Unabhängig vom Ausgang der
Präsidentschaftswahlen gibt es keinen Zweifel, dass man den drei
Debatten zwischen den Kandidaten Al
Gore und George W. Bush entscheidende Bedeutung für den Ausgang
beimessen wird. Gewinnt Gore, lag es an seinem sicheren
Auftreten und der Kompetenz. Gewinnt Bush, werden die Analysten sagen,
genau das war nicht ausschlaggebend, sondern hat Gore eher
geschadet.

Das amerikanische Wahlvolk hat
immer Sympathien für Außenseiter gezeigt. Oder galten etwa Bill
Clinton, Ronald Reagan
und Jimmy Carter bei Amtsantritt als große Außenpolitiker? Die drei
Debatten haben inhaltlich keine wirklich neuen Erkenntnisse
gebracht. Al Gores Aufholjagd in den Umfragen wurde gestoppt, denn bei
George W. Bush kam es nicht zu dem möglichen oder gar
erwarteten Einbruch in der Wählergunst. Don Hewitt, der Macher des
bedeutenden TV-Magazins "60 Minutes" bringt seine Eindrücke der
debates in der New York Times
auf den Punkt: "Es gab keine herausragenden Momente in den debates. Wir
wussten vorher, dass Bush nicht der intelligenteste ist.
Wir wussten allerdings auch nicht, daß Al Gore wirklich so langweilig
ist."

Interessanter als die Debates
selbst waren die Diskussion um den Ablauf und vor allem um die Frage,
wer an den publikumswirksamen
Veranstaltung teilnehmen darf. Vor allem die Kandidaten Ralph Nader von
der Green Party und Pat Buchanan von der Reform Party
versuchten ihre Chance auf eine Teilnahme zu nutzen. Die gesamte
Organisation der debates
liegt jedoch in der Hand der beiden großen Parteien der Demokraten und
der Republikaner und somit verwunderte es nicht, dass man lieber
unter sich bleiben wollte.

Besonders Gore droht Gefahr von
Nader, der große Sympathien bei Amerikas Intellektuellen genießt und
der immer wieder darauf verweist,
dass Al Gore besonders bei der Klimapolitik nicht das umgesetzt habe,
was er jahrelang stets wieder gefordert hat. Jesse Jackson,
sozusagen schwarzes Aushängeschild der Demokraten setzte sich ebenfalls
vergeblich für Ralph Naders Teilnahme an den debates ein.
Pat Buchanan von der Reform Party hingegen nimmt kaum jemand ernst.
Fast vergessen sind die Erfolge von Ross Perot, dem
Gründer der Reform Party. Perot konnte sich im Gegensatz zu Nader und
Buchanan Medienpräsenz erkaufen und der entsprechende
Erfolg stellte sich zumindest bei den Wahlen 1992 ein.

Republikaner und Demokraten
wehren sich mit aller Macht gegen die sogenannten "Third-Parties", denn
spätestens seit dem
TV-Duell zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon weiß man, wie
entscheidend die debates sein können. In einer Zeit in der selbst
der Farbe der Krawatte des Kandidaten entscheidende Bedeutung
beigemessen wird und absolut nichts dem Zufall überlassen wird,
fürchtet man die schwer zu kalkulierbaren Risiken, die von den beiden
Außenseitern Nader und Buchanan ausgehen. Einen Fehltritt kann
sich im Wettlauf um das Weiße Haus keiner leisten, alles will geplant
sein.

1960 soll die Kleinigkeit von
Nixons schlechter Rasur den
Ausschlag für Kennedy gegeben haben, doch Christopher Matthews
beschreibt in seinem Buch "Kennedy and Nixon – The rivalry that
shaped postwar America", dass dies nur teilweise zutrifft. Kennedy und
Nixon pflegten zu Beginn ihrer politischen Laufbahn im Kongress
ein fast freundschaftliches Verhältnis. Was man sich im Hinblick auf
Nixon späteres Verhalten im Zusammenhang mit Watergate kaum
vorstellen kann ist, dass Nixon Kennedy vollkommen unvorbereitet und
naiv gegenübertrat. Ausgerechnet Nixon und seine Berater
übersahen nicht nur die schlechte Rasur, man schätzte die Situation
falsch ein und agierte vollkommen defensiv auf Kennedys verbale
Attacken. Kennedy nutzte seine Chance und gewann.

In der Bundesrepublik weitgehend
unbeachtet geblieben ist, dass die politischen Debatten zwischen
Kandidaten in den USA eine sehr
lange Tradition
haben, die schon vor 1960 begann und das – aus heutiger Sicht –
überraschenderweise ohne jegliche Präsenz von Kameras. Im
Rennen um den Senatssitz von Illinois kam es 1858 zu jeweils sieben
Debatten zwischen den beiden Kandidaten Stephen A. Douglas und
Abraham Lincoln, die teilweise mehr als 15000 Zuschauer anlockten. Im
ganzen Land verfolgte man die Auseinandersetzung der beiden.
Die Lincoln-Douglas debates gehören heute noch zum Grundstoff für Studenten amerikanischer Geschichte und sind Beispiel dafür, dass
ein Wahlkampf durchaus Substanz haben kann.

Vor zwei Jahren hat allerdings
Jesse Ventura bewiesen, dass auch in den USA Wahlen gegen die beiden
großen Parteien gewonnen
werden können. Völlig überraschend gewann der ehemalige Ringkämpfer die
Wahlen zum Governeur von Minnesota und seitdem gibt es
immer wieder Spekulationen um seine mögliche
Präsidentschaftskandidatur. Zunächst spotteten die Medien weitgehend
über Ventura,
doch heute kann ihn niemand mehr übergehen. Inzwischen ist er auch gern
gesehener Gast in den so wichtigen politischen Talk-Shows. Ganz
unpolitisch sehen übrigens die Einwohner Minnesotas ihren Governeur: so
kamen sehr schnell
Autoaufkleber in Umlauf, die schnell klarmachten, wer denn nun der
stärkere ist: "My Governeur can beat up your Governeur!" Selbst die
"Zeit" entdeckte Ventura, der bei uns bisher als eine bessere Witzfigur
angesehen wurde. Die "Zeit" betitelte ihn als
" Pop Politiker Nr. 1"(Zeit 42/200).

Unbestritten ist, dass Ventura
als ehemaliger Talkshowmoderator mit den Medien umgehen kann, doch das
allein
macht auch heute noch keinen erfolgreichen Politiker aus. Immerhin
bescheinigt man ihm auch fast einhellig eine erfolgreiche Amtsführung.
Sicher überraschend gab Ventura jetzt seine Unterstützung für Ralph Nader bekannt. und unterstrich damit erneut
seine Unabhängigkeit. Das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur 2004 hat also praktisch schon begonnen.

Warum soll Ventura
eigentlich kein geeigneter Präsident sein können ? Hat man schon
vergessen, das auch Joschka Fischer keine studierter
Außenpolitiker ist? Wenn wir ehrlich sind, wird niemand ernsthaft
behaupten, Außenminister Fischer betreibe eine unsachgemäße
Amtsführung. Warum verweist man in den USA und in der Bundesrepublik
immer wieder auf George W. Bush mangelnde außenpolitische
Erfahrung? Condolezza Rice, ehemalige sicherheitspolitische Beraterin
von Präsident Bush und heute im Wahlkampfteam von Bush junior
wird von der "Welt" folgendermaßen zitiert: "Für Spitzenpositionen, in
der Regierung wie in der Privatwirtschaft, ist Urteilskraft wichtiger
als
Detailkenntnis." (Die Welt vom 20.10)

Gerade in der Außenpolitik kommt
die Detailkenntnis meist sowieso von Beratern, für die Urteilskraft ist
dann der Minister zuständig. Machen wir uns also nichts vor, beide
Kandidaten brauchen ihre Berater, ob sie nun Bush oder Gore heißen. Es
ist
allein die Wahl des amerikanischen Volkes. Uns bleibt es vorbehalten,
uns zu wundern oder uns zu ärgern.