Das Internetmagazin Konr@d wählte Karin Maria Schertler, 31, 1998 zu einer der 25 wichtigsten deutschen "Cyberfrauen"-
und das mit gutem Grund: 1997 baute Schertler eine Dependance des internationalen Netzwerkes "webgrrls" in Deutschland auf,
nachdem sie in New York zufällig die Webgrrls und deren Gründerin Aliza Sherman kennengelernt hatte.

Karin Maria Schertler

Karin Maria Schertler

Begeistert von den Möglichkeiten
eines solchen Netzwerkes beschloss sie zurück in Deutschland, dass es
auch hier für Frauen die Gelegenheit geben sollte, auf unkomplizierte
Art und Weise Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen. Also
gründete sie im August 1997 die deutschen Webgrrls, "ohne zu wissen,
worauf ich mich damit einließ", wie sie heute sagt. Denn 1999, nach nur
zwei Jahren, gibt es in Deutschland bereits über 4000 Webgrrls, die
sich neben dem virtuellen Kontakt über Mailinglisten mittlerweile in
sechs regionalen Gruppen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg,
München und Stuttgart auch real treffen.
Und auch für die Zukunft der Webgrrls hat Karin Maria Schertler noch
viele Pläne: ein Verein sollen sie werden, damit das Netzwerk Webgrrls
Deutschland e.V. sich mit anderen wichtigen Frauen- und
Branchennetzwerken zur schnelleren Verfolgung gemeinsamer Interessen
zusammenschließen kann.
Die Quereinsteigerin, die Europäische Betriebswirtschaft studierte und
vom klassischen Verlagsgeschäft schließlich zu den Neuen Medien
wechselte, ist heute Mitglied der Geschäftsleitung bei der Münchener
Werbeagentur "die argonauten" und leitet dort die interactive unit II.


politik-digital:
Frau Schertler, was genau sind die webgrrls und was hat sie
dazu bewogen, ein deutsches Pendant zu dem amerikanischen
Modell aufzubauen?

Schertler: Webgrrls Deutschland ist ein Netzwerk für Frauen, die im Bereich
"new media" tätig sind. Aufgabe und Ziel ist es, diese Frauen zu
vernetzen, um zum einen ihre berufliche Weiterentwicklung und zum
anderen ihre Präsenz und ihren Einfluß innerhalb der Branche zu
fördern. Dieses Forum für Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch,
Jobvermittlung, Weiterbildung und Networking wird getragen
vom Gedanken des "Gebens und Nehmens".

Als ich 1995/1996 in New York bei Newsday Electronic Publishing tätig war, lernte ich
per Zufall die New Yorker Webgrrls – sozusagen die Keimzelle des inzwischen internationalen
Netzwerkes – und deren Gründerin Aliza Sherman kennen.
Die Selbstverständlichkeit, mit der Jobs angeboten und nachgefragt wurden,
mit der Tips und Tricks rund um das Thema "Internet" ausgetauscht wurden, und
der Enthusiasmus der so diversen Teilnehmerinnen diese neue Branche aktiv mitzugestalten,
begeisterten mich derart, daß ich spontan Mitglied bei den New Yorker Webgrrls wurde.

Zurück in Deutschland vermißte ich diese unkomplizierte Art des Kontakteknüpfens auf
beruflicher Ebene und des Erfahrungsaustausches unter Gleichgesinnten. Schließlich bewegte
sich frau damals noch mehr als heute in einer überwiegend männlich geprägten Arbeitswelt.
Was lag also näher, als das internationale Netzwerk der Webgrrls um eine weitere Dependance
zu erweitern?
So kam es, daß ich im August 1997 mit Webgrrls Deutschland begann –
ohne zu wissen, worauf ich mich letztendlich einlasse…

 


politik-digital:
Welche Hilfe bieten die webgrrls Frauen, die beruflich
mit dem
Internet zu tun haben oder auch jungen Frauen, die sich dafür
interessieren?

Schertler: Virtueller Erfahrungsaustausch via 4 Mailinglisten: Job, Business,
Webentwicklung und Privat. Ferner gibt es inzwischen 6 Regionalgruppen
(Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart, München) die ein
sehr umfangreiches Programm anbieten: von Stammtischen bis hin zu
Workshops und Vorträgen (Webdesign, HTML-Programmierung, Existenz-
Gründung, Online-Recht, etc.). Für junge Frauen in der Berufsfindungsphase
werden Orientierungsveranstaltungen angeboten.


politik-digital:
Gibt es Bemühungen seitens der webgrrls, diejenigen Frauen und
Mädchen zu erreichen, bei denen noch Hemmungen gegenüber diesem Medium
vorhanden sind, und wie sehen diese Bemühungen aus?

Schertler: Mit der Möglichkeit, sich über die Webgrrls-Mailinglisten virtuell
auszutauschen,
sind unsere Mitgliedsfrauen räumlich und zeitlich ungebunden. Gerade
für Frauen in ländlichen Regionen oder für Frauen, die zeitweise im Ausland
tätig sind oder ein Austauschsemester absolvieren, stellt dies somit eine ideale
Form der Vernetzung dar: unkompliziert und effizient. Eine Voraussetzung um
Webgrrl zu werden ist allerdings die Nutzung eines Email-Accounts. Für Frauen,
die noch Hemmungen gegenüber dem Internet haben, oder für junge Frauen in
der Berufsfindungsphase bieten die Webgrrls jedoch regelmäßig Informations-
Veranstaltungen an. Und natürlich leisten viele unserer Mitgliedsfrauen
tatkräftige Überzeugungsarbeit in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis.


politik-digital:
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Frauen und Mädchen trotz
steigender User-Zahlen immer noch eine unterrepräsentierte Gruppe in den
neuen Medien sind? Gibt es irgendwelche speziellen Hindernisse, die
gerade Frauen und Mädchen auf dem Weg ins Internet zu überwinden haben?

Schertler: Frauen setzen sich mit dem Medium Internet anders auseinander als Männer.
Um es auf einen Punkt zu bringen: "for men it’s a toy, for women it’s a tool".
Zugegebenermaßen waren viele Internetanwendungen in den frühen Jahren des
World Wide Webs nicht sehr nutzenorientiert und erst in den letzten ein, zwei
Jahren haben wir einen verstärkte Entwicklung von Mehrwert-orientierten
Anwendungen (e-commerce, e-banking, e-auktionen u.s.w.) gesehen. Hinzu kommt,
daß viele Frauen die Chancen, die Ihnen das Internet bieten um den Alltag leichter
zu gestalten, oft nicht für sich erkennen. Für sie steht primär der Computer
und all der technische Kauderwelsch im Vordergrund. Daß der Computer
letztendlich aber nur das Tool ist im Internet von A nach B zu kommen , sehen
sie oft nicht. So wie man nicht wissen muß wie ein Auto bis ins letzte Detail funktioniert,
um von A nach B zu kommen, braucht man auch nicht zu wissen, wie ein Computer
funktioniert, um surfen zu können. Die Frauen aber, die sich mit den Chancen des
Internets auseinandersetzen, sind oftmals restlos begeistert. In Aliza Shermans Buch
Cybergrrl – der Internetguide für Frauen (Signum Verlag) finden sich ein Vielzahl
von weiblichen Biographien, die diese Tatsache sehr schön unterstreicht.


politik-digital:
Wie wird sich ihrer Meinung nach die Situation für Frauen in der
Informationsgesellschaft in den nächsten Jahren ändern?
Denken Sie, dass zur Verbesserung der Situation der Frauen in diesem
Bereich auch Impulse aus der Politik nötig sind und wenn ja, wie könnten
diese aussehen?

Schertler: Wie ein Blick über den großen Teich zeigt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis
die Internetnutzerschaft zu gleichen Teilen männlich und weiblich ist. Sinkende
Telekommunikationskosten, nutzenorientierte Internetapplikationen für die
Zielgruppe "Frauen" und Aktionen wie "Frauen ans Netz" initiiert von der
Telekom, der Frauenzeitschrift Brigitte und der Intitiative "Frauen geben
Technik neue Impulse" unterstützen den ohnehin nicht zu bremsenden
Trend zu einer verstärkt weiblichen Nutzerschaft.
Weniger optimistisch ist mein Ausblick jedoch, wenn es darum geht, die Berufswahl junger
Frauen zu beurteilen. Leider stehen immer noch die klassischen – und
schlecht bezahlten – Frauenberufe auf der Beliebtheitskala weit oben. Daß aber
im Bereich der Neuen Medien die Sterne so leicht zu greifen sind, übersehen viele.
Hier fehlt es meiner Meinung nach an gezielter Förderung von Mädchen im
Hinblick auf die neuen Medien sowie an weiblichen Vorbildern in der Gesellschaft.
Hier ist die Politik gefordert – aber auch Netzwerk wie Webgrrls Deutschland leisten
hierzu einen wichtigen Beitrag indem sie junge Frauen für die Neuen Medien
begeistern und ihnen als berufliche Vorbilder dienen.


politik-digital:
Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jana Schröder.