Der webbasierte World Wide Wahlkampf geht 2004 in eine neue Runde. Seit Anfang der 90er Jahre wird das Internet im US-Wahlkampf eingesetzt, aber erst im 1998er Gouverneurswahlkampf von Jesse Ventura und in den 2000er Vorwahlkampagnen von John McCain und Bill Bradley nutzte man das gesamte strategische Anwendungspotential.

2004 positioniert die Präsidentschaftskampagne um Howard Dean unter dem Motto „The revolution will not be televised“- das Internet endgültig unter den Standardelementen einer modernen Kampagne. Ob „Post-Broadcast Era“, „Guerilla- Wahlkampf“ oder einfach nur „Revolution“, an Begriffen über die Internettrends im amerikanischen Wahlkampf 2004 mangelt es nicht. Die Vorteile von Online-Kommunikation sind offensichtlich: Sie ist preiswert, schnell, ungefiltert. Durch eine Verknüpfung von Text, Audio und Video sowie der mögliche interaktive Ansatz machen es zu einem attraktiven und wirkungsvollem Instrument. In einem Medium, dass auf dem Konzept des „infinite channel surfing“ fußt, besteht die Herausforderung für politische Wahlkämpfer in der Gestaltung eines Angebotes mit hoher Praktikabilität und Anziehungskraft. Die Web Sites der Präsidentschaftskandidaten haben sich zu Politportalen entwickelt und sind voll in die Medienstrategie der Wahlkämpfe integriert. Innerhalb der amerikanischen Kampagnen herrscht ein eindeutiges Bekenntnis zum Internet als Forum für Information, Mobilisierung und Koordination von Sympathisanten, direktem politischen Dialog und erfolgreicher Spendengewinnung. Es findet eine enge Vernetzung von Online- und Offline-Angeboten statt, bei der es zu einer Fusion von „high-tech“ (Internet) und „high-touch“ (persönlicher Kontakt) kommt. Die Online- Kampagnen erreichen hohe Interaktivität und Beteiligung und lösen starre Informationsplattformen ab. Die Durchdringung des Wahlkampfes mit Online-Campaigning-Elementen führt zu einer extremen Beschleunigung der politischen Kommunikation und des Wahlkampfprozesses. Während im Fernsehzeitalter für jeden Tag möglichst eine Botschaft in den Medien versucht wurde zu platzieren, werden durch das Online-Campaigning fast stündlich Themen vorgegeben und beworben. Zugleich erweist es sich als Herausforderung, in einer auf zentrale Kommunikation angelegten Wahlkampfkampagne, dass dezentrale Medium Internet weiter nutzbar zu machen. Während das Fernsehen die Kommunikation zentralisiert habe, schaffe das Internet die Voraussetzung für Einflussnahme von unten, so der Wahlkampfmanager von Howard Dean, Joe Trippi. In den Worten des früheren Clinton- Wahlkämpfers Dick Morris: „[…] era of TV-dominated politics is coming to a close after 30 years. […], the 30-second ad and the seven-second soundbite are losing their power to control the political dialogue. Taking their place is grassroots organizing, made possible by the Internet […]”. Es bleibt fraglich, ob das „Einweg Push- Medium“ Fernsehen durch das „Pull-Medium“ Internet jemals vollständig ersetzt werden kann. Weiterhin müssen Online-Kampagnen massiv offline beworben werden. Dafür sind nach wie vor die traditionellen Werbemittel und Medien entscheidend. Dennoch setzt das Internet im Wahljahr 2004 seinen Siegeszug als Medium für direkte politische Kommunikation weiter fort.

Das Internet entwickelt sich immer stärker zu einem universalen Wahlkampftool. Es vereint Wahlkampfkommunikation und -organisation. Weiterhin gilt jedoch, dass traditionelle Massen-Werbemittel kann es noch längst nicht ersetzen. Dennoch eignet es sich hervorragend für die Zielgruppenansprache und für spezifische Aufgaben.

Im Bemühen das Internet für eine 24- Stunden-Berichterstattung über den Kandidaten und seine Kampagne zu nutzen, der Zwang, die Homepage täglich zu aktualisieren, Online-Anfragen binnen 24 Stunden zu beantworten und Sympathisanten-, Freiwilligen- oder fundraising- Datenbanken permanent zu pflegen, kommt es auch auf einen großen Personal- und Ressourcenaufwand. Vorbei sind die Zeiten, wo ein Informatikstudent eine bilderreiche Homepage programmierte. Heute sind 5-15 Vollzeitkräfte und ebenso viele Freiwillige damit beschäftigt, Online und Offline sinnvoll miteinander zu vernetzen. Zu einer erfolgreichen Online-Strategie zählen amerikanische Online-Consultants unterschiedliche Komponenten. E-Mail, Homepage, Blog und (in)offizielle Nebenseiten ergeben ein gemeinsames kommunikatives Bild. Ihr Erfolg basiert auf schneller Kommunikation, d.h. eine Internetseite muss sich sehr schnell aufbauen, der Inhalt sollte sich mehrfach täglich erneuern, oder eine E-Mailanfrage muss umgehend beantwortet werden. Die Online-Nutzer sollten nicht das Gefühl bekommen, die Informationen entstammten der letzten Besprechung der „Spin Doctors“. Vielmehr gilt es in der Ansprache, personalisiert, dialogisch und interaktiv zu bleiben.

Wer im weltweiten Netz der Information bei dem Kampf um Stimmen, Stimmungen und Unterstützer die Nase vorn haben will, der sollte drei übergeordnete strategische Ziele verfolgen.

  • Sign-Up! – Erfasse die Daten Deiner Nutzer genau und bediene Dich der Informationen.
  • Give money! – Versuche durch Deine Nutzer zum Geldgeben zu animieren und probiere es immer wieder.
  • Take action! – Rege Deine Nutzer immer wieder zu konkreten Aktionen an und gib Ihnen spezifische Handlungsanweisung, was sie on- und offline für die Kampagne tun können.

Das Internet revolutioniert nicht den Wahlkampf, aber es revolutioniert die Möglichkeiten Wahlkampf effektiver und zielgruppenspezifischer zu organisieren und zu kommunizieren.


Mario Voigt war Wahlkampfbeobachter der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er arbeitet am Zentrum für Politische Kommunikation Jena und schreibt seine Doktorarbeit ueber den Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Voigt ist Mitbegründer von www.poli-c.de .