Chat mit Joachim
Jacob, Bundesbeauftragter für den Datenschutz


Joachim Jacob

Moderator:
Sehr geehrter Herr Jacob, liebe Chatter: Herzlich willkommen im Chat
von politik-digital und Staat-Modern! Unser heutiges Thema sind die
Möglichkeiten des Datenschutzes in Zeiten des verstärkten digitalen
Datenverkehrs. Herr Jacob, Sie sind der Datenschutzbeautragte der
Bundesregierung, vielleicht können Sie zunächst kurz skizzieren, was
genau ihr Aufgabenfeld ist!

Joachim Jacob:
Beratung von Regierung und Parlament in Fragen des Schutzes des
Persönlichkeitsrechtes der Bürger, Beratung und Kontrolle der
Bundesbehörden sowie der Anbieter von Telekommunikationsdiensten, von
Postbank und Postdiensten hinsichtlich des Umgangs mit
personenbezogenen Daten und das sind Daten von lebenden Personen.

luna: Warum brauchen wir einen Datenschutzbeauftragten??

Joachim Jacob:
Als unabhängige Institution stelle ich sicher, dass die genannten
Stellen mit den Daten der Bürger richtig umgehen und der Gesetzgeber
die Rechte der Bürger in seinen Vorhaben ausreichend berücksichtigt.

Moderator: Verständlicherweise gibt es hier einige Frage zum Datenschutz nach dem 11. September:

Jo:
Wird – nach den Terroranschlägen in den USA allzu verständlich – die
Diskussion um staatliche Kontrolle auch bei uns überzogen ?

Joachim Jacob:
Klar ist, dass der Staat eine wirksame Bekämpfung des internationalen
Terrorismus vornehmen muss. Auf der anderen Seite müssen die
Freiheitsrechte der Bürger, die ein Verfassungsrecht sind, ausreichend
berücksichtigt werden. Von hier aus ist es zu weitgehend, wenn
beispielsweise in dem ersten Diskussionsentwurf des Innenministers für
den Verfassungsschutz umfassende Auskunftsrechte etwa gegenüber den
Providern und den TK-Anbietern eingeräumt werden und darüberhinaus die
Betroffenen von der ganzen Aktion nichts erfahren.

Moderator: Bleiben wir doch gleich beim Innenminister:

Horch: Was für Folgen hat Schilys Anti-Terrorpaket für die Zukunft des Datenschutzes?

Joachim Jacob:
Damit der Datenschutz auch in Zukunft seinen hohen Stellenwert behält,
muss aus meiner Sicht auf jeden Fall sichergestellt werden, dass
zusätzliche Eingriffe des Staates in die Persönlichkeitsrechte der
Bürger zeitlich auf etwa 3 bis 5 Jahre befristet sind und einer
Erfolgskontrolle unterzogen werden, damit das Parlament sich
nachfolgend ein Bild machen kann, wie es künftig entscheiden muss.

Moderator: Und Schilys Paket? Was halten Sie von dem?

Joachim Jacob:
Das Paket geht insgesamt etwas zu weit und muss an verschiedenen
Punkten korrigiert werden. Ich bin hoffnungsfroh, dass das gelingt.

Du-Ne: Warum soll ein Fingerabdruck im Personalausweis denn gegen den Datenschutz verstossen?

Joachim Jacob:
Der Fingerabdruck als vernünftiges Identifizierungsmerkmal ist
datenschutzrechtlich schon vertretbar, ich möchte aber keine zentrale
Fingerabdrucksammlung.

vic: In welchen Punkten geht Ihnen Schilys Paket zu weit?

Joachim Jacob:
Zum Beispiel, indem dass das Bundeskriminalamt möglicherweise die
Befugnis erhält zu ermitteln, ohne dass ein Anfangsverdacht gegeben
ist. Oder dass das Bundesamt für Verfassungsschutz umfassende
Auskunftsrechte bei Banken erhält.

Moderator: Eine praktische Frage:

vic: Welche Möglichkeiten gibt es, das 2. Antiterrorpaket zu verhindern? Den Gang vors Verfassungsgericht?

Joachim Jacob: Es gibt keine Möglichkeit, eine gesetzgeberische Initiative zu verhindern, es sei denn, das Parlament lehnt die Initiative ab.

Moderator: Stimmen Sie der folgenden Aussage zu?

vic: Mit Fingerabdrücken in Pässen hätte man keinen der Terroristen von New York gefasst!!!

Joachim Jacob: Hiervon kann man wohl ausgehen 😉

Moderator: Mal andersherum:

luna: Was kann man, was sollte man tun, um das Netz sicher zu machen?

Joachim Jacob:
Hier sind vor allem auch die TK-Nutzer mit gefragt, indem sie möglichst
Verschlüsselungsverfahren nutzen und nur identifierzierbare Provider
benutzen.

Gerhard:
Datenschutz war ja noch nie Verbrechen (Verbrechensschutz), obwohl es
manche Politiker so hinstellen. Jetzt kommt wieder Sicherheit für
Freiheit. Rasterfandung, wie weit wollen die Politiker gehen?
Hinterlegung der Schlüssel von E-Mails?

Joachim Jacob:
Die Hinterlegung von Verschlüsselungssystemen für E-Mails ist
gegenwärtig nicht in der Diskussion. Dabei spielt sicherlich auch eine
Rolle, dass es Übertragungsverfahren gibt, bei denen man nicht
feststellen kann, dass Informationen übermittelt werden. Das Stichwort
ist Steganografie.

Moderator: Ist das ein Verschlüsselungsverfahren?

Joachim Jacob:
So eine Art. Vom Prinzip her versteckt man die Nachricht in einem Bild,
das in seinen Pixeln eben nicht so ganz identisch ist mit dem Original.
Man braucht also das richtige Bild, um den Unterschied festzustellen
und die Nachricht zu erkennen.

jau: Wichtig ist doch auch die Wahrung einer europäischen Linie, wie sind wir Deutschen denn da datenschutzrechtlich gestellt?

Joachim Jacob: Es gibt eine gemeinsame europäische Datenschutzrichtlinie, die in weiten Teilen den deutschen Standards entspricht.

ModeratorNoch mal zur vorherigen Frage:

klas:
Aber wie kann man denn gegen Steganografie mit der Lockerung des
Datenschutzes vorgehen? Wie kann man dagegen überhaupt vorgehen?

Joachim Jacob: Dagegen kann man überhaupt nicht vorgehen.

Jo: Also werden nur die, die nicht die *richtigen Techniken* kennen, erwischt?

Joachim Jacob: Ja.

klas: An welchen Stellen sollte man denn Ihrer Meinung nach den Datenschutz lockern?

Joachim Jacob:
Es geht nicht darum, den Datenschutz zu lockern, sondern allenfalls
darum, die Terrorismusbekämpfung zu verbessern. Dabei ist auch ein
wichtiger Punkt, dass überprüft werden muss, warum z.B.bestehende
Gesetze in der Praxis nicht so greifen, wie man sich das gedacht hat.

Moderator: Haben Sie ein Beispiel?

Joachim Jacob:
Durchaus. In der politischen Diskussion ist z.B. immer wieder behauptet
worden, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge nicht in der Lage wäre, Informationen, die ihm im
Anerkennungsverfahren bekannt geworden sind und für die
Terrorismusbekämpfung von Bedeutung sind, an die Verfassungsschutzämter
weiter zu geben. Eine Behauptung, die falsch ist, weil bereits eine
entsprechende gesetzliche Grundlage vorhanden ist.

Moderator: Kommen wir noch mal auf ein anderes Thema:

vic:
Daten sind – nicht nur für die Internetwirtschaft – zu einem wichtigen
Wirtschaftsfaktor geworden. Welche Risiken sehen Sie da für
Unternehmen, z.B. in Bezug auf die Auskunftspflicht, d.h. die
Offenlegung von Kundendaten?

Joachim Jacob:
Hier sehe ich überhaupt keine Probleme. Es ist vielmehr ein wichtiges
persönliches Recht, Auskunft darüber verlangen zu können, welche
personenbezogenen Daten über mich bei einem Unternehmen oder auch bei
einer Behörde gespeichert sind.

Gerhard:
Politk will weniger Datenschutz, wobei in Deutschland der Datenschutz
sowieso nicht ernst genommen wird. Nur wenige Firmen haben einen
Datenschutzbeauftragten, obwohl sie dazu verpflichtet sind.

Joachim Jacob:
Mit dem neuen Bundesdatenschutzgesetz haben die Aufsichtsbehörden der
Länder das Recht bekommen, anlassfrei zu kontrollieren. Dies wird für
diesen Bereich von besonderer Bedeutung sein. Ich bin davon überzeugt,
dass künftig die Firmen ihrer Verpflichtung, einen
Datenschutzbeauftragten zu bestellen, nachkommen werden, weil sie sonst
dicke Probleme bekommen können, z.B. Bußgeld.

Moderator: Noch mal eine grundlegende Frage:

Netznomade: Haben die USA auch einen Datenschutzbeauftragten?

Joachim Jacob: Diese Einrichtung gibt es in den USA nicht.

jau: Welche Daten sind denn eigentlich geschützt, prinzipiell alle, oder nur ganz bestimmte?

Joachim Jacob:
Alle personenbezogenen Daten sind geschützt. Grundprinzip ist, dass
jeder Bürger selbst darüber entscheidet, wer welche Daten über ihn
erheben und verarbeiten darf. In diese Grundposition darf nur aufgrund
eines Gesetzes eingegriffen werden, oder der Bürger ist selbst mit der
Erhebung und Verarbeitung seiner Daten einverstanden.

vic: Sehen Sie durch die aktuelle Diskussion die Reform des Datenschutzrechts, die geplant ist, gefährdet?

Joachim Jacob: Nein. Wir werden auch die ins Auge gefasste 2. Stufe der Novellierung zügig angehen.

Moderator: Freiheitsrechte, die wir zu gunsten unserer Sicherheit aufgeben … kriegen wir die je wieder?

Joachim Jacob:
Wenn Freiheitsrechte zusätzlich eingeschränkt werden, was voraussetzt,
dass eine solche Einschränkung erforderlich und verhältnismäßig ist,
dann ist im Interesse der Freiheitsrechte sicher zu stellen, dass
solche Einschränkungen nur zeitlich befristet beschlossen werden und
auch einer Erfolgskontrolle unterzogen werden.

jau: Sind die Deutschen datenschutzlastiger als andere Länder?

Joachim Jacob: Nein. Mit der europäischen Richtlinie haben wir zumindest in der EU gemeinsame Datenschutzstandards geschaffen.

Moderator: Und moralisch?

Joachim Jacob: Die Frage verstehe ich nicht.

Moderator: Die rechtliche Seite ist klar. Aber von der Empfindlichkeit der Deutschen in Bezug auf das Thema gesehen.

Joachim Jacob:
Ob die Deutschen besonders empfindlich sind, kann man so allgemein
nicht sagen. Natürlich gibt es sehr sensible Mitbürger wie auch
Datenschutzmuffel.

Moderator: Kommen wir zur letzten Frage für heute:

jau: Machen Sie ihren Job in diesen Tagen eigentlich noch gerne?

Joachim Jacob:
Natürlich! Gerade jetzt ist er eine besondere Herausforderung! Und was
gibt es besseres, als sich für Freiheitsrechte zu engagieren!

Moderator:
Das ist mal ein Schlußwort!! Sehr geehrter Herr Jacob, lieber Chatter –
das war der dritte Chat in der Reihe "Mail to: Moderner Staat" von
politik-digital und dem Innenministerium. Ich danke allen, die
mitgemacht haben, besonders Dr. Jacob. Der nächste Chat an dieser
Stelle: Jörg Schönbohm, Innenminister des Landes Brandenburg, am 26.
Oktober um 18 Uhr. Tschüß und "Auf Wiederchat!"

Joachim Jacob: Tschüss! Es hat viel Spaß gemacht!

Moderator: Das freut mich zu hören!