Die einstige "Öko-Partei" bekennt sich zur digitalen Revolution. Unter dem Motto: "Digital ist besser – Für ein freies Internet" setzen die Grünen auf Netzpolitik als Kernthema und untermauern dies durch eine umfangreiche Präsenz im Web.
In der neuen Serie "Parteien im Netz" nimmt politik-digital.de in loser Folge die fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen unter die digitale Lupe: Wo stehen sie netzpolitisch? Wie organisieren sie sich im Web? Und: Wer sind die Köpfe dahinter?

Netzbetontes Wahlprogramm

Das Prinzip des offenen Zugangs bestimmt die netzpolitischen Leitlinien der Partei. Diese sind ausführlich im Wahlprogramm 2009 ausgearbeitet: Bei Software, Inhalten und Formaten fordern die Grünen "Freiheit auf allen Ebenen". Davon würden vor allem öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Universitäten aber auch die Wirtschaft profitieren, weil Open Source-Lösungen innovativer, kostengünstiger und "grundsätzlich sicherer" seien, so die Grünen.

Außerdem im Wahlprogramm zu lesen: Die Grünen sehen das Internet als neutrales Medium-, aber nicht als "rechtsfreien Raum" an. Besser geschultes- und ausgestattetes Behördenpersonal solle die Verfolgung von Internetkriminalität "intensivieren".

In diesem Zusammenhang lehnen die Grünen Vorratsdatenspeicherung ausdrücklich ab. In einer Pressemitteilung vom 29. Juni 2010 erklärt Konstantin von Notz, innen- und netzpolitischer Sprecher der Grünen, dass es "intelligenterer Alternativen" bedarf. Eine solche Alternative sei das "quick freeze-Verfahren", in dem Daten nur vorrübergehend und auf Anordnung gespeichert werden können.

Datenschutz als Herzensangelegenheit

Das Thema Datenschutz betonen die Grünen besonders. Das parteieigene Internetportal "Datenschutz ist Bürgerrecht" soll für einen bewussteren Umgang der Nutzer mit ihren Daten sensibiliseren. Konstantin von Notz sieht im Datenschutz die Grundlage, um die "Früchte des digitalen Zeitalters zu ernten". Das sei nicht nur bürgerrechtlich, sondern auch wirtschaftlich zu verstehen. "Guter Datenschutz" ist für ihn ein Standortfaktor in der IT-Branche, sagte von Notz im Video-Interview mit politik-digital.de. 

www.datenschutz-ist-buergerrecht.de

Wichtig ist den Grünen eine Reform des Urheberrechts. Das Positionspapier der Grünen-Bundestagsfraktion ruft zu einem "Dialog zwischen Kulturschaffenden, Rechteverwertern und NutzerInnen" auf. Die Digitalisierung von Kulturgütern erfordere "strukturelle Umwälzungen". Dies könne auch die Einführung einer "Kulturflatrate" als Vergütungssystem mit sich bringen.

Die E-Partizipation sei laut Konstantin von Notz derzeit im "Aufbruch". Man müsse sich in den nächsten Jahren "intensiv" mit dem Thema auseinandersetzen. Voraussetzung, um die "neuen Wege der Partizipation" zu nutzen, sei die Achtung der "Bügerrechte", so von Notz zu politik-digital.de.
Laut Parteiprogramm könnten sich die Grünen, dann aber auch "direkte Beteiligungsformen" vorstellen, die über das "Herunterladen von Formularen" hinausgehen.

Partizipation zwischen real und digital

Laut Malte Spitz, Mitglied des Bundesvorstandes der Grünen, gibt es in vielen Bereichen keine Unterschiede mehr zwischen on- und offline. Diskussionen und Aktionen fänden "cross-medial" statt. Diese Arbeitsweise wolle man weiter ausbauen, denn darin läge die "Zukunft der politischen Partizipation".

Die Grünen diskutieren netzpolitische Themen in der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Medien und Netzpolitik, verzichten aber ansonsten nach eigener Auskunft auf Gremienarbeit. Man setze auf eine "möglichst breite Beteiligung", so Malte Spitz zu politik-digital.de. "Gerade im Bereich Web 2.0 hat sich diese Praxis bewährt."

 

Meine Kampagne

Mitmachen können Mitglieder und Unterstützer unter anderem auf der Plattform "Meine Kampagne". Registrierte Nutzer werden personalisiert zu Aktionen im und außerhalb des Netzes eingeladen. Zum Beispiel werden nach Angabe bestimmter Daten Demonstrationen in Wohnortnähe empfohlen. Das grüne Netzwerk "Wurzelwerk"  dagegen ist nur für Mitglieder, die sich selbst organisieren – auch in Sachen Netzpolitik.

Sowohl die Bundespartei, als auch Bundestagsfraktion bieten auf ihren Portalen eigene Bereiche zur Netzpolitik. Die grünen Internet-Enquête-Mitglieder im Bundestag haben ein eigenes Blog, auf dem sie über das Geschehen in der Kommission berichten. Alle Beiträge auf den Grünen-Portalen können kommentiert werden oder sind zumindest mit einem Feedback-Kasten versehen.

Dreierbund im Fokus

"Netzpolitisch auffällig" ist bei den Grünen vor allem das Trio "Von Notz-Spitz-Albrecht":

Quelle: www.von-notz.deKonstantin von Notz ist netzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Er repräsentiert die "digitale Position" der Partei und ist als Mandatsinhaber Dreh- und Angelpunkt "grüner Netzpolitik". Was ihn und die Grünen im Internet beschäftigt, kommuniziert er via Twitter in durchschnittlich 123 Tweets im Monat.

Quelle: www.malte-spitz.deMalte Spitz sitzt im Bundesvorstand der Grünen. Er ist zudem Mitglied im Netzwerk Neue Medien und im Chaos Computer Club (CCC). Er versucht, die Debatte um eine "Kulturflatrate" vorranzutreiben und erregte jüngst Aufmerksamkeit mit einem kritischen Kommentar zu den "Netzpolitischen Thesen" von Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

Quelle: www.janalbrecht.eu
Shootingstar der Grünen, nicht nur in netzpolitischer Hinsicht, ist Jan Philipp Albrecht. Der
Europaparlamentarier wurde in seiner ersten Legislaturperiode sofort zur zentralen Oppositions-Figur in der Debatte um das Swift-Abkommen (politik-digital.de berichtete). Die Financial Times Deutschland taufte den Datenschutzexperten gar "Mr. Anti-Swift".

 

Unter Mitarbeit von Felix Melching.

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