Mitten in die “prime time” hatte Bundespräsident Horst Köhler seine Ansprache (“Rede” wäre wohl etwas übertrieben) zur Bundestagsauflösung gelegt. Ab etwa zehn Minuten nach 20 Uhr begann auf fast allen Kanälen die Übertragung des eigentlich sehr unspektakulären Geschehens – vor Bundesadlertapete und Präsidialfahne verlas das etwas unsicher wirkende Staatsoberhaupt die in dürren Sätzen formulierte Stellungnahme. Wenige Minuten später war der Weg zu Neuwahlen frei – und schon folgten die ebenso reduziert vorgetragenen Auftritte der unmittelbar beteiligten Verfassungsorgane (Bundestag, Bundeskanzler).

Verfolgen konnte man in der Viertelstunde der Patrioten vor allem eine überaus “staatstragende” Inszenierung der Parlamentsauflösung – mit dem verfahrenstechnisch unnötigen Format der “Fernsehansprache” wurden dabei die machtvollen Hebel der massenmedialen Öffentlichkeit bedient. Wichtigster Adressat war dabei ausnahmsweise einmal nicht die “werberelevante Zielgruppe”, sondern das (vorerst) zum Zuschauen verurteilte Bundesverfassungsgericht im fernen Karlsruhe.

Durch die Direktübertragung der Entscheidung wurde eine Art “demokratischer Kurzschluss” hergestellt – die drei beteiligten Verfassungsorgane wendeten sich koordiniert über die Fernsehöffentlichkeit an die Wählerschaft, offen verdeutlicht in Horst Köhlers Appell “Machen Sie von Ihrem Wahlrecht sorgsam Gebrauch”.

Mit Hilfe des medialen Verstärkers wurde somit ein “fait accompli” geschaffen, an dem das Bundesverfassungsgericht nur vorbei entscheiden kann, wenn es einen politischen Sommersturm auslösen will.

(Der Text ist auch erschienen bei wahlblog05.de)