Der Sonntag naht und die Parteien beenden
auch ihren virtuellen Wahlkampf. Wenige Tage vor
der Entscheidung haben wir noch einmal einen Blick ins Internet geworfen, um zu
sehen, ob sich die vielen Unentschlossenen auch außerhalb der offiziellen Parteiseiten
und politischen Berichterstattung Entscheidungshilfen holen können. Unser Fazit:
Das Angebot ist klein, aber fein.

Mittlerweile leistet es sich keine Partei mehr, ohne ein kompetentes Webangebot
in den Wahlkampf zu ziehen. Dasselbe trifft auf die Online-Portale der großen
Tageszeitungen zu, die umfangreiche Dossiers mit Artikeln, Umfragen und Linksammlungen
angelegt haben. Doch das Internet ist bekanntlich mehr als ein virtueller Wählerstand
oder eine Online-Bibliothek. Und so stellt sich die Frage, welchen Widerhall
die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus jenseits dieser mittlerweile etablierten
Informationsformen ausgelöst hat. Wir haben nach interaktiven oder ungewöhnlichen
Seiten zur Berlinwahl gesucht und sind fündig geworden, auch wenn das Angebot
letztlich kleiner war als von uns vorher angenommen wurde.

Die erste Station unserer kleinen Online-Tour ist der SFB. Infratest hat in
dieser Woche herausgefunden, daß 17% der Berliner Wählerinnen und Wähler noch
zögern, wenn es um ihre Stimmabgabe geht. Der Berliner Fernsehsender hat das
Problem offensichtlich erkannt und will mit einem Wahltest
bei der Entscheidung helfen. Auf der Website werden den wankelmütigen Usern
in einem virtuellen Fragebogen die Argumente und Standpunkte der Parteien im
Multiple-Choice-Verfahren angeboten, ohne daß eine Parteizugehörigkeit zu erkennen
ist. Ein sehr lehrreicher und erhellender Test, wird doch so mancher heimliche
SPD-Sympathisant feststellen, daß er eigentlich die Argumente der PDS am überzeugendsten
gefunden hat.

Die Startseite des Politikforums

Verwirrt, wie er darüber sein dürfte, will er sein Problem vielleicht anschließend
in einem der vielen politischen Online-Foren zur Diskussion stellen. Auf der
ZDF-Homepage
findet sich hierfür ein sehr gut besuchtes und aktuelles Podium. Zu empfehlen
ist auch das Politikforum,
das sich als unabhängige Plattform für politische Informationen versteht. Unter
den vielen thematisch aufgeteilten Foren befindet sich auch eines über Parteien
und Wahlen, in dem interessierte Mitglieder z.B. über die Koalitionsfähigkeit
der PDS diskutieren.

Wem das nicht
aufregend genug ist, kann sich als Händler auf einer Internet-Wahlbörse
betätigen. Die vor einigen Jahren noch bestaunten virtuellen
Politbasare haben sich mittlerweile als zuverlässiges Mittel zur
Vorhersage von Wahlergebnissen etabliert. Der Erfolg der Methode beruht
auf dem Prinzip des rationalen Eigennutzes, der selbst glühende
Anhänger einer Partei dazu bringt, deren Anteile bei der Aussicht auf
Mißerfolg gnadenlos abzustoßen. Das Prinzip ist offensichtlich nicht
nur wirksam, es schützt zudem relativ sicher gegen den Mißbrauch durch
Werbestrategen. Ein Beispiel: Der Versuch einiger Sympathisanten der
Grünen, den Kurs der Partei vor der Bundestagswahl 1998 durch massive
Aktienkäufe in die Höhe zu treiben, scheiterte bald am gegenläufigen
Verhalten der anderen Teilnehmer.
Im Fall der Berlinwahl bieten sowohl der Stern
als auch Wahlstreet.de
die Möglichkeit, für einen realen Geldeinsatz von bis zu 100,-DM am politischen
Parkettgeschehen teilzunehmen und virtuelle Parteiaktien zu handeln. Die Börsen
werden pünktlich am 21. Oktober um 18 Uhr geschlossen und der Wert des jeweiligen
Depots wird ausgezahlt. Angesichts der Einstiegssumme nicht unbedingt eine Chance,
reich zu werden, aber das ist ja auch nicht Sinn der Sache.


Das Raumschiff "Spreeathen"

Vom harten Börsenalltag gestresst, kann sich der erschöpfte Wähler etwas erholen,
indem er z.B. die Seiten von Fritz-Radio
besucht. Der ORB-Jugendsender hat ein Hörspiel ins Netz gestellt, in dem die
Bürgermeisterkandidaten im "Raumschiff Spreeathen" in den unendlichen Weiten
des Berliner Politweltraums umherfliegen. Neben Käpten Gutso und Commander Stoffel
spielen die Kommandanten Klecker und Rex sowie ein gewisser Herr Miesy mit.
Die Sache ist als Forsetzungsreihe angelegt, es gibt ein Archiv der vergangenen
Episoden.

Wer jetzt hinsichtlich seiner Wahlsympathien immer noch unschlüssig ist, kann
schließlich als letzten Ausweg die Sterne befragen. Die Hobby-Astrologin Verena
Mahrhofer hat auf ihrer Website Horoskope
für die drei Hauptkandidaten Wowereit, Steffel und Gysi erstellt. Die Konstellation
für einen Rot-Roten Senat ist ihrer Meinung nach im übrigen günstig. Wir
werden sehen.