In der ersten Ausgabe des politik-digital:live Talks ging es um die verschiedenen Facetten des Homeschoolings. Dazu haben wir mit Akteur_Innen darüber gesprochen, welche Erfahrungen sie mit dem Lehren und Lernen zu Hause gemacht haben. Die wichtigsten Erkenntnisse fassen wir hier für Sie zusammen.

In dem Talk “Risikobewertung Corona-App(s)” möchten wir daher konkrete Anwendungsszenarien diskutieren und uns auch politischen und sozialen Fragen widmen.

Wir freuen uns sehr Saskia Esken (Vorsitzende der SPD), Jürgen “tante” Geuter (Autor und Informatiker) und Prof. Dr. Dirk Heckmann (Direktor am bidt, Lehrstuhl für Recht und Sicherheit der Digitalisierung an der TU München) als Gäste begrüßen zu dürfen.

1. Die abrupte Umstellung auf digitalen Lehrbetrieb hat erstaunlich gut funktioniert.

Unsere Gäste teilten die Erfahrung, dass die erste Anpassung an die Ausnahmesituation insgesamt relativ reibungslos verlief. „Logischerweise gab es in den ersten Tagen ein paar Komplikationen, insgesamt liefen die drei Wochen aber nach einem relativ gleichen Schema ab. Wir haben Aufgaben bekommen, es gab Abgabefristen und immer wieder neuen Input“, erzählt die 18-jährige Schülerin Lilly Teßmer aus Gießen. Auch Christian Dimter, Lehrer an der Justus-Liebig-Schule in Darmstadt, zieht ein positives Fazit: „Die Schulleitung hat so gut reagiert, wie es eben ging und uns Lehrer*innen zur ständigen Kommunikation untereinander angehalten.“

2. Eine digitale Lernkultur muss etabliert werden.

Zu oft digitalisieren Schulen nur bestehende Lernstrukturen, anstatt die neuen Möglichkeiten dafür zu nutzen, zeitgemäße, kreativere Lernformen zu entwickeln und zu fördern. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt dafür. Für Dejan Mihajlovic, Lehrer an der Pestalozzi Realschule in Freiburg und Vorstandsmitglied von D64-Zentrum für digitalen Fortschritt, ist klar: „Wenn Menschen vorher in der Kultur der Digitalität nicht unterwegs waren, versuchen sie zunächst mal das, was sie kennen, digital abzubilden.“ Weiter führt er aus: „Was jetzt wieder deutlich wird ist, dass kleinteilige Aufgaben und synchrone Lernprozesse wenig Sinn machen.“ Zudem „kann Digitalisierung ein selbstständiges, projektorientiertes und fächerübergreifendes Lernen erleichtern, als das, was wir unter dem Begriff ‚zeitgemäße Bildung‘ fassen“, merkt Marina Weisband, Publizistin und Projektleiterin von aula, an.

3. Schüler*innen müssen in der aktuellen Situation auch sozialpädagogisch betreut werden.

In der gesellschaftlichen Extremsituation, in der wir uns gerade befinden, ist der Austausch zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen über Ängste und Sorgen genauso wichtig, wie die Vermittlung von Bildung. Dazu braucht es viel mehr Sozialpädagog*innen an Schulen, die diese Aufgabe übernehmen und Lehrer*innen entlasten können. „Dann muss der Erstkontakt per Telefon stattfinden, was schwierig ist. Ich habe mit Lehrer*innen gesprochen, die sagen, ich würde eigentlich gerne jedes Kind einmal am Tag anrufen, um zu fragen: Wie geht’s dir? Was passiert bei dir? Was ist bei dir Zuhause?“, sagt Marina Weisband.

4. Um Bildungsgerechtigkeit herstellen zu können, müssen vergleichbare Bedingungen geschaffen werden.

Digitalisierung ist ein Verstärker gegebener Tendenzen. Das zählt auch für den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Damit alle Schüler*innen die geforderten neuen Lernformen umsetzen können, müssen vergleichbare Bedingungen für Schüler*innen geschaffen werden. Doch diese sind teilweise sehr unterschiedlich. „In meinem Umfeld habe ich dieses Problem nicht so stark wahrgenommen, aber in den unteren Jahrgangsstufen gab es schon Probleme, weil zu wenige oder gar keine Computer vorhanden waren“, bestätigt Lilly Teßmer. Für Christian Dimter steht fest: „Der Ausgangspunkt jeglichen Lehrens sollte es sein, die verschiedenen Lernmöglichkeiten der Schüler*innen zu berücksichtigen.“ Allerdings müsse auch klar sein, dass Lehrer*innen Chancengleichheit nicht alleine schaffen können. „Diese strukturellen Fragen müssen politisch gelöst werden“, so Dejan Mihajlovic.

5. Datenschutz ist wichtig. Digitaler Unterricht muss aber vor allem eines: funktionieren.

Datenschutz ist enorm wichtig. Die Teilnehmer*innen waren sich jedoch einig, dass kurzfristig dafür gesorgt werden muss, dass digitale Bildung vorrangig funktioniert, auch dann, wenn es mit Hilfe von Tools ist, die datenschutzrechtlich nicht vollständig überzeugen. Darüber hinaus stellt Dejan Mihajlovic fest, dass, wenn es um Datenschutz geht, der Mensch immer die „Schwachstelle“ ist. Diesen müsse man dazu befähigen, selbst einschätzen zu können, was er oder sie mit welchen Konsequenzen benutzen möchte. Mittelfristig müssen Lösungen gefunden werden, die Datenschutz und Funktionalität vereinen. „Das geht und ist machbar. Ich glaube daran“, so Marina Weisband.

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