Nicht nur Parteien, Regierung und Verwaltung setzen auf das
Kommunikations- und Interaktionsmedium Internet, auch Gewerkschaften
und Verbände verfügen über Netzpräsenzen und Portale, mit denen sie
ihre Mitglieder informieren oder Positionen nach außen vertreten. Diese
sind zugegebener Maßen von unterschiedlicher Qualität und beziehen
nicht immer alle Optionen der Online-Interaktion und -Partizipation
ein. Neben der internen und externen Kommunikation könnten sich
besonders für Gewerkschaften interessante Perspektiven abzeichnen, die
von der Online-Urabstimmung über Netzkampagnen bis hin zum Streik im
Internet reichen.

Die meisten Gewerkschaften bieten
schon heute sowohl für Mitglieder als auch für Nichtmitglieder
zahlreiche Informationen online an, wie z.B. Gesetzestexte, Broschüren,
Tarifverträge oder den aktuellen Stand der Verhandlungen, Informationen
für Betriebsräte und Veranstaltungskalender. Dabei werden allerdings
nicht immer alle Möglichkeiten ausgeschöpft, besonders im Hinblick auf
die Interaktion mit den Besuchern der Seiten. Die folgenden Beispiele
illustrieren die Formen der Umsetzung bei drei Gewerkschaftsportalen.

ver.di – Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft

Die vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wurde erst im März 2001 als Zusammenschluss aus DAG, DPG, HBV, IG Medien und ÖTV
gegründet. In der Internetpräsenz ist das kurze Bestehen und die
Tatsache, dass auch die Einzelgewerkschaften nach wie vor eigene
Homepages pflegen, noch zu spüren, auch wenn bereits eine Vielzahl von
Informationen verfügbar ist. Ein Newsticker informiert über die
wichtigsten Neuigkeiten, aktuelle Themen und Projekte werden mit Links
zu Hintergrundinformationen und entsprechenden Ansprechpartnern
präsentiert. Leider werden die Möglichkeiten zur Interaktion nur in
geringem Maße genutzt: per Email können Interessierte einen Newsletter
anfordern, und täglich gibt es zwei Stunden lang einen Chat. Das
angekündigte Forum, in dem diskutiert werden und auch der Spaß in Form
von eCards und Gewinnspielen nicht zu kurz kommen soll, ist auf der
Seite bislang nicht zu finden.

DGB – Deutscher Gewerkschaftsbund

Beim DGB, der schon auf eine
längere Internetpräsenz als ver.di zurückblicken kann, haben Mitglieder
und Interessierte dagegen viele Interaktionsmöglichkeiten. Neben
fundierten Informationen, die allerdings durch die umständliche
Navigation etwas mühselig aufzufinden sind, gibt es verschiedene
Themenforen, in denen man sich engagieren kann. So bietet z.B. das Forum Neue Arbeit
Diskussionsrunden zu Themen wie Telearbeit, Call Center oder Arbeiten
in Unternehmen der Zukunft. Ein Infopool und ein Newsletter versorgen
Interessierte mit entsprechenden Hintergrundinformationen. Im Themenforum Mitbestimmung
wird nicht nur diskutiert, man kann auch in einer Abstimmung seine
Meinung zum Neu-Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes kundtun und den
bisherigen Stand der Abstimmung abrufen. Hiermit nutzt der DGB bereits
eine Form der Partizipation via Internet.

IG Metall

Eine erweiterte Form davon findet
sich bei der IG Metall, die neben einer Online-Umfrage über die Zukunft
auch eine Zukunftsdebatte im Internet angestoßen hat. In zusätzlichen
Diskussionsforen wird zu verschiedenen Themen kontrovers diskutiert.
Mitglieder der IG Metall haben darüber hinaus die Möglichkeit, eigene
Belange in speziellen Netzwerken zu erörtern. Mit dieser Art von
Diskussionsforen und Netzwerken haben sowohl DGB als auch IG Metall
einen Modus gefunden, ihre Mitglieder aktiv zu beteiligen. Eine
Mitgliedermobilisierung und Partizipation via Internet, z.B. in Form
von großen Online-Debatten, Urabstimmungen oder sogar einem
Internet-Streiks, wäre mit derartig geprägten Nutzern in der Zukunft
durchaus umsetzbar.

Gewerkschaften und Neue Medien

Neben der Nutzung der "Neuen
Medien" für die eigene Gewerkschaftsarbeit stellt die Frage der
Mitbestimmung unter den Bedingungen der sogenannten New Economy eine
besondere Herausforderung für die Gewerkschaften dar. Seit die Branche
von ihrer ersten Krise erschüttert worden ist, Entlassungen um sich
greifen und die Aktienanteile von Beschäftigten dramatisch an Wert
verloren haben, avancieren Betriebsräte plötzlich zu gefragten
Einrichtungen. Zuvor passten sie weder in die Philosophie der
Unternehmen noch zum Selbstverständnis der jungen und selbstbewussten
Mitarbeiter. Besonders die Betriebsratsgründung bei dem ehemaligen
Branchenprimus Pixel Park
hat für großes Aufsehen gesorgt und stellt wahrscheinlichen einen
Wendepunkt für die Selbstverständlichkeit gewerkschaftlicher
Organisation in der New Economy dar. Die Gewerkschaften haben dieses
Problem erkannt und gehen mittlerweile mit besonderen Angeboten auf die
Beschäftigten der New Media Branche ein.

So gibt es auf den Internetseiten
der Gewerkschaften Links zu Projektgruppen, die speziell auf das Thema
Neue Medien bzw. Informationstechnologie ausgerichtet sind. Sie
zeichnen sich durch fachlich versierte Ansprechpartner aus, die
(potenziellen) Mitgliedern kompetente Beratung bieten und
gegebenenfalls – wie im Fall von Pixelpark – auch gezielt Aktionen
anstoßen. Beispiele hierfür sind das Konzeptionsbüro Multimedia und Arbeitswelt, ein Gemeinschaftsprojekt von DPG, HBV und IG Medien mit Beteiligung der DAG, das ver.di-Projekt T.I.M. (Telekommunikation, Informationstechnologie, Medien) oder connexx.av,
die gemeinsame Interessenvertretung von DAG und IG Medien für
Medienschaffende. Letzteren ist es mit einer groß angelegten Mailaktion
gelungen, die Pixelpark-Mitarbeiter zu mobilisieren, was schließlich
zur Gründung eines Betriebsrates in dem Unternehmen führte. Dieses
Beispiel macht deutlich, welches Potenzial in der internetbasierten
Gewerkschaftsarbeit steckt. Gerade in den Unternehmen des Neuen Marktes
sind die Mitarbeiter nicht mehr mit den herkömmlichen Methoden wie
Flugblättern oder Versammlungen zu ködern – stattdessen kommuniziert
man via Email und trifft sich auf einer eigenen Website.

Dieser Trend ist auch von den
Gewerkschaften erkannt worden. Auch wenn von der Erkenntnis bis zur
Umsetzung noch ein weiter Weg zurückzulegen ist, sind erste Ansätze
einer Online-Partizipation erkennbar. Vorbilder gibt es auch in anderen
Bereichen, z.B. bei Parteien, die virtuelle Parteitage oder
Abstimmungen über das Internet durchführen. Diese Beispiele und die
ersten eigenen Erfolge mit Online-Kampagnen werden sicherlich dazu
beitragen, dass auch die Gewerkschaften in Zukunft stärker auf das
Internet als Kommunikations- und Interaktionsmedium zurückgreifen.