Am Anfang war das Chaos. Das Internet entstand als unhierarchischer Raum, der sich dem
Zugriff von Regierungen und Behörden weitgehend entzog. Heute ist Deutschland "drin" und der
Mythos dahin. Deutlich wird dieser Wandel von der anarchisch strukturierten Spielwiese zum Raum
mit Regulierungsbedarf auch in der Diskussion um das Urheberrecht.

Im Internet, wo jede Eingabe beziehungsweise Digitalisierung urheberrechtlich geschützter
Werke wie Artikel, Bilder oder Musikstücke eine Vervielfältigung darstellt, sind die
Urheber-rechte bislang nur schwer oder gar nicht zu schützen.

Copy kills content?

Diesem Problem nahmen sich am 30. November 30 prominente Journalisten an. In einem an Kanzler
Schröder gerichteten Appell artikulierten sie die Sorge ihrer zumeist weit weniger
prominenten Kollegen und machten sich für einen besseren Schutz der Urheberrechte im
Online-Zeitalter stark. Die Unterzeichnenden, darunter Ulrich Wickert, Erich Böhme und
Sandra Maischberger, plädieren für einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung einer
"angemessenen Vergütung" für jeden Fall der Nutzung von geistigem Eigentum, da
speziell in den Verträgen der freiberuflich Tätigen sehr häufig die Rechte
für online- und Internetnutzung nicht garantiert seien. Mit dieser Initiative rissen sie
eine Problematik an, derer sich Content-Produzenten, Nutzer und Politik erst langsam
bewußt werden. Letztere steht nach der Diskussion um die Erhebung von
Rundfunkgebühren auf Computer erneut vor der Frage des adäquaten Umgangs mit den
neuen Medien.

Fest steht: Geistiges Kapital sind in der neuen Ökonomie die Gegenstände von Wert. Sie
sind Triebfeder des Internets und zugleich Objekt der Begierde. Somit ist der Schutz
intellektuellen Eigentums zum einen essentiell für die kreativ Tätigen, deren
Einkommen schon jetzt in drastischem Missverhältnis zu ihrer volkswirtschaftlichen
Bedeutung steht. Zum anderen steht mit dieser Problematik auch die Entwicklung des Internets
insgesamt auf dem Spiel.

Die lex Abba

Dem geltenden Urheberrecht gemäß obliegen die Vervielfältigungsrechte immer
dem Urheber oder der jeweiligen Verwertungsgesellschaft. Übertragbar sind nicht die
Urheberrechte, sondern nur die Nutzungsrechte. Genau darum geht es beim immateriellen
(kostenpflichtigen) Vertrieb von Musik, Filmen und Texten über das Internet: Für
eine bestimmte Summe wird Nutzern das Recht eingeräumt, die Werke aus dem Internet zu
laden. Das Prinzip des Urheberrechts ist das Bezahlen. Bezahlen, diese Erfahrung machen zur
Zeit neben Stephen King viele Anbieter
von Inhalten im Netz, bezahlen steht den Nutzungsgewohnheiten im Netz diametral entgegen.

Grenzenlos, schrankenlos, kostenlos – das entspricht schon eher der Philosophie des Internets.
Spätestens seit der Diskussion um den kostenlosen Austausch von Musik im Internet, die
mit der Bekanntgabe der "strategischen Kooperation" zwischen Bertelsmann und der
Internet-Musiktauschbörse Napster ihren
Höhepunkt erreichte, dreht sich in der Urheberrechtsfrage alles um die Verbreitung von
Musik über das Internet. Und darum, dass Nutzer der Musiktauschbörsen auch in
Zukunft lieber nach der "lex Abba" verfahren und es bei einem freundlichen "Thank you for the
music, the joy you´ve given" bewenden lassen, statt für die Nutzungsrechte zu zahlen.

Der Feind im Haus

Egal, ob man den Prognosen über die rasante Entwicklung des Online-Markts für Musik
nun Glauben schenkt: Innovationsschübe wie das von Napster genutzte
"Peer-to-Peer"-Verfahren – also der direkten Austausch zwischen verschiedenen Nutzern ohne
zentralen Rechner – haben fundamentale Auswirkungen auf die Musikbranche, verändern
Aufgaben und Mechanismen in der musikalischen Wertschöpfungskette. Wohlwissend, dass
dies ihre Vertriebsorganisation und damit ihr gesamtes Marketingkonzept auf den Kopf stellen
würde, beschwerte sich praktisch die gesamte Plattenindustrie darüber, dass die
"Musikpiraten" von Napster und Co. ihr durch
den unerlaubten Vertrieb von Musik über das Internet Schaden zugefügt hätten.

Die Anfang November ergangenen Ankündigung des ambitionierten Medienmultis
Bertelsmann, künftig
gemeinsam mit Napster eine kostenpflichtige Musik-Seite zu betreiben,
steht für einen radikalen Wandel im Verhältnisses von Musikindustrie
und Internet. Bertelsmann hat sich der Realität gestellt und sich
dafür entschieden, wenn man den Gegner doch nicht besiegen kann,
ihn wenigstens zu domestizieren. Was bleibt ist eine grundsätzliche
Frage, für die das von der Plattenindustrie mit Prozessen überzogene
Unternehmen Napster mit seinem von über 40 Millionen Netizens genutzten
Angebot nur der Ausdruck war. Es geht darum, wie urheberrechtlich geschützte
Werke vor unerlaubter Vervielfältigung geschützt werden können.
Denn die Problematik trifft die Phonoindustrie nicht allein – File-Sharing
beschränkt sich nicht auf Musikinhalte. Neue Komprimierungstechniken
vorausgesetzt, kann jeder Inhalt, jede Idee kopiert werden. Langfristig
lassen sich mittels Napster auch Filme oder E-Books über das Internet
vertreiben. Ganze Branchen fürchten um ihre Existenz aufgrund der
Aushöhlung der Urheberrechte. Das ist nicht zum ersten Mal so…