ArtikelbildBitkomAlle vier Jahre, im Wahlkampf, öffnet sich ein Zeitfenster für Begehrlichkeiten. Politiker müssen Farbe bekennen und geben Lobbyisten so die Chance, mit ihren Forderungen auf Gehör zu stoßen. Der Bitkom, der “Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien”, hat zu diesem Zwecke einen umfangreichen Forderungskatalog erstellt. Er deckt eine breite Palette von Netz- und Technologiethemen ab. Darunter sind Positionen beim „Datenschutz“ und „Geistigen Eigentum“ – an denen sich Verfechter eines freien, anonymen Netzes stören werden. Zur heiß diskutierten Netzneutralität steht kein expliziter Satz im Papier.
Der Verband Bitkom vertritt die Interessen von insgesamt mehr als 2.000 Unternehmen aus den Bereichen Software, Hardware und IT-Dienstleistungen (u. a. Provider). BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf hat die Forderungen zur Bundestagswahl in einem wenig überraschenden Fazit gebündelt: Die Digitalisierung der Wirtschaft muss politisch stärker gefördert werden. Positiv sei, wie Kempf in Anspielung auf die kürzlich abgeschlossene Enquete-Kommission feststellt, dass das Internet nun im Bundestag angekommen ist. Insgesamt berühren die Wünsche des Bitkom 19 Themenfelder, die auch die digitale Entwicklung auf Feldern wie „Verkehr“ oder „Mittelstand“ abdecken. Unterstrichen wird immer wieder die Wichtigkeit einer Politik, die Innovationen und Wettbewerb fördert. Am Beispiel des Datenschutzes zeigen sich die Bruchstellen zwischen Wirtschaftsinteresse und Privatsphäre.

Daten sind Gold wert

Der EU-weite Datenschutz könnte sich bald verändern. Derzeit wird an den Vorschlägen zur einheitlichen Regelung mächtig gezerrt. Vereine wie digitalcourage warnen davor, dass Daten-Gesetze Lücken bekommen, durch die personengebundene Informationen unkontrolliert zwischen Unternehmen zirkulieren. Die Unternehmensseite hat tendenziell genau das vor Augen. Fairen Wettbewerb und Rechtssicherheit will der Bitkom erreichen, wozu „Datenschutz nicht nur als Grundrechtsschutz, sondern auch als Standortpolitik gesehen werden [sollte].“ Überhaupt dürfe die Datenverarbeitung nicht generell eingeschränkt werden, stattdessen müsse man Datenmissbrauch verhindern. Der Schutz von Daten sei ohnehin keine ausschließliche Aufgabe der Legislative, er solle auch per Selbstregulierung der Unternehmen erfolgen. Der Kampfslogan heißt „weniger Bürokratie!“.
Die Maßnahmen sind schwammig formuliert, typisch für eine Lobbygruppe. Konkreter wurde der Bitkom auf einer Diskussion mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen, wo er vorschlug, Unternehmen zur Anonymisierung und Pseudonymisierung von Nutzerdaten anzuleiten. An der grundlegenden Ausrichtung besteht jedoch kein Zweifel: Der Datenfluss soll nicht an Hürden verebben, er braucht freie Bahn. Denn Daten sind Geld.

Das Urheberrecht bleibt aktuell

Inwieweit Urheberrechte in digitalen Zeiten durchgesetzt werden können und sollen, ist heftig umstritten. Kritiker weitreichender Schutzrechte für immaterielle Güter stoßen sich daran, dass diese vielerorts als „Geistiges Eigentum“ bezeichnet werden. Die Verbreitung von Ideen dürfe den Kritikern zufolge nicht durch Eigentumsrechte unterbunden werden. Im Positionspapier der Bitkom wird der Begriff des „Geistigen Eigentums“ ohne Problematisierung verwendet. Auch wird klar darauf gepocht, dass Urheberrechte, Marken und Patente besonders protektionsbedürftig seien, weil sie Investitionen und Innovationen stimulierten.
Der Bitkom sieht im Themenkomplex des Urheberrechts durchaus Reformbedarf. Er will z. B. die technologieneutrale Gestaltung und eine Reform des Pauschalabgabensystems. Gleichzeitig betont der Verband aber die Bedeutung von Ideen und ihrer Verwertungsmöglichkeit – auch im Digitalzeitalter.

Netzneutralität, abgespeckt

Die Debatte um das Für und Wider der Netzneutralität ist derzeit in sozialen Netzwerken und auf Politik-Seiten Brandbeschleuniger Nr. 1. Der BITKOM hat dazu eine vergleichsweise eindeutige Haltung: Die Priorisierung von Inhalten und/oder Diensten wird abgelehnt, doch für die Bevorzugung ganzer Datengruppen (Videos, Mails) ist man offen. Diese differenzierte Sicht unterscheidet sich etwa von den Forderungen, die in der aktuellen Bundestags-Petition des Physikstudenten Johannes Scheller erhoben werden. Er verlangt die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete.
Interessanterweise wird die Netzneutralität in den Bitkom-Positionen zur Bundestagswahl an keiner Stelle explizit erwähnt. Auf Nachfrage verwies Marc Konarski, zuständiger Bereichsleiter, auf einen Punkt im Absatz zur Telekommunikationspolitik. Dort heißt es: „Der geltende Regulierungsrahmen hat sich grundsätzlich bewährt“. Daher seien neue Gesetze nicht vonnöten.
Warum war dem Verband die Thematik „Netzneutralität“ keine Vertiefung wert? Zum Redaktionsschluss der Bitkom-Thesensammlung – vor Bekanntwerden der Telekom-Pläne, Übertragungsraten zu drosseln und eigene Dienste zu bevorzugen – seien andere Aspekte wichtiger gewesen, die Meinung zudem durch diverse Stellungnahmen dokumentiert. Das stimmt, aber eine aktuelle Pressemitteilung ist bis heute nicht erschienen. Und im September schließt sich das Zeitfenster für Begehrlichkeiten wieder.
Bild: Steamtalks (CC BY-NC 2.0)