yDie Arbeitswelt ist im Wandel. Man spricht von einer neuen Generation von Menschen, die flexibel, mobil und selbstbestimmt arbeiten möchte. Die sogenannte „Generation Y“ gilt als innovativ und sinnsuchend, aber auch als verwöhnt und faul. Politik und Wirtschaft passen sich nur langsam diesen neuen Bedürfnissen an, um keine Wähler und Mitarbeiter zu verlieren. Und auch Arbeitnehmer nutzen die neuen Modelle nur zögerlich und arbeiten meist nicht weniger und effizienter – wie es der technologische Fortschritt verheißt – sondern sind überarbeitet bis hin zum Burnout.
“Wir sind jung und brauchen das Glück”, schreibt die Journalistin und Autorin Kerstin Bund auf “ZEIT Online“. In ihrem Buch “Glück schlägt Geld. Generation Y: Was wir wirklich wollen” beschreibt sie, wie Karriere heute neu definiert wird. Die Generation Y – Menschen, die nach der Generation X, also zwischen 1980 und 1995, geboren sind – schert sich nicht um traditionelle Statussymbole wie einen Kleinwagen, hohe Gehälter oder Boni. Sie ist vielmehr interessiert an Selbstbestimmung und Flexibilität. Immer mehr Menschen kündigen ihre Festanstellung, um in eigenen Projekten mit Gleichgesinnten zusammenzuarbeiten. Das gilt aber nicht nur für die 20-30-Jährigen, sondern auch für ältere Menschen, die zum Beispiel ein Jahr lang das Hamsterrad gegen ein Sabbatical tauschen oder eine Teilzeitbeschäftigung wählen, um mehr Zeit für die Familie oder Hobbies zu haben.
Überlegungen zur neuen Arbeitswelt gibt es schon länger. Im Jahr 2006 gaben Sascha Lobo und Holm Friebe ein Buch mit dem Titel “Wir nennen es Arbeit – Die digitale Bohème oder intelligentes Leben jenseits der Festanstellung” heraus. Ihr zentrales Argument ist, dass das Internet eine “Individualisierung 2.0” mit sich bringe. Durch die Mobilisierung des Arbeitsplatzes und neue Geschäftsmodelle gibt es immer mehr Selbstständige, die mithilfe von digitalen Technologien in selbstgewählten Strukturen arbeiten. Manch einer nutzt das Internet, um komplett ortsunabhängig sein Geld zu verdienen. Auf einer Konferenz im Berliner betahaus berichteten “Digitale Nomaden” einen ganzen Tag lang darüber, wie man am besten an weißen Sandstränden online über die Runden kommt.
Die neue Arbeitswelt findet jedoch zum großen Teil noch außerhalb der traditionellen Strukturen statt. Die meisten Unternehmen reagieren langsam auf den Umbruch und fühlen sich von den Veränderungen bedroht: „Für manche Personalchefs sind wir ein Albtraum: Sie halten uns für verwöhnt, selbstverliebt und größenwahnsinnig. Es heißt, wir seien schlecht darin, uns zu hinterfragen, aber groß darin, uns selbst zu überschätzen“, schreibt Bund in ihrem Artikel. Ob die Generation Y nun verantwortungsvoll und leistungsbereit oder fordernd und selbstgefällig ist – irgendwie muss auf diese Entwicklung reagiert werden.

Wirtschaft und Politik hinken hinterher

Die soziale Plattform für berufliche Vernetzung XING hat passend zur neuen Arbeitswelt ein Themen-Portal namens „Xing spielraum“ gestartet. Unter dem Motto „Besser leben. Anders arbeiten“ finden sich dort seit Anfang Mai Experten-Interviews, Best Practices und Tipps zur „Orientierung moderner Wissensarbeiter“. In einem Interview zum Thema „New Work“ sagt Ex-Telekom Vorstand Thomas Sattelberger auf „Xing spielraum“: „Ich glaube, dass durch den Wertewandel, der gekoppelt ist mit der Digitalisierung, immer mehr gesellschaftliche Teilbereiche auf Augenhöhe und damit demokratischer und teilhaberischer gestaltet werden.“ Sattelberger plädiert dafür, Begriffe wie „Personalkörper“ oder „Beschäftigte“ mit „Unternehmensbürger“ zu ersetzen. Damit zeige man, dass Menschen sich nicht nur passiv Arbeit nehmen, sondern ihr Kapital, ihre Fähigkeiten und Motivationen in ein Unternehmen investieren.
Flexible Arbeitsmodelle sind in vielen Unternehmen nicht mehr die Ausnahme. BMW zum Beispiel notiert Arbeitsstunden seiner Mitarbeiter außerhalb des Büros und lässt sie dafür an anderen Tagen früher nach Hause gehen. Laut Bundeswirtschaftsministerium bieten bereits vier von fünf Firmen in Deutschland flexible Arbeitszeitmodelle an. Diese gelten jedoch vor allem für Menschen mit Familie. „In vielen Unternehmen gelten noch immer starre Arbeitszeiten und Präsenzpflichten. Statt Vertrauensarbeitszeit herrscht das Diktat der Stempeluhr“, kritisiert Sattelberger im Interview. Er beschreibt deutsche Konzerne als „erfolgsverwöhnte Ozeandampfer“, die herumschlingern und „nicht antwortfähig auf den disruptiven Wandel sind“. Wenn Unternehmen nicht umdenken, bekommen sie eventuell ein Personalproblem. Und auch das Innovationspotenzial kann leiden, wenn kritisch Hinterfragende aussortiert und angepasste Arbeitsbienen befördert werden. Dabei hat eine größere Souveränität der Mitarbeiter viele Vorteile. Studien haben ergeben, dass mehr Autonomie und Vertrauen Beschäftigte kreativer, produktiver und seltener krank anstatt faul macht.
Wenn Unternehmen sich mit den Veränderungen noch schwer tun, wie reagiert dann die Politik? Obwohl einiges getan wird, vor allem im Bereich Vereinbarkeit von Beruf und Familie (wie zum Beispiel die Einführung des Elterngelds im Jahr 2007) , so gilt die Generation Y insgesamt als unpolitisch und hat keine eigene Lobby. Die heute 20- bis 30-Jährigen lassen sich politisch schwer einordnen und protestieren lieber im Internet als in den Institutionen. Wenn es eine Revolution der Arbeitswelt gibt, so ist sie still, schleichend und institutionell schlecht vertreten.

Wie weit ist es mit der neuen Arbeit?

Gleitzeit, Homeoffice, Elternzeit, Sabbatical,Teilzeit – alles beliebte und berechtigte Forderungen im modernen Arbeitsmarkt. Doch selbst wenn Unternehmen diese Optionen anbieten, werden sie oft nicht in Anspruch genommen.
Häufig sind diese Konzepte noch nicht voll akzeptiert oder ausgereift. Homeoffice zum Beispiel erzeugt oft noch ein Gefühl des Kontrollverlusts beim Arbeitgeber – und die Angst der Heimarbeiter,von spontanen Besprechungen ausgeschlossen zu werden. Das Statistische Bundesamt stellte Anfang des Jahres fest, dass heute weniger Menschen von zuhause arbeiten als noch Mitte der Neunzigerjahre. Von Teilzeitbeschäftigten wird oft mehr erwartet als vereinbart und sie sitzen am Ende doch den ganzen Tag im Büro und machen einen schlecht bezahlten Vollzeitjob.
Man darf auch nicht vergessen, dass nur ein kleiner Teil unserer Gesellschaft als Generation Y bezeichnet werden kann. Vielen fehlt es an Mut oder finanziellen Mitteln, um Neues auszuprobieren oder sich selbstständig zu machen. Um das neue Arbeitsmodell auszuweiten, müssen Unternehmen den Wunsch nach mehr Freiräumen und Selbstbestimmung institutionell umsetzen und Arbeitnehmer sich trauen, die neuen Möglichkeiten zu nutzen, um eine breitere Akzeptanz herzustellen. Die Flucht in die (oft prekäre) Selbstständigkeit durch mangelnde Alternativen des Arbeitgebers kann zur Seltenheit werden, wenn beide Seiten die neue Art zu arbeiten zur Normalität werden lassen.
Bild: Pixabay/Hans (CC0 1.0)
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