für die Verhütung von Krankheiten und hier geben
wir mit der neuen Reform den Krankenkassen die Möglichkeit,
spezielle Versorgungsformen ihren Patienten anzubieten.

Moderator: Essen, Trinken und selbst Rauchen
gehören zu unserer Kultur dazu. Warum wird dieser Umstand nicht
realistischerweise eingeräumt?

Wolfgang Zöller: Da müssen wir alles
tun, dass wir in der Gesellschaft mehr Akzeptanz für mehr Eigenverantwortung
zunächst bekommen und auch die Rahmenbedingungen dementsprechend
stellen. Als Beispiel: Es nützt mir nichts, wenn ich mit einem
Bundesgesetz erreichen will, dass gegen die Übergewichtigkeit
mehr für Bewegung und richtige Ernährung getan werden
soll und gleichzeitig auf der Länderebene die Turnstunden gestrichen
und die Ernährungsberatungen an den Landratsämtern eingestellt
werden. Dies passt nicht zusammen.

interessiert: Denken Sie dass wirklich alle krank
sind, die zum Arzt gehen, bzw. warum kann es auch in der gesetzlichen
Versicherung keine Rückerstattung von Beiträgen bei nicht
in Anspruchnahme geben?

Wolfgang Zöller: Zunächst einmal haben
wir mit Einführung der Praxisgebühr eine Maßnahme
ergriffen, um nicht notwendige Arztbesuche zu verhindern. Dies hat
im ersten Jahr nach Inkrafttreten dazu geführt, dass ca. 10%
weniger Arztbesuche in Anspruch genommen wurden, was wiederum zu
einer zweistelligen Minderausgabe aufgrund von ärztlichen Verordnungen
geführt hat. Aus diesem Grund halte ich nach wie vor die Praxisgebühr
als Steuerungsinstrument – und man muss ehrlich dazusagen auch als
Finanzierungsinstrument – für sinnvoll.

icarus: Rauchen als Bestandteil einer Kultur?
Merkwürdiger Kulturbegriff, Herr Moderator.

Wolfgang Zöller: Es ist wie immer eine
Frage der Dosis. Für mich ist es Kultur, zu trinken, aber Saufen
hat mit Kultur nichts zu tun.

Seehofer: Wenn alle gesund leben, werden ja auch
alle älter. Wäre das nicht ein größeres Problem
für die Krankenkassen und das Gesundheitssystem?

Wolfgang Zöller: Eindeutig nein. Wir müssen
nur dafür sorgen, dass die Menschen gesund älter werden.
Die tatsächlichen hohen Kosten entstehen immer in den letzten
beiden Lebensjahren unabhängig, ob dies bei einem 80- oder
einem 60-Jährigen ist.

Leserin: Wird es die Gesundheitsreform Privatversicherten
ermöglichen, in die gesetzliche KV zurückzukehren?

Wolfgang Zöller: Hier ist diese Rückkehrmöglichkeit
nur gegeben, wenn man seine Altersrückstellungen mitnehmen
könnte. Dies bedeutet allerdings auch, dass jemand, der von
der Gesetzlichen wieder zurück will in die Private, dies ebenfalls
tun müsste. Hier gibt es noch große rechtliche Probleme,
die z.Z. überprüft werden. Aber künftig haben Privatversicherte
auch die Möglichkeit, in einen kostengünstigeren Basistarif
zu wechseln. Damit dürfte ihr angesprochenes Problem gelöst
werden können. Eine konditionsfreie Rückkehr haben wir
früher schon gesetzlich deshalb verboten, weil sonst viele
Menschen in jungen Jahren in die Private zu niedrigen Beiträgen
gehen und im Alter dann wieder in die kostengünstigere gesetzliche
wechseln wollten. Diese Rosinenpickerei wurde zu Recht unterbunden.

Rozo: Was tut jemand wie Sie, also jemand mit
einem Fulltime-Job, um sich fitzuhalten?

Wolfgang Zöller: Ja leider viel zu wenig.
Damit ist ja auch mein Übergewicht zu erklären, aber ich
habe mir, wie so oft, zu Jahresbeginn vorgenommen, jeden Tag mindestens
zehn Minuten auf dem Heimtrainer etwas zu tun, selbst wenn es nachts
um 2 Uhr ist. Ich bin ganz ehrlich, es fällt mir schwer, aber
seit Jahresbeginn habe ich so auch sieben Kilo verloren.

GKV Verunsicherter: Was wird aus dem Risikostrukturausgleich?
Dieser verhindert doch nur, dass kranke Kassen Pleite gehen! Die
Insolvenz einer Krankenkasse wäre doch kein Nachteil für
die Patienten, die ja jederzeit wechseln können.

Monarchist: Was wird aus dem Risikostruktur-Ausgleich?

Wolfgang Zöller: Der Risikostrukturausgleich
(RSA) muss zielgenauer, einfacher und gerechter gestaltet werden.
Wir sind z.Z. mit einer Arbeitsgruppe daran, dies zu erarbeiten.
Er darf nicht wie der bisherige RSA manipulationsanfällig sein.
Die Verknüpfung der Chronikerprogramme mit dem RSA halte ich
für verkehrt, da hier nur die Kasse einen finanziellen Vorteil
und nicht wie vorgesehen der chronisch Kranke eine bessere Versorgung
erhält.

valentin: Die Krankenkassen geben Geld aus für
Telefonaktionen – Beispiel Anruf, ob man einen Auslandskrankenschein
brauche – dafür werden Leute bezahlt und angestellt. Ich konnte
es nicht fassen, das ist rausgeschmissenes Geld.

Wolfgang Zöller: Es gibt verschiedene Aktionen,
wo ich auch sage, das Geld wäre sinnvoller für die Versorgung
der Patienten angelegt. Wir werden künftig durch das Fondmodell
die Finanzströme transparenter machen und wenn eine Krankenkasse
für Verwaltung und Werbung zuviel Geld ausgibt, hat jeder die
Möglichkeit, in eine Kasse zu wechseln, die mit den Beitragsgeldern
effizienter und sinnvoller umgeht.

pennallo: Würden nicht zehn Krankenkassen
reichen?

Wolfgang Zöller: Hierzu muss man auch folgendes
zur Kenntnis nehmen: Als ich 1990 in den Bundestag kam, hatten wir
1207 Krankenkassen, die weniger Verwaltungskosten hatten, wie heute
die 251. Nachdem von den 251 rund 200 Betriebskrankenkassen sind,
haben wie quasi 50 Krankenkassen, deren Zahl sich aus marktwirtschaftlichen
Gründen die nächste Zeit weiter reduzieren wird. Ich sehe
hier keine Notwendigkeit, dass der Gesetzgeber eingreifen muss,
nämlich die Vorstellung, dass man den Krankenkassen eine Mindestanzahl
von Mitgliedern vorschreibt, um mehr Wirtschaftlichkeit zu erreichen
ist falsch. Es gibt große und kleine Krankenkassen, die mit
niedrigen Verwaltungskosten oder auch beide Kassengrößen,
die mit hohen Verwaltungskosten arbeiten. Die Größe der
Kasse sagt nichts über deren Effizienz der Verwaltung aus.

Lilo: Wie genau funktioniert dieser Fonds?

Wolfgang Zöller: Die Grundstruktur des
Fonds: Arbeitgeber und -nehmer zahlen an eine Stelle einen festgelegten
Beitrag. Zu diesen Beiträgen wird der Fonds zusätzlich
aus einem Steueranteil finanziert. Aus diesem Fond erhalten die
Krankenkassen für jeden Versicherten eine risikoadjustierte
Pauschale. Das heißt, künftig hat jede Krankenkasse die
gleichen Startchancen, um in einen Wettbewerb um die beste Versorgungsform
ihrer Versicherten treten zu können.

shakesbeere: Hallo Herr Zöller, wie sieht
es zukünftig für junge Familien aus? Ist in der heutigen
Zeit diese "Reform" überhaupt noch finanzierbar oder
gibt es gerade für Familien ein akzeptables Paket?

marco p: Als Vater zweier Kinder ist es mir finanziell
nicht möglich, Zusatzversicherungen abzuschließen. Ist
es auch mal geplant in dieser Hinsicht Familien zu entlasten, damit
diese überhaupt eine Möglichkeit bekommen, Zusatzversicherungen
abzuschließen?

Wolfgang Zöller: Wenn man die gesetzliche
Krankenversicherung betrachtet, ist sie eine der Versicherungsformen,
die den Familien am weitesten entgegenkommt. In ihrem Fall sind
sie z.B. mit einem Beitrag komplett mit ihrer Familie versichert,
d.h. der Ehepartner und ihre Kinder sind beitragsfrei mitversichert.

Mheuyer: Sollen die Kinder von Privatversicherten
in Zukunft kostenfrei mitversichert werden können – so
wie das bei gesetzlich Versicherten zurzeit der Fall ist?

Wolfgang Zöller: Es wird garantiert nicht
so sein können, dass privat versicherte Kinder kostenfrei mitversichert
werden können. Wenn jedoch über eine Steuersäule
die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder in der gesetzlichen
Krankenversicherung finanziert wird, was beim gegenwärtigen
Stand einen Betrag von 70 Euro bedeutet, muss dieser gleiche Betrag
aus verfassungsrechtlichen Gründen natürlich auch den
Kindern in der PKV zur Verfügung gestellt werden.

rone: Was, denken Sie, kann gegen die sich immer
deutlicher abzeichnende Zweiklassenmedizin unternommen werden? Es
ist doch so, dass Ärzte Privatpatienten, allein um Ihre Praxen
zu finanzieren – bevorzugen – bei der Terminvergabe, natürlich
auch beim Leistungsspektrum. Irgendwie ist es doch ganz schön
degradierend, wenn Privatversicherte Freunde von mir einen Termin
am nächsten Tag bekommen, ich aber als Kassenpatient über
einen Monat warten muss?

Wolfgang Zöller: Zunächst muss man
feststellen, dass die GKV per Definition nur das medizinisch notwendige
finanziert, während in einer privaten Versicherung können
sie gegen den entsprechenden Beitrag auch zusätzliche Leistungen
absichern. Die Ursache, dass ein Privatversicherter beim Arzt eher
einen Termin bekommt, liegt nicht in der PKV sondern in der zurzeit
noch geltenden Budgetierung der Ärzte. Wenn ein Budget des
Arztes am Quartalsende aufgebraucht ist und er nur noch Kassenpatienten
kostenlos behandeln kann, ist es mehr als verständlich, dass
er einen Privatpatienten vorzieht, von dem er eine Vergütung
erhält und der Kassenpatient terminlich ins nächste Quartal
verschoben wird. Will man diese Ungerechtigkeit beseitigen, muss
man dafür sorgen, dass die Ärzte unabhängig von einem
Budget für die Behandlung eines Kassenpatienten vergütet
werden.

Student2006: Wann wird die PKV endlich in die
GKV integriert? Schließlich kann die PKV ohne die Strukturen,
welche die GKV größtenteils finanziert nicht erfolgreich
wirtschaften!

Wolfgang Zöller: Es wäre genauso verkehrt,
die PKV in die GKV zu integrieren. Da würden z.B. gute Risiken
in der in der PKV – Familie mit vier Personen zahlen vier Beiträge
– zu schlechten Risiken in der GKV, da dann die vier Personen mit
einem Beitrag versichert werden. Die Auflösung der PKV löst
keine Probleme, im Gegenteil. In verschiedenen Krankenhäusern
und Arztpraxen wäre eine wirtschaftliche Führung ohne
die höheren Entgelte der Privatversicherten nicht mehr möglich.

Moderator: Das waren 60 Minuten tagesschau-Chat.
Wir bedanken uns bei allen, die mitgemacht haben. Unsere Bitte um
Verständnis an jene, die wir heute mit ihrer Frage nicht berücksichtigen
konnten. Unser besonderer Dank gilt Wolfgang Zöller, der sich
für uns Zeit genommen hat. Der nächste Chat findet am
kommenden Mittwoch statt. Unser Gast ist dann ab dreizehn Uhr der
SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz. Das letzte Wort
gehört Ihnen, Herr Zöller.

Wolfgang Zöller: Ich glaube wir können
alle Sozialsysteme noch so oft reformieren wie wir wollen, wenn
nicht bei allen Beteiligten, angefangen vom Patient, über den
Arzt bis zum Politiker, nicht mehr Moral praktiziert wird, fahren
wir alle Systeme an die Wand.