Der Blogforscher und „Hard
bloggin´scientist“
Dr. Jan Schmidt war am 17. April
2007 zu Gast in der Blogsprechstunde, dem Chat von politik-digital.de
in Kooperation mit den Blogpiloten. Er erzählte, weshalb das
„Journal-Bloggen" eine weibliche Domäne ist, über
die Zukunft von Weblogs und die Machtverteilung im Blog-Diskurs.

Moderator: Herzlich willkommen zur Blogsprechstunde.
Jan Schmidt, Deutschlands bekanntester Weblogforscher, chattet mit
uns aus Bamberg, der Heimat seines Bamblogs.
Jan, können wir
starten?Jan Schmidt

Jan Schmidt: Gerne 🙂

Moderator: Die Nutzer konnten bereits im Vorfeld
Fragen stellen und darüber abstimmen. Die drei Fragen mit den
besten Bewertungen starten nun unsere Blogsprechstunde. Nummer eins:

junikind: Bei all Ihren Forschungen – haben Sie
den „typischen“ Blogger finden können? Was macht
ihn oder sie aus?

Jan Schmidt: Den „typischen“ Blogger
gibt es nicht wirklich. Wir haben in unseren Untersuchungen eine
große Bandbreite gefunden, was das Alter, aber auch die Themen
angeht. Wenn man „typisch“ über „dominierende“
Gruppe definieren will, könnte man sagen: Blogger sind typischerweise
relativ jung (Teenager bis etwa 30 Jahre), haben eine höhere
formale Bildung (Abitur oder Studium) und sind Computer-, beziehungsweise
Web-affin. Sie bloggen überwiegend über Themen von persönlicher
Relevanz, also Berichte aus dem Privatleben oder Links zu anderen
Seiten, die sie persönlich für relevant halten. Und ganz
wichtig: Das Geschlechterverhältnis ist mindestens ausgeglichen;
nach manchen Untersuchungen sind Frauen sogar in der Mehrheit.

Moderator: Frage Nummer zwei:

Hannah: Warum zählt kaum eine Frau zu den
Top-Bloggern Deutschlands?

Jan Schmidt: Das hat was mit der Aufmerksamkeitsstruktur
in der Blogsosphäre zu tun, ich hole mal ein wenig aus: Die
Top-Blogs (oder auch „A-List“) sind Blogs, die sich
mehrheitlich mit Themen befassen, die über die reine persönliche
Relevanz hinausgehen, also zum Beispiel zu (Netz-)Politik, zu Populärkultur,
zu Medien und so weiter. Solche Themen werden tendenziell eher von
Männern verfolgt, oder anders gesagt: Unter Männern gibt
es tendenziell mehr Blogger, die solche Themen von „weiterer“
Relevanz bloggen, während die Bloggerinnen tendenziell eher
Themen behandeln, die geringere Reichweite haben. Das ist kein Naturgesetz,
und das heißt auch nicht, dass Bloggerinnen immer nur kleine
Publika bzw. geringe Reichweite haben aber da (wiederum tendenziell)
unter Frauen das „Journal-Bloggen“ weiter verbreitet
ist, und dieses Journal-bloggen eher im „long tail“
stattfindet (also im Bereich der Blogosphäre mit geringerer
Reichweite), finden wir verhältnismäßig wenige Frauen
in den Top 100.

Moderator: Hierzu noch eine Nachfrage:

spectator: Das heißt, Frauen bloggen meist
nur über Persönliches?

Jan Schmidt: Jein. Andersherum würde ich sagen:
Männer bloggen eher über Themen, die über das rein
persönliche hinausgehen, und deswegen haben Männer höhere
Chancen, eine höhere Reichweite zu bekommen.

Moderator: Und nun Platz drei aus dem Vor-Umfrage:

Caligula: Was macht denn als Blogforscher den ganzen
Tag? Die 1000-seitige Blogroll ablesen?

Jan Schmidt: Das ist sicher ein wichtiger Teil
meiner Arbeit, ich verfolge zur Zeit etwa 150 RSS feeds [RSS feeds
fassen Artikel, zum Beispiel Weblogeinträge webkompatibel zusammen.
Ein RSS-Feed ist eine textbasierte Datei, die aus dem Titel, einer
Zusammenfassung und einem Link zu zur kompletten Nachricht besteht.
(Anm. d. Red.)] Aber ich halte auch Lehrveranstaltungen, gebe in
letzter Zeit recht viele Interviews und bin auf Tagungen unterwegs.
Und ich habe ja noch Forschungsinteressen, die über Blogs hinausgehen.
„Blogforscher“ alleine beschreibt es vermutlich nicht
ganz angemessen.

Moderator: Einige User fragen nach „Bloggen
als Studium oder Beruf“:

AndreasKiel: Wird es, wie es zum Beispiel Journalistenschulen
gibt, auch professionelle Blogschulen geben? Wird es das Berufsbild
Blogger geben?

LodzTheo: Wird Blogforschung ein eigener Studiengang?

Jan Schmidt: Beides nein, aber einige Entwicklungen
in die Richtung wird es geben beziehungsweise zeichnen die sich
jetzt schon ab: In dem Maße, wie Blogs auch für professionelle
Tätigkeiten (Journalismus, Werbung, Public Relations, Öffentlichkeitsarbeit,
auch politische Tätigkeiten) an Bedeutung gewinnen, wird ein
Bedarf für Einführungen, Kursen, Workshops und mehr entstehen.
Es gibt zur Zeit ja schon eine Reihe von Menschen, die als „Blogberater“
(in einem weiten Sinn) tätig sind und ihren Lebensunterhalt
bestreiten. Aber für die überwiegende Mehrzahl der Blogger
wird es ein Hobby bleiben.
Zum Studiengang: Die Auseinandersetzung mit Blogs wird auf absehbare
Zeit Teil von „klassischen“ Studiengängen bleiben,
insbesondere von Kommunikationswissenschaften, Medienwissenschaften
und -soziologie, und so weiter. Aber es ist in meinen Augen wichtig,
dass sich diese und andere Fächer den Entwicklungen im „Web
2.0“ (doofer Begriff) öffnen, weil dort in den nächsten
Jahren eine hohe Dynamik zu finden sein wird [Unter „Web 2.0“
versteht man interaktive Internet-Dienste, zum Beispiel Websites,
über die Fotos, Videos und Software getauscht werden und die
zur Vernetzung der Benutzer dienen – wie eben auch Weblogs
(Anm. d. Redaktion)].

Blogwart: Wie kann man die ganzen Blogs und Feeds
im Griff halten und sinnvoll selektieren? Mit elektronischen Medien
gibt es doch eine ungeahnte Flut von Informationen. Wird es Blogs
geben, die Blogs zusammenfassen?

Jan Schmidt: Ja, in gewisser Weise gibt es die
ja jetzt schon: In unseren Umfragen haben mehr als zwei Drittel
der Blogger gesagt, dass sie auf andere Online-Quellen verweisen.
Viele dieser kommentierten Links führen zu anderen Blogs, das
heißt, hier findet ja schon eine Filterung statt. Aber es
ist richtig, dass RSS dazu verführt, einfach noch ein Blog
und noch ein Blog und noch eins zu abonnieren, bis man irgendwann
die Komplexität der Blogosphäre in seinem Reader hat.
Hier ist die individuelle Selektions- und Aufnahmefähigkeit
ein entscheidendes Kriterium. Ich mache es beispielsweise so, dass
ich zu bestimmten Themen versuche, Blogs zu identifizieren, die
einen Überblick bieten (zum Beispiel Markus Breuer/Notizen
aus der Provinz zu Second Life). Dadurch erspare ich mir, selbst
alle Quellen absuchen zu müssen.

Moderator: Thema Blogs und Politik:

waterkant: In Bremen wird ja gewählt. Warum
passiert da kaum was in Sachen Blogs, Web 2.0 und so weiter wie
in Frankreich?

Jan Schmidt: Hmmm….mehrere Antworten fallen mir
spontan ein:
a) In Frankreich sind Blogs noch etwas stärker verbreitet als
bei uns, deswegen ist die (erhoffte) Resonanz auf diesen Kommunikationskanal
eventuell noch etwas höher.
b) Das deutsche politische System ist, soweit ich das einschätzen
kann, stärker von politischen Parteien und ihren Strukturen
geprägt, was einer weitgehenden Personalisierung (wofür
Blogs ja unter anderem stehen) etwas entgegenläuft.
c) Möglicherweise fehlt es aber auch einfach an Menschen in
den Kampagnen-Hauptquartieren, die einfach mal mit dem neuen Format
experimentieren wollen. Diesen Faktor darf man nicht unterschätzen.
Oft sind es einzelne Leute, die solche Dinge anstoßen und
damit dann Dynamik in die Sache bringen. In den USA war das beispielsweise
Howard Dean, der vorgemacht hat, wie man über Blogs mobilisiert
und wahlkämpft.

citoyen: Glauben Sie, dass deutschen Blogs in absehbarer
Zeit ähnliche Bedeutung im politischen Prozess zukommen könnte,
wie bereits heute in den USA?

Jan Schmidt: Generell: Wir können uns gerne
duzen. Ich denke, dass Blogs in Deutschland auch noch an Bedeutung
gewinnen werden, aber ich bezweifele, dass sie einen ähnlichen
Stellenwert bekommen wie in den USA. Auch dort haben wir ein anderes
politisches System, das noch stärker auf einzelne Personen
(als auf Parteistrukturen) setzt und in dem vor allem auch der Zwang
zum „fundraising“ deutlich höher ist als hierzulande
(wo es staatliche Parteienfinanzierung gibt). Deswegen ist in den
USA der Druck auf einzelne Politiker viel größer, sich
schon im Wahlkampf ganz stark zu profilieren und Unterstützer
zumindest zeitlich für die Kampagne begrenzt an sich zu binden.
Zudem ist das Mediensystem der USA anders; es gibt keinen vergleichbaren
öffentlich-rechtlichen Rundfunk und TV, und auch ein geringeres
Spektrum an überregionaler Qualitätspresse und Printzeitungen.
Dadurch ist der Bedarf der Bevölkerung an alternativen Informationen
(auch im Sinne einer Gegenöffentlichkeit, beispielsweise zum
Irakkrieg) höher als bei uns.
Ich will nicht ausschließen, dass wir uns in Deutschland in
den nächsten Jahren auch noch stärker in Richtung „Politische
Blogosphäre“ entwickeln, aber die genannten strukturellen
Faktoren machen einen Vergleich mit den USA etwas schwierig.

Leser: Im Moment werden die Blogger mit Verträgen
und Werbegeschenken überschüttet (siehe Opel, Sony PS3
[PlayStation 3 (Anm. der Red.)] und so weiter) – ist dieser Werbekanal
wirklich so relevant oder einfach nur overhyped?

Jan Schmidt: Ich denke, dass zu einem gewissen
Grad sicherlich Hype dabei ist: Blogs und Web 2.0 sind neu, sind
sexy, haben den Ruf des Innovativen (übrigens ein bisschen
wie Second Life gerade).
Aber der Grundgedanke von Firmen, die Blogs als Marketingkanal nutzen
wollen, ist durchaus richtig und relevant: Blogs sind keine One-Way-
oder Massenkommunikation, sondern eher öffentliche interpersonale
Kommunikation, das heißt Gespräche zwischen Menschen.
Zudem sind Blogger von ihrem soziodemografischen Profil (siehe oben)
durchaus eine interessante Zielgruppe. Diese Zielgruppe zu erreichen,
und vielleicht noch dafür zu sorgen, dass Blogger auch über
neue Produkte berichten und so Mund-zu-Mund-Propaganda betreiben,
ist für Marketingmenschen sicher reizvoll.
Problem nur: Es gibt in der Blogosphäre noch eine starke anti-kommerzielle
Tendenz, oder zumindest eine Grundhaltung gegen unauthentische Kommunikation.
Das ist wiederum ein schlechtes Umfeld für Werbung.

Moderator: Daran anschließend eine Frage
zu einer Werbekampagne vom Parfümhersteller CK, die in der
Blogosphäre für Ärger sorgte:

Blogwart: Was halten Sie denn von der CK Aktion?

Jan Schmidt: Hier wurde meines Erachtens genau
die genannte Erwartung der authentischen Kommunikation verletzt;
das musste im Grunde nach hinten losgehen. Insofern fand ich es
als Wissenschaftler ein interessantes Experiment, aber ich fand
die Reaktion der Blogosphäre ebenfalls sehr interessant. Und
als Blogger und Privatperson finde ich es gut, dass sich so viele
kritische Stimmen gemeldet haben.

selbstdarsteller: Was hat die re:publica deiner
Meinung nach für die Blogosphäre gebracht? Außer
ner Menge Spaß für die üblichen Verdächtigen?

Jan Schmidt: Wenn ich das wüßte. Ich
bin immer noch am Verarbeiten:). Nein, Spaß beiseite: Ich
finde, dass die re:publica eine tolle Veranstaltung war, um einen
Großteil der Menschen zusammenzubringen, die im Moment gerade
über Blogs und das neue Netz nachdenken. Und interessanterweise
eben nicht nur die Top 100, sondern auch jede Menge Menschen aus
dem „long tail“ (wenn man das so sagen kann), also die
nicht zu den "üblichen Verdächtigen" gehören.
Man kann nicht sagen, dass „die“ Blogosphäre vertreten
war, dazu haben die Strickbloggerinnen gefehlt, die Tokio-Hotel-Fans,
überhaupt die Teenage-Blogger, aber auch die Menschen, die
nicht über das Bloggen bloggen und deswegen keinen Anreiz haben,
zu so einer Tagung zu fahren. Eine sehr spannende Sache war, dass
auch Leute, die nicht vor Ort waren (most notably Don Alphonso,
aber auch viele andere) sich trotzdem zu Wort gemeldet haben und
über die Konversationen in Blogs, aber auch im Gespräch
vor Ort in Berlin dann doch irgendwie präsent waren. Für
mich persönlich (ich denke auch für viele andere) hat
es ausserdem gebracht, dass man mal eine Reihe von Leuten „in
echt“ kennen gelernt hat, die man sonst nur vom Rechner kennt.
Und das macht eine ganze Menge aus, finde ich.

Moderator: Noch eine Nachfrage zur re:publica:

HartbloggenderStudent: Auf eurem Workshop auf der
re:publica habt ihr von internen Streitereien bei den hart bloggenden
Wissenschaftlern geredet. Was war denn da?

Jan Schmidt: Die Streitereien hängen wohl
damit zusammen, dass einige der Gründungsmitglieder inzwischen
nicht mehr an einer Uni sind, sondern in einem anderen Job, und
deswegen nicht mehr ganz so viel Zeit in die Pflege der Seite investieren
können. Das Problem scheint im Moment technisch-administrativ
zu sein: Wer hat Admin-Zugang zur HBS-Seite [Seite der Hard bloggin´scientists
(Anm. der Red.)]? Aber ich gehöre nicht zum „Kernteam“,
deswegen kann ich das gar nicht so genau sagen :).

Moderator: Die Umfrage unter unseren Nutzern hat
ergeben: Die Mehrheit, nämlich 61%, bloggt zu privaten Themen.
Und einer führt anscheinend tatsächlich ein Strickblog.

Jan Schmidt: 🙂

Leser: Gibt es denn eine Zweiteilung in der Blogsophäre
– die „richtigen“ und „coolen“ Blogger à
la Schultheiss und Co. und die „anderen“ genannten Tokio
Hotel Fans und so weiter? Wer ist der Bessere?

Jan Schmidt: Darauf gibt es zwei antworten:
Je nachdem, was Dich (oder jeden anderen interessiert) gibt es diese
Zweiteilung: Blogs, die spannend sind, und Blogs, die Dich nicht
interessieren. Weil ein Großteil der „Wortführer“
(also der Top 100/1000/whatever, der A-List) nicht über Tokio
Hotel und das Stricken schreibt, entsteht so eine Art „Abwertungsdruck“,
dass letztere Art von Bloggen irgendwie banal oder kein „echtes“
Bloggen sei. Aber aus Sicht des Tokio-Hotel-Bloggers sind Don Alphonso,
mein Blog und die re:publica womöglich völlig langweilig
und schlecht, insofern ist es eine Frage des Standpunktes und der
Perspektive.
Für mich als Wissenschaftler gibt es nicht „das richtige“
Bloggen, sondern nur unterschiedliche Praktiken, die unterschiedlich
bewertet werden. Das hatte ich ja auch in meinem Eröffnungsvortrag
geschildert: Bestimmte Arten des Bloggens werden von außen
(von Journalisten) aber auch von innen (aus der Blogosphäre)
selbst oft abgwertet und als „banal“ oder „irrelevant“
abgestempelt.
Das ist eine klassische Soziologische Frage: Wer bestimmt den Diskurs,
wer hat Einfluss darauf, welches Bild vom Bloggen sich öffentlich
durchsetzt – sehr spannend!

Trinh03: Wie reagieren eigentlich die Blogger darauf,
dass sie von dir beforscht werden? Bei ein paar Diplomarbeiten wurden
die Blogger ja ziemlich allergisch?

Jan Schmidt: Ich habe den Vorteil, dass ich selbst
schon seit einigen Jahren (März 2004) ein Blog führe und
inzwischen zum Glück auch einigermaßen bekannt bin. Das
hilft mir sehr, möglicherweise auch, weil die Blogger wahrnehmen,
dass ich nicht eine bestimmte Vorstellung vom Bloggen vertrete („Blogs
müssen Alternativjournalismus sein“ oder so). Es gab
aber Ende 2005, als ich meine erste „Wie ich blogge?!“-Umfrage
gemacht habe, im Umfeld von Don Alphonso eine sehr hitzige Diskussion
darüber, ob die Wissenschaft überhaupt fähig ist,
Blogs zu begreifen. Immerhin ist bloggen oft sehr spontan, impulsiv,
subjektiv, sehr schnell – in gewisser Weise das genaue Gegenteil
von „klassischer“ Wissenschaft. Ich fand diese Streit
damals sehr lehrreich, weil er mir auch geholfen hat, meine eigene
Rolle als bloggender Wissenschaftler genauer zu verstehen. Ganz
generell sehe ich mich als Blogger auch in der Rolle des teilnehmenden
Beobachters, aber wenn ich zum Beispiel einen Aufsatz für ein
Buch schreibe, muss ich von meinen eigenen Erfahrungen soweit wie
möglich abstrahieren. Und ganz generell zu dem Widerstand:
Es gibt ja auch ausserhalb der Blogs eine gewisse „Umfragemüdigkeit“,
das heißt, Menschen haben immer weniger Lust, an Markforschung
teilzunehmen. Das macht es auch für wissenschaftliche Umfragen
schwer.

Moderator: Du hast dein Blog bamberg-gewinnt.de
erwähnt. Dazu gibt es eine Nachfrage:

haidu: Warum gewinnt Bamberg eigentlich ;-)?

Jan Schmidt: Dahinter steckt eine Anekdote: Ich
habe früher unter www.schmidtmitdete.de gebloggt, mit einer
Software namens "greymatter". Irgendwann wollte ich auf
Wordpress umsteigen und hab mir dazu eine neue Domain holen müssen,
wo ich mySQL dabei hatte. Dazu habe ich „bamberg-gewinnt“
gesichert, und ich wollte das eigentlich mal für einen Wahlkampf
oder so verwenden. Dummerweise habe ich es dann nicht auf die Reihe
bekommen, mein Blog wieder auf www.schmidtmitdete.de „umzubiegen“
– und dann war es zu spät, den Namen wieder zu ändern
weil sich die URL inzwischen etabliert hatte. Aber generell: Bamberg
ist eine wunderschöne Stadt :).

Sid Vicious: Wird mein Blog von meinem eventuellen
zukünftigen Arbeitgeber erst mal nach psychologischen Gesichtspunkten
durchleuchtet, bevor ich eingestellt werde – mit anderen Worten
– kann es nachteilig sein, ein persönliches Blog zu haben?

Jan Schmidt: Unter Umständen kann das passieren,
ich denke aber, dass die Chancen relativ gering sind, dass dir Nachteile
entstehen. Es hängt natürlich ein wenig davon ab, worüber
du bloggst, bei welcher Firma du dich bewirbst, ob du anonym oder
pseudonym bloggst und so weiter.Genauso gut kann es andersrum sein:
Dein Blog kann (je nach beruflicher Tätigkeit) demonstrieren,
dass Du schreiben kannst, schlaue Ideen hast, Projekte realisieren
kannst und mehr. Ich würde aber ganz generell (und auch über
Blogs hinaus, bei Studi VZ oder Xing [Online-Plattformen zum Austausch
zwischen Studierenden und Businesstreibenden (Anm. der Red.)]) dazu
raten, sich immer bewusst zu sein: Was ich in das Internet schreibe
kann prinzipiell jeder lesen, und es ist prinzipiell auch noch in
30 Jahren auffindbar. Das heißt, bei manchen Texten, Fotos
und Videos ist es vielleicht ratsamer, die in geschützteren
Umgebungen als einem öffentlichen Blog zu posten, beispielsweise
in Umgebungen wie flickr, wo du Bilder nur für bestätigte
Kontakte freigeben kannst.
Das ist aber eine hoch spannende Frage, denn in diesem Bereich der
Veränderung der Privatspähre werden sich in den nächsten
Monaten und Jahren noch sehr viele Dinge tun, technisch wie sozial-gesellschaftlich.

rotflmao: Kannst Du etwas zu Trollen [Leute, die
in Foren oder Blogs bewusst stören und andere mit ihren Kommentaren
provozieren (Anm. der Red.)] in Weblogs sagen? Was kann man gegen
die machen und warum trollen die rum?

Jan Schmidt: Dazu gab es ja einen ganz interessanten
Vortrag bei der re:publica. Es gibt wohl unterschiedliche Typen
von Trollen: Die, die tatsächlich einfach nur provozieren wollen,
weil sie es lustig finden, wenn sie andere Leute zur Weißglut
bringen. Oder auch die, die möglicherweise einen ernsthaften
Beitrag leisten wollen, der aber im betreffenden Blog am falschen
Platz ist, oder der (gewollt oder ungewollt) missverstanden wird.
Generell hilft meines Erachtens, dem Kommunikationspartner (gerade
wenn man nicht weiß, welche Person sich hinter einem Namen
verbirgt) erstmal so zu begegnen, als habe sie etwas Relevantes
zu sagen. Das heißt, möglicherweise muss man nachfragen
und schauen, ob es sich um ein Missverständnis handelt. Aber
wenn deutlich wird, dass es „echtes trolling“ ist, dann
hilft wohl nur ignorieren, beziehungsweise, wenn möglich),
sperren – einfach weil ein einziger Troll eine funktionierende community
kippen kann.

Moderator: Und nun zur Lieblingsfrage unserer Nutzer:

pillepalle: Na los, outen: Was ist denn dein Lieblingsblog?

Jan Schmidt: Ui, sehr schwere Frage..Was fachliche
Dinge angeht, verfolge ich sehr gerne den elektrischen reporter
(eher ein Videoblog) [Blog des Handelsblatts (Anm. der Red).], die
Interviews finde ich höchst spannend. Im politischen Bereich
finde ich netzpolitik.org [Blog von Markus Beckedahl] sehr gut.
Das ist für mich eines der wenigen Beispiele für ein gutes
politisches Blog in Deutschland. Und was den ganzen Rest angeht,
da ist es wohl wirres.net [Weblog von Felix Schwenzel (Anm. der
Red.)].

Moderator: Zum Schluss ein Ausblick:

Williwollteswissen: Welche Zukunft haben Weblogs?

Jan Schmidt: Zunächst einmal ganz grundsätzlich:
Blogs werden nicht mehr verschwinden. Der Wunsch nach einer einfachen
Möglichkeit, sich selbst und seine Interessen im Netz zu präsentieren
und darüber mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, ist
einfach gegeben. Und dafür sind Blogs eine sehr gut geeignete
Technologie. Ich denke auch, dass in den nächsten Monaten und
Jahren mehr Organisationen (Unternehmen, Parteien, NGOs, öffentliche
Verwaltungen…) mit Blogs experimentieren werden. Nicht alles wird
klappen, aber dieser Bereich wird meines Erachtens zunehmen. Im
privat-persönlichen Bereich werden Blogs, denke ich, auf absehbare
Zeit noch stärker mit social-networking-Plattformen [Websites,
auf denen die Nutzer Private und Berufliche Kontakte knüpfen
und pflegen können (Anm. der Red.)] zusammenwachsen. Das liegt
daran, dass die momentane technische Situation noch viel zu binär
ist: Öffentlich publiziert versus nicht öffentlich publiziert.
Wir sind es aber gewohnt, dass wir uns in unterschiedlichen Kontexten
unterschiedlich präsentieren und deswegen wird es, denke ich,
mehr technische Unterstützung dafür geben müssen,
dass wir bestimmte Texte, Fotos und so weiter nur für bestimmte
Personenkreise zugänglich machen. Da sind wir wieder bei der
Frage nach den Veränderungen von Privatsphäre versus Öffentlichkeit,
aber das ist vermutlich ein Thema für einen neuen Chat, oder?

Moderator: Gerne wieder!

Moderator: Das war die Blogsprechstunde von politik-digital.de
in Kooperation mit den Blogpiloten. Vielen Dank an alle Chatter
fürs Mitmachen und vielen Dank an Jan Schmidt für die
Antworten. In der kommenden Woche ist Peter Turi zu Gast in der
Blogsprechstunde. Wir chatten nächste Woche Dienstag von 19
bis 20 Uhr. Wie schon dieses Mal können Fragen bereits im Vorfeld
im Wartezimmer
gestellt werden. Das Transkript dieses Chats kann man in Kürze
auf politik-digital.de und bei den Blogpiloten nachlesen. Das letzte
Wort für heute hat Jan Schmidt:

Jan Schmidt: Hat sehr viel Spaß gemacht!
Danke an all eure Fragen! Und jetzt schau ich das DFB- Pokalspiel!
🙂