Der
MP3-Experte des Fraunhofer-Instituts Karlheinz Brandenburg am 13. 06.2002
im Chat.
Moderator: Herzlich willkommen Herr Prof. Brandenburg, sind Sie bereit?
Karlheinz Brandenburg: Ja.
Moderator: Guten Tag. Haben Sie je bereut, MP3 erfunden zu haben?
Karlheinz Brandenburg: Nein, ich habe die Arbeit an MP3 nie bereut
Moderator: Die Plattenindustrie fordert Kopierschutz für alle CDs. Was halten Sie davon, will gnom3 wissen.
Karlheinz Brandenburg: Den Kopierschutz für CDs finde ich
ziemlichen Unsinn. Ich verstehe die Plattenindustrie zwar, aber der
sogenannte Kopierschutz lässt CDs nicht mehr richtig funktionieren. Das
finde ich ziemlichen Unsinn !
Moderator: Damit machen Sie sich aber nicht nur Freunde, oder?
Karlheinz Brandenburg: Ich kenne einige Leute in der
Musikindustrie, die das genauso sehen. Ich bin ja für Bezahlen von
Musik und auch (in Grenzen) für Kopierschutz bei elektronischem
Vertrieb von Musik. Ich meine nur, dass es dazu gute Angebote braucht
und dass man CDs nicht mehr dem Standard kompatibel machen muss (sonst
müssten sie ja auch auf Computern abspielbar sein). Das finde ich nicht
gut.
Moderator: Die Musiklobby will nur ihre Profite weiter sichern, sagt reda. Liegt der User damit richtig?
Karlheinz Brandenburg: Das ist doch eigentlich ihr gutes Recht.
Das sind Firmen, die Gehälter bezahlen wollen. Wenn man die großen
Plattenfirmen nicht so mag, dann muss man mehr von Künstlern direkt
oder von kleinen Labels kaufen. Ich habe jedenfalls prinzipiell nichts
gegen die Plattenfirmen und verstehe viele ihrer Sorgen gut.
Moderator: Sind Sie von der Politik mit Ihrer Forschung unterstützt worden und erhalten Sie Fördermittel, fragt berick.
Karlheinz Brandenburg: Fraunhofer erhält Grundfinanzierung. Das
ist aber nur ein kleiner Teil der Einnahmen. Forschung am Anfang
geschah auch an der Universität, da sind natürlich auch öffentliche
Mittel geflossen. Insgesamt gab es immer wieder Förderprojekte zu den
Dingen, an denen ich gearbeitet habe, von Bayern, vom Bund, von der EU,
jetzt vom Freistaat Thüringen. Die weiteren Arbeiten an MP3 tragen sich
schon seit ziemlich langer Zeit selber. Wir haben in Erlangen jetzt aus
MP3-Einnahmen die Möglichkeit, manche Vorlaufforschung ohne öffentliche
Förderung angehen zu können.
Moderator: Wir kommen jetzt zur ersten Verlosung Herr Brandenburg, liebe Nutzer:
Wir kommen nun zur Verlosung des ersten MP3-Players. Das Gerät hat
einen Wert von 300 €. Im Verlauf des Chats werden noch zwei weitere
MP3-Player verlost. Zusätzlich zu der Frage, die wir Ihnen jetzt
stellen, benötigen wir Ihren Namen und Ihre Telefonnummer, damit wir
Sie am Ende des Chats informieren können, falls Sie gewonnen haben.
Bitte geben Sie die Daten in das Fragefenster ein und schicken Sie die
Antwort und die Kontaktdaten dann an den Moderator. Diese Daten werden
nicht veröffentlicht. Nur vollständige Antworten können berücksichtigt
werden. Die Person, die als erste die richtige Antwort
Wie lautet der Name des Fraunhofer-Instituts, an dem MP3 im
Wesentlichen entwickelt wurde? Bitte rufen Sie jetzt unter 030/24083682
und beantworten Sie die Frage. Der nächste MP3-Player wird in ca. 15
Minuten verlost.
Moderator: Und hier die nächste Frage von Chatter grino44: Sind Sie privat Fan elektronischer Musik?
Karlheinz Brandenburg: Nicht von aller, ich bin ja nicht mehr
der Jüngste. In meiner Jugendzeit war gerade Kraftwerk aktuell, die
Musik hat mir damals gut gefallen.
Moderator: Weitere Fragen zur Musikindustrie sind hier
eingelaufen: Denkt die Industrie in Schemata von gestern, weil sie die
neue Zeit nicht erkennt, fragt hegg.
Karlheinz Brandenburg: Das ist natürlich sehr deutlich
ausgedrückt. Ich habe allerdings auch den Eindruck, dass manche
Entscheider die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt haben. Andererseits
gibt es viele gute Leute, die auch gerne modernere Vertriebsformen
anbieten möchten.
Moderator: Wer scheint Ihnen hier am ernsthaftesten an einer Lösung interessiert zu arbeiten?
Karlheinz Brandenburg: Ich kenne Leute bei Bertelsmann und BMG, bei Universal (mittlerweile Vivendi Universal), …
Moderator: Wir haben den ersten Gewinner bitte nicht mehr anrufen !!
Karlheinz Brandenburg: …bei Sony Music, wenn ich’s mir genau
überlege bei allen großen Firmen, die ernsthaft daran arbeiten.
Trotzdem hat sich zu wenig getan.
Moderator: Haben Sie eine Idee, wie sich der Konflikt zwischen Usern und der Musikindiustrie lösen lässt, fragt gast 288.
Karlheinz Brandenburg: Nun, vielleicht nicht mit allen Usern.
Wer prinzipiell nichts zahlen will (oder kann), der wird weiterhin auf
Mechanismen setzen, die (zu Recht) der Musikindustrie nicht gefallen
und die auch juristisch verfolgt werden. Es gibt aber schon ganz gute
Dinge. Ich privat mag zum Beispiel die Idee des MusicMatch Radio, die
haben schon ziemlich viele Abonnenten. Ähnliche Angebote sollte es mehr
geben.
Auf Dauer denke ich, dass gute Angebote (z.B. mit garantierter Qualität
und Herkunft) vielen auch Geld wert sind, und damit haben ja alle, was
sie wollen.
Moderator: Wir kommen nun zur Verlosung des zweiten MP3-Players.
Es gelten die gleichen Regeln wie bei der Verlosung des ersten Geräts.
Kurz vor Ende des Chats wird noch ein weiterer MP3-Player verlost.
Mitarbeiter der Fraunhofer Gesellschaft sind von dem Spiel leider
ausgeschlossen. Hier kommt die Frage: Viel Glück!
Was bedeutet die Abkürzung MP3? Bitte rufen Sie jetzt unter
030/24083682 und beantworten Sie die Frage. Der nächste MP3-Player wird
in ca. 15 Minuten verlost.
Die nächste Frage: Zurück zum technischen: Gibt es einen Unterschied in
der Qualität zwischen MP3-Musik und richtigen CDs, will powerrrgrrl
wissen.
Hier laufen übrigens die Telefone extrem heiß…
Karlheinz Brandenburg: Hmmm, um ehrlich zu sein ja, insbesondere
bei der häufig verwendeten Bitrate von 128 kbit/s gibt es einige Musik,
die MP3-codiert nicht mehr so gut klingt. Wenn man auf 192 geht, ist es
schon viel besser. Kleine Unterschiede bleiben noch, aber da muss man
gut trainiert im Hören sein und eine gute Stereoanlage haben, damit die
Unterschiede wirklich wahrnehmbar sind.
Moderator: Können Sie das Prinzip MP3 mal kurz umreißen, für einen Laien, bittet jaas.
Karlheinz Brandenburg: Ich versuche es: MP3 ist ein
gehörangepasstes Codierverfahren. Das heißt, dass die Musik so
übertragen wird, dass sie nachher gleich klingt, auch wenn das Signal
geändert ist. Das geschieht durch Betrachtung einzelner Frequenzen. Je
nach Hörbarkeit werden Anteile weggeschnitten bzw. weniger genau
übertragen (sozusagen unscharf).
Moderator: Nachfrage dazu: Hören Sie den Unterschied zu einer CD, fragt ggklo.
Karlheinz Brandenburg: Ich bin nicht mehr ganz so viel im
Training. Ich erinnere mich an einen Hörtest vor ein paar Jahren
während der Entwicklung von AAC: Bei schwierigen Stücken (nicht
Durchschnittsmusik) konnte ich bei 192 kbit/s ziemlich zuverlässig
hören, was Original und was Fälschung ist.
Moderator: Wem gehört eigentlich der MP3-Code, fragt Michael.
Karlheinz Brandenburg:
Es gibt Patente, die gehören im wesentlichen Fraunhofer und Thomson
Multimedia und werden über Thomson Multimedia lizenziert. Einen Code
kann jede/r schreiben, allerdings muss dann für Produkte Patentlizenz
gezahlt werden. Wenn jemand MP3-Player (Software für PC) schreibt und
kostenlos verteilt, dann ist keine Patentlizenz fällig (wenn es
Privatleute sind). Der Code für MP3-Encoder ist von verschiedenen
Personen und Firmen geschrieben worden. Ich denke (soweit ich Tests
kenne), dass der beste Code immer noch von Fraunhofer stammt (z.B. in
MusicMatch enthalten).
Moderator: Ist es theoretisch möglich, die Komprimierungsrate von MP3 noch weiter zu optimieren, will heda wissen.
Karlheinz Brandenburg: Theoretisch ja, allerdings ist in den
letzten Jahren viel versucht worden, wahrscheinlich geht jetzt nicht
mehr viel. Im Prinzip ist nur das Datenformat festgelegt. Man kann also
bessere Encoder schreiben, wenn es zum Beispiel neue Erkenntnisse in
der Psychoakustik gibt.
Moderator: Kann MP3 nur Musik komprimieren, fragt fregatte.
Karlheinz Brandenburg: Ja, ganz eindeutig, wobei Sprache ein
Sonderfall von Audio (also Tönen) ist. Video kann man mit MP3 nicht
komprimieren, da gibt es andere Verfahren.
Moderator: Seit kurzem gibt es das neue Format Ogg Vorbis, das hat einen Open Source Code. Konkurrenz für MP3, will heckmeck wissen.
Karlheinz Brandenburg: Nicht wirklich. Soweit wir uns das
angeschaut haben, ist es nicht ganz so gut und nicht so verbreitet. Was
nicht ist, kann ja noch werden. Ich bin eigentlich für das
Nebeneinander von open source (GNU und ähnliche Lizenzen) und
kommerziellen Produkten ohne open source.
Allerdings: Software neu zu schreiben, bedeutet noch nicht, dass etwas frei von Patenten auf die Grundideen ist.
Dazu wird ja viel und teure Forschung betrieben, Patente sollten auch
geachtet werden. Bei OggVorbis wird das wohl irgendwann noch angeschaut
werden.
Moderator: Haben Sie sich selbst schon einmal illegale Musik runtergeladen (zu Forschungszwecken?), 😉 fragt Garbu.
Karlheinz Brandenburg: Nein, ich habe immer darauf geachtet, nur
legale Musik herunterzuladen. Ich habe mir Musik von MP3.com und eMusic
geholt, aber nicht über Napster.
Moderator: Hat Sie die Musikindustrie eigentlich schon mal angefeindet oder unter Druck gesetzt, fragt sich 77eh.
Karlheinz Brandenburg: Nein, obwohl die Geschichten immer wieder
erzählt wurden. Dazu hat sicher beigetragen, dass ich schon 1997 die
RIAA (Recording Industry Association of America) in Washington besucht
habe und mit deren Spezialisten über die Problematik der Raubkopien
geredet habe. Wir haben bei Fraunhofer immer gesagt, dass geistiges
Eigentum, schöpferische Tätigkeit von Künstlern etc. honoriert werden
sollte.
Moderator: Gleich stellen wir die letzte Frage für den Gewinn eines MP3-Players. Wenige Sekunden Geduld. Hier erst einmal noch eine Frage.
Werden CDs irgendwann wie Platten von der Bildfläche verschwinden, will frego wissen.
Karlheinz Brandenburg: Das kann schon passieren. Wie schnell das
gehen wird, ist allerdings gar nicht klar. Die Plattenindustrie
versucht ja mit SACD (Super Audio CD) und insbesondere DVD-Audio neue
Formate einzuführen. Mal schauen wie schnell das geht. Ich denke, dass
über die nächsten 5 Jahre CDs noch der Normalfall sein werden.
Moderator: Noch eine Frage vor der nächsten Verlosung (ganz
ruhig bleiben). Digitale Kinoprojektion ist auf dem Vormarsch, gibt das
MP3 noch mal einen weiteren Schub, will Daniel wissen.
Karlheinz Brandenburg:
MP3 selber nicht, allerdings arbeiten wir in Ilmenau und Erlangen auch
an Verfahren, um Kinoton um möglichst viele Klassen gegenüber dem
jetzigen Stand zu verbessern. Das finde ich eine tolle Sache: mit
sogenannter Schallfeldsynthese und MPEG-4 zur Übertragung kann richtig
eine akustische Umgebung simuliert werden.
Das gibt viel besseren Klang (in 10 Jahren auch für zuhause) als jetzige 5-Kanal-Anlagen.
Moderator: So jetzt zur letzten Verlosung des MP3 Players!
Es gelten die gleichen Regeln wie bei der Verlosung der ersten zwei
Geräte. Mitarbeiter der Fraunhofer Gesellschaft sind von dem Spiel
leider ausgeschlossen. Hier kommt die Frage, zum letzten Mal: Viel
Glück!
Mit welchem bedeutenden Preis wurden drei Mitarbeiter stellvertretend
für das Entwicklerteam im Jahr 2000 von Bundespräsident Johannes Rau
ausgezeichnet? Bitte rufen Sie jetzt unter 030/24083682 und beantworten
Sie die Frage.
Hier klingeln die Telefone schon, bevor die Frage gestellt ist …
Was wollen Sie als nächstes erfinden, will Doro wissen.
Karlheinz Brandenburg: Hmmm, wenn ich das wüsste, wäre es ja
schon erfunden, allerdings haben wir hier große Pläne: den Kinoton der
Zukunft (wie oben gesagt), die intelligente Stereoanlage, die ich durch
vorpfeifen dazu bringen kann, mir Musik zu suchen und noch andere Dinge.
Moderator: Aber wenn sie pfeifen, brauchen sie doch keine Anlage
mehr ;_) Halten andere Forscher Ihre Erfindung für seriös oder werden
sie belächelt, weil es ein wenig verspielt erscheint, will Hägar wissen.
Karlheinz Brandenburg: Na ja, so gut kann ich aber nicht pfeifen
🙂 Dann könnte ich als Musiker mein Geld verdienen ! Nein, ich habe
den Eindruck, dass die Ideen aus Ilmenau und Erlangen sehr
ernstgenommen werden. Manchmal staune ich über zu viel Zutrauen in
unsere Fähigkeiten, aber das ist natürlich eine angenehme Position.
Moderator:
Hatten Sie eigentlich nach der Erfindung des Formats viel
Medienaufmerksamkeit oder diffundierte die Erfindung nur langsam, will
grag wissen.
Wir haben den letzten Gewinner! Alle MP3-Player sind vergeben. Bitte nicht mehr anrufen!
Karlheinz Brandenburg: Es hat lange Zeit gedauert. Am Anfang
waren wir Leute aus Erlangen tatsächlich eher belächelt. Dann hat sich
MP3 langsam durchgesetzt. Richtig viel Aufmerksamkeit gibt es erst seit
ca. 1998 / 99, obwohl die Lawine klar sichtbar ab so 1995 losging.
Moderator: Was für einen Preis würden Sie gerne einmal gewinnen, fragt cord.
Karlheinz Brandenburg: Hmm, eigentlich sollte ich ja sehr
zufrieden sein, mit den bisherigen Preisen für mich und alle im Team,
allerdings hätten wir sicher nichts gegen einen Nobelpreis, den gibt es
nur nicht für Technik 🙁
Moderator: Zur letzten Frage: Wo sehen Sie die Musikindustrie und Internetindustrie in fünf Jahren, erfragt Lara.
Karlheinz Brandenburg: Schwierig zu sagen: Entweder es geht
manches weiter wie jetzt, und der Musikindustrie geht es schlechter,
oder es gibt neue Ideen, neue Arten der Vermarktung, viele gute neue
Musik und beiden geht es gut.
Moderator: Liebe Chatter und Chatterinnen, sehr geehrter Herr
Professor Brandenburg! Unsere Chat-Zeit ist um! Wir bedanken uns im
Namen der Fraunhofer Gesellschaft und der Initiative Wissenschaft im
Dialog für Ihre Teilnahme. Die Gewinner der MP3-Player sind von uns
bereits informiert. Ich hoffe es hat Ihnen ein wenig Spaß gemacht.
Karlheinz Brandenburg: Tschüss und ja, mir hat es auch viel Spaß gemacht !
Moderator: Wir wünschen allen Gästen einen schönen Abend!
Viele Grüße nach Ilmenau!
Karlheinz Brandenburg: Viele Grüße nach Berlin und zu allen !
Moderator: Weitere Infos unter www.fhg.de
oder unter http://www.wissenschaft-im-dialog.de/