empty press room sochiVor den Winterspielen in Sotschi verschärft der Kreml die Online-Überwachung und greifen direkt auf Kommunikationsdaten zu. Ausländische Journalisten sollten sich gut überlegen, welche Daten sie dem Geheimdienst überlassen.
Wenn in drei Wochen Tausende Athleten, Trainer und Journalisten in der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi mit dem Rest der Welt kommunizieren, wird der Inlandsgeheimdienst FSB genau mitlesen: Denn wer im flächendeckenden Funknetz rund um den Austragungsort surft, wird angezapft. Sorm heißt das Spähprogramm, das ähnlich wie Prism in den USA oder Tempora in Großbritannien die Überwachung des kompletten Telefon- und Datenverkehrs ermöglicht.
Der Inlandsgeheimdienst hat es selbst entworfen, und es kann nicht weniger als die von Edward Snowden aufgedeckten Schnüffelprogramme. Wer welches Schlagwort wie oft eingibt, oder wer mit wem telefoniert – all das protokolliert Sorm. Die Metadaten dürfen drei Jahre lang gespeichert werden. Ein Gesetz zur Zensur im Internet ist seit August letzten Jahres in Kraft. Und das russische Parlament, die Duma, hat es gerade weiter verschärft.
Alexej Sidorenko empfiehlt ausländischen Journalisten deshalb, möglichst vorsichtig mit einheimischen Kontaktpersonen umzugehen: “Journalisten sollten sich genau überlegen, wen sie anrufen oder wen sie treffen. Man weiß nicht, ob solche Informationen irgendwann gegen jemanden verwendet werden.” Der russische Internetaktivist und Blogger rät deshalb dazu, E-Mails mit VPN oder PGP-Technik zu verschlüsseln: “Auch wenn man dadurch auf sich aufmerksam macht, Verschlüsseln ist eine gute Idee”.

Schutz vor Kindesmissbrauch, Suizid-Anleitungen und Terrorismus

Derweil hat die virtuelle Kontrollwut des Kreml ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht: Seit November 2012 schreibt das Innenministerium den Netzbetreibern vor, welche Websites sie blockieren müssen. Allein im vergangenen Jahr wurden 15.000 Seiten neu gesperrt – angeblich um die Gesellschaft vor Kinderpornographie und Suizid zu schützen. Neu ist ebenfalls, dass es für die Sperrungen keine richterliche Anordnung mehr bedarf. Zuvor entschieden noch Regionalgerichte darüber, ob Inhalte blockiert wurden oder nicht. Auch die Presse wird so zusehends drangsaliert, wie Reporter Ohne Grenzen (ROG) mitteilt. So wurden etwa die das Nachrichtenportal gazeta.ru und der Webauftritte der Tageszeitung Komsomolskaya Pravda im letzten Juni in zwei zentralrussischen Provinzen blockiert.
Kein Einzelfall, berichtet der investigative Journalist und Geheimdienstexperte Andrej Soldatow. Während vor Putins Wiederwahl 2012 der Kreml noch die Strategie der “gelenkten Demokratie” verfolgte, die hauptsächlich in einem manipulierten Parteiensystem und bezahlten Kommentatoren im Netz bestand, haben die Massenproteste gegen Putins Wahlerfolg zu einer härteren Gangart geführt. Und die heißt: erweiterte Kompetenzen für die Geheimdienste und neue Anti-Terrorgesetze. Erst im Januar beschloss die Duma eine weitere Verschärfung der Gesetze: Auch Webseiten, die zu “Extremismus oder Unruhen” aufrufen, dürfen jetzt ohne richterlichen Beschluss gesperrt werden.

Russland exportiert Spionagetool

Dass Russlands Angst vor Terroranschlägen während der Olympischen Winterspiele im Nordkaukasus berechtigt ist, zeigt das Selbstmord-Attentat vom vergangenen Oktober. Unzählige Kameras und Sicherheitskräfte sowie der permanente Einsatz von Drohnen ist dabei nicht das Problem, erklärt Geheimdienstkenner Soldatow. Das tun schließlich auch westliche Staaten, um terroristische Gefahren abzuwehren. Doch im Vergleich zu den USA oder Deutschland hat der russische Geheimdienst einen direkten Zugang auf Kommunikationsdaten, so Soldatow: “Nicht die Provider schneiden auf Anweisung der Geheimdienste die Telefonate mit, sondern das macht der FSB”.
Nun sollen auch ausländische Unternehmen wie Facebook und Twitter gezwungen werden, ihre Surfer-Farmen in Russland zu betreiben. Dann müssten auch sie wie heimische Telekommunikations-Anbieter Schnittstellen für das Schnüffelprogramm Sorm liefern. Auf das Spionagetool sind russische Offizielle besonders stolz. Auch weil die Nachbar-Autokraten in Belarus, Ukraine oder Kasachstan mit Sorm arbeiten. Mit einem weiteren Überwachungstool beliefern die Russen sogar Länder außerhalb der früheren Sowjetzone: Mexiko, Kolumbien und Ecuador haben ein Sprachwiedererkennungstool gekauft. “Russland hat eben auch Spitzentechnologie”, erklärt Soldatow die Nachfrage. Er klingt, als wäre es ihm anders lieber.
Bild: TofflerAnn (CC BY-NC-SA 2.0)
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