Pünktlich zum Europatag am 9. Mai beriet der Bundestag über den Vorstoß der Grünen, Brüssel als einzigen Dienstsitz des EU-Parlaments zu bestimmen. Grund: Die EU leistet sich derzeit drei Arbeitsorte. In der europaweiten Online-Kampagne oneseat.eu stimmen bislang über eine Million EU-Bürger gegen die "Parlamentstroika". Parallel wird eine grundsätzliche Reform der EU-Organe gefordert.

 


Grüne: 1,25 Milliarden Euro Kosten

Es ist abstrus und doch schon seit Jahrzehnten Alltag. Eigentlich hat das Europäische Parlament nur einen offiziellen Dienstsitz: Straßburg. Den Wirren der Europäischen Einigungsgeschichte geschuldet, leistet sich die EU aber zwei weitere Arbeitsorte. So müssen die 785 gewählten EU-Abgeordneten zwölf Mal im Jahr für vier Tage zu Plenarsitzungen nach Straßburg umziehen. Die restliche Zeit verbringen sie mit Ausschuss- und Fraktionssitzungen in Brüssel. Die Parlamentsverwaltung befindet sich dagegen in Luxemburg.

Bilanz des monatlichen Shuttle-Services: 1,25 Milliarden Euro Verwaltungskosten und eine mit 100.000 Tonnen CO2 bezifferte Umweltbelastung pro Legislaturperiode. Dies rechneten zumindest die Grünen der Bundesregierung vor. Zwar kam es am vergangenen Freitag nicht zu einem Beschluss des Grünen-Antrages – er wurde dem Europaausschuss übertragen –, die Diskussion wird dennoch weitergeführt, vornehmlich im Internet.

Online-Petition Aussicht auf Erfolg?

Mehr als 1,2 Millionen Menschen haben sich bislang der Kampagne www.oneseat.eu angeschlossen. Unter Angabe von Name und Herkunftsland fordern sie, Brüssel als einzigen Sitzungsort des Europaparlaments zu bestimmen. Die Initiatoren sehen in der Online-Petition die Möglichkeit, ein Bürgerbegehren zu erwirken und berufen sich dabei auf den 2005 gescheiterten Verfassungsvertrag.

Rechtsbindenden Charakter haben solche Initiativen nicht. Das könnte sich jedoch ändern: Der kürzlich vom Bundestag angenommene Vertrag von Lissabon sieht die Einführung europaweiter Volksbegehren bei einem Mindestquorum von einer Million Unterschriften vor. Anschließend könne die Kommission aufgefordert werden, eine entsprechende Gesetzesinitiative vorzulegen.

Für Cecilia Malmström, schwedische EU-Ministerin, sind die Missstände in der Europäischen Gesetzgebung trotzdem nicht aufgehoben: „Wir sind das einzige Parlament weltweit, das nicht selbst über seinen Sitz bestimmen kann.“, beklagt sie auf der Internetpräsenz der Folkpartiet Liberalerna. Und tatsächlich: Für eine Sitzverlegung ist eine Vertragsänderung nötig, die von allen Mitgliedstaaten, also dem Europäischen Rat, getragen werden muss. Sie fordert den Rat daher auf, aktiv zu werden und für Brüssel als offiziellen Tagungsort einzutreten. Entsprechende Vorstöße in der Vergangenheit scheiterten am „Non“ der Franzosen, die an Straßburg festhalten wollen. Daher bleibt es fraglich, ob die Kampagne Aussicht auf Erfolg hat.

Europa-Uni statt Europaparlament

Für Alexander Alvaro, der für die Liberalen im Europäischen Parlament sitzt, ist es klar, dass ein Fernbleiben des EP aus Straßburg eine "starke Alternative am gleichen Standort verlangt." Er will einen Wissenschaftspark oder eine neu zu schaffende Europa-Universität in den Parlamentsgebäuden ansiedeln, die rund 300 Tage im Jahr leer stehen.

Die Grünen erwägen gar, den Europäischen Rat ins Elsass zu verlegen. „Als Initiatoren und Verfechter der Oneseat-Kampagne hoffen wir nun auf Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy“, erklärt Alvaro auf seiner Internetseite. Auch der Ruf nach einer grundsätzlichen Reform der EU-Institutionen wird ein Jahr vor den Europawahlen zunehmend lauter. Bislang einhundert EU-Parlamentarier vereint die Kampagne www.ep-reform.eu. Sie fordern mehr Transparenz und direkt-demokratische Entscheidungsmöglichkeiten.
Immerhin: Einen Erfolg können sie bislang verbuchen. Die schlecht besuchten und teuren Freitagssitzungen in Straßburg gehören der Vergangenheit an. Ein Etappensieg. Die Abschaffung des „twoseat“-Parlaments ist indes nicht in Sicht.