Seit Anfang März ist Hans-Peter Friedrich Bundesminister des Inneren. Sein Amtsvorgänger Thomas de Maizière konnte die angekündigte umfassende Online-Strategie des Bundes nicht mehr umsetzen. Wie versteht Hans-Peter Friedrich sein neues Amt aus netzpolitischer Perspektive, welche Initiativen hat er angestoßen und mit welcher Kritik sieht er sich aktuell konfrontiert? politik-digital.de zieht eine erste Bilanz.

 

“Lieber bin ich ein liberaler Fundamentalist als ein konservativer Verfassungsgegner”. Mit diesen deutlichen Worten reagierte Lasse Becker, der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, in einer Äußerung gegenüber der Rheinischen Post. Der Doktorand der Volkswirtschaft bezog sich auf Äußerungen des Bundesinnenministers, der in der BILD-Zeitung mit den Kritikern der Online-Überwachung ins Gericht gegangen war. Der Vorsitzende des FDP-Nachwuchses steht mit seiner äußerst skeptischen Meinung hinsichtlich der datenschutz- und netzpolitischen Vorstellungen des neuen Innenministers jedoch keinesfalls alleine da. Friedrich, noch bis Anfang März Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, ist kraft seines Amtes einer der maßgeblichen Ansprechpartner für netzpolitische Belange auf bundespolitischer Bühne. Seinem Ministerium ist die Staatssekretärin und „Bundes-CIO“ Cornelia Rogall-Grothe zugeordnet. Sie hatte diese Position bereits unter Friedrichs Amtsvorgänger inne.

Neben den Themen Vorratsdatenspeicherung und Netzsperren, die er von Thomas de Maizière (CDU) “geerbt” hatte, hat Friedrich in seinen ersten Amtsmonaten auch mit eigenen Akzenten aufgewartet. So machte er bei der Vorstellung der jüngsten Polizeilichen Kriminalstatistik auf die stetig zunehmende Internetkriminalität aufmerksam. Notwendig seien, so Friedrich, aber keine neuen Gesetze, sondern Selbstverpflichtungen der Internetwirtschaft. “Das Internet braucht nicht immer gleich Gesetze“, schrieb Friedrich mit Blick auf die Debatte über Googles Geodaten-Dienst „Streetview“ in einem Gastkommentar für die Financial Times Deutschland. In einem gewissen Widerspruch hierzu stehen Friedrichs frühere Aussagen hinsichtlich der Bekämpfung von Internetkriminalität.

Internet-Kriminalität
Der studierte Jurist aus dem oberfränkischen Neila sprach sich erst kürzlich wieder für mehr Sicherheit im Internet aus. Künftig müssten Internetanbieter, Wirtschaft, Bürger und Staat enger zusammenarbeiten, um das Internet als sicheren Raum weiter zu erhalten. Der Staat müsse stärker als Partner gesehen werden, sagte der Minister anlässlich eines Besuchs beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden. “Das Stehlen digitaler Identitäten ist heute ein Massendelikt.”

Anti-Terror-Kampf
Diese Initiative war jedoch nicht sein erster öffentlicher Vorstoß in netzpolitischer Hinsicht. Bereits gut einen Monat nach Antritt seines neuen Amtes hatte der CSU-Politiker durch eine sprachpolitische Novellierung versucht, der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung eine neue Richtung zu geben. Bei einem seiner ersten größeren öffentlichen Auftritte regte der ehemalige Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Rahmen eines Kongresses der Deutschen Polizeigewerkschaft am 4. April an, nicht länger von einer in der Netzgemeinde äußerst kontrovers diskutierten Vorratsdatenspeicherung zu sprechen, sondern zukünftig von einer „Mindestspeicherfrist“ entsprechender Telefon- und Internetdaten. Ein Gesetzesvorhaben zur Neuregelung dieses Sachverhalts steht an, nachdem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die ursprünglichen Regierungspläne für die Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig verworfen hatte.

Hans-Peter Friedrich auf dem DPolG-Kongress in Berlin am 4. April 2011/ Foto: Johann Eggert

Des weiteren – die Verlängerung der Sicherheitsgesetze zum Zweck der Terrorismusbekämpfung steht in naher Zukunft an – pochte Friedrich bereits auf eine Verlängerung der operativen Möglichkeiten zur Einsichtnahme in Telefon- und Internetdaten, die den Sicherheitsbehörden mit den Gesetzen an die Hand gegeben sind. Auch dies ist ein Feld, auf dem netz- und sicherheitspolitischer Streit mit dem Koalitionspartner FDP ins Haus steht, denn das FDP-geführte Justizministerium möchte nur vier von zehn Sicherheitsgesetzen verlängern und des weiteren den Militärischen Abschirmdienst (MAD) am liebsten ganz auflösen.

Gegenspieler von Leutheuser-Schnarrenberger?

Vieles spricht also, betrachtet man Friedrichs bisherige netzpolitische Initiativen, dafür, dass dieser versucht, sich als kabinettsinterner Gegenspieler der auf die strikte Wahrung der Bürgerrechte eingestellten FDP-Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger zu profilieren. Bei dem bis vor wenigen Wochen ungelösten internetpolitischen Streitthema Netzsperren hatte sich die FDP-Seite im Koalitionsausschuss mit ihrer Forderung nach Abschaffung des „Zensursula-Gesetzes“ aus dem Jahr 2009 durchsetzen können. Auch beim Thema Vorratsdatenspeicherung liegen die inhaltlichen Standpunkte der Koalitionäre aktuell noch weit auseinander. Die FDP hatte als Alternative zur Ausgestaltung der von den Karlsruher Verfassungsrichtern bemängelten Vorratsdatenspeicherung ein sogenanntes „Quick-Freeze-Verfahren“ vorgeschlagen, das auf Seiten des Bundesinnenministeriums und der Unionsfraktion prompt auf Ablehnung stieß.

Als vorläufiges Fazit bleibt festzuhalten, dass Friedrich zwar auf allen netzpolitisch relevanten Themenfeldern Pflöcke eingeschlagen hat, jedoch noch keine Strategien vorlegen konnte, die über die bereits im Juni 2010 vorgestellten „Vierzehn Thesen zur Netzpolitik“seines Amtsvorgängers Thomas de Maizière hinausweisen.