Internet in Afrika: Oscar Kollers Projekt “Zivi-in-Ghana, 2002 mit dem pol-di-Award ausgezeichnet, ist ein Internetportal zur Völkerverständigung und ein Weblog der besonderen Art.

Internet in Afrika: Oscar Kollers Projekt “Zivi-in-Ghana, 2002 mit dem pol-di-Award ausgezeichnet, ist ein Internetportal zur Völkerverständigung und ein Weblog der besonderen Art.

Ein Jahr ist vergangen, der Zivildienst in Afrika beendet. Als Zivildienstleistender arbeitete Oscar Koller von September 2002 bis August 2003 in Ghana, Westafrika, an einer Gehörlosenschule. Seine Internetsite bietet Infos darüber, sowie monatliche Erfahrungsberichte. Der
poldi-Award, Deutschlands erste Auszeichnung für praktizierte eDemocracy, ging 2002 in der Kategorie “Demokratie & Bürgerengagement” an sein Projekt
Zivi-in-Ghana. “Mein Anliegen ist es die sehr persönlichen Eindrücke so vielen Europäern wie möglich zu vermitteln, wodurch die Völkerverständigung gefördert und somit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus verringert werden, aber auch einfach die Möglichkeit gegeben wird, Vorurteile abzubauen,” sagt Oscar Koller über sein Internetprojekt Zivi-in-Ghana.

“Die Unterschiede sind gewaltig und der Luxus, in dem wir leben erschreckend.”

Europa: Der Computer surrt im Zimmer nebenan. Die unbeschränkte Flatrate erzeugt das beruhigende Gefühl, unabhängig von Zeit und Datenmenge zu sein. Dann die Frage: Wann gehen wir heute ins Kino? Fünf Schritte, den Monitor anstellen, die Kinoadresse in den Browser tippen und abschicken: 19:30 Uhr! Oder aber Ghana: Du hast ein preisdotiertes Onlineprojekt zu managen und bist in Ghana, an der Wesküste Afrikas. Eine selten funktionsfähige Telefonleitung im Ort bringt dein akkuabhängiges Notebook nicht online. Du musst zweimal die Woche zum nächst größeren Ort kilometerweit fahren und bist abhängig vom Zustand des Transportmittels und dem Verkehr. Nach ca. 2 Stunden Fahrt bist du am Ziel und kannst, wenn nicht all zu viele dein Bedürfnis teilen, mit ISDN-Geschwindigkeit und gegen Bezahlung auf Zeit endlich arbeiten.

Aktuelle Studien zur Internetnutzung in Deutschland prognostizieren, dass 50 Prozent aller Deutschen Haushalte über einen Internetzugang verfügen werden. Für das Gold und Diamanten exportierende Ghana ist dies schiere Utopie. Von den 19,8 Millionen Einwohnern verfügen ca.
40,400 über einen Internetanschluss. Die technische Infrastruktur ist streckenweise schon sehr fortschrittlich: Glasfasernetze und Internet via Satellit. Sogar
Versuche mit WLAN soll es in der Hauptstadt Accra geben. Oscar Koller war, wie der Großteil der Bevölkerung, außer Reichweite solcher Experimente. Sein ehemaliger Arbeitsort, eine Gehörlosenschule, liegt 250 km nordwestlich von Accra in Jamasi und ist ohne Internetzugang. Die Schule besaß immerhin schon sechs Computer der Pentiumklasse, die durch Oscar untereinander vernetzt worden sind. Manche Schule in Deutschland ist davon noch entfernt.

Das Internetportal zum Projekt

Völkerverständigung bedeutet Vielfalt und Austausch.
Oscar Kollers Website ist Völkerverständigung. Sie vermittelt zweisprachig die Kultur und Arbeit vor Ort in Jamasi. In ausführlichen Berichten gewinnt der Leser einen Eindruck von Weihnachten, Familienhierarchien und Todesfällen in Ghanas Gesellschaft. Die umfangreiche Bildergalerie erzeugt Fernweh. Eine Projektbeschreibung und Hintergrundinformationen runden das Angebot ab. Für zeitabhängige Internetnutzer gibt es eine komplette Offline-Version der Website zum Herunterladen. Zweihundert Menschen abonnierten Oscars Newsletter aus Ghana. Gästebucheinträge werden knapp kommentiert und bei Wunsch kann engerer Kontakt unkompliziert per Mailformular hergestellt werden. Die Arbeit hat sich gelohnt. “Das Feedback war enorm, wenn ich etwas geschrieben habe, kamen immer drei, vier Mails zurück. Wahrscheinlich war dies auch der Grund dafür, warum ich das Projekt so intensiv betrieben habe.”

13.000 Zugriffe zählte die Startseite des Internetportals seit dem 25.Mai 2003. Darunter auch Zugriffe aus den Vereinigten Staaten, Israel und Großbritannien. Die Erstellung und Wartung der Website war ein stetiger Entwicklungsprozess im Sinne des Lesers, des Betreibers und der möglichen Nachfolger Oscars in Ghana. “Die Seite ist stetig gewachsen, anfangs habe ich Layout und Gerüst per HTML- Editor erstellt, später dann in Afrika die Inhalte per Datenbank und PHP ständig erweitert.” Das Wissen dazu hat er sich in Afrika per Selbststudium angeeignet. Zwei eBooks (auf dem Computer lesbare Bücher) und sein Notebook halfen dabei. Die Fotos auf der Website erstellte Oscar zusammen mit den gehörlosen Schülern. Sie fotografierten ihre Sicht der Dinge mir einer Digitalkamera und er half dann, diese nachzubearbeiten.

Dass das Internetportal zur Völkerverständigung nicht auf dem Datenfriedhof begraben wird, dafür hat Oscar Koller gesorgt: “Ich habe überlegt, wie das Projekt weiterlaufen kann. Dies kann nur geschehen, solange es noch Leute in Ghana gibt, die schreiben, was die Menschen hier interessiert.” Da aber nicht bei jedem Zivildienstbewerber auch Internetkenntnisse vorausgesetzt werden können, schrieb Oscar ein allgemeinverständliches Programm. Die Bedienung ist so stark vereinfacht, dass nur noch der Text eingegeben und abgespeichert werden muss. Die Internetseiten werden hieraus automatisch generiert.

Doch eines bleibt auch für Oscars Nachfolger Sten bei aller Automatisierung weiterhin erhalten: die zwei Stunden Fahrt zum nächsten Internetanschluss.