Kräftiger Rückenwind für die siegreichen Republikaner und Präsident Bush. War das eine „Kriegswahl“? Der Präsident hat jetzt das Vetrauen bekommen, das für ihn zählt: das des amerikanischen Volkes. Im Unterschied zur solcher Brisanz zeichnete sich das Webcampaigning eher durch Einfallslosigkeit aus. Aber die Masse und Kasse stimmte im Netz.

Eine „republikanische Brise“ fühlte Senator John McCain am frühen Wahlabend wehen, als die Stimmen noch nicht ganz ausgezählt waren. Die Brise entwickelte sich in den Folgestunden zu einem kräftigen Rückenwind für die siegreichen Republikaner und zu einem scharfen Gegenwind für die Demokraten, die sich in den nächsten zwei Jahren damit abfinden müssen, sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus in der Minderheit zu sein.

Mehrheit im Senat und Repräsentatenhaus

Die Konservativen haben sich nach den Kongresswahlen eine solide Regierungsbasis für die Zeit bis zur nächsten Präsidentschaftswahl gesichert: Im Senat gewannen sie die im Juni 2001 verlorene Mehrheit zurück (damals war der Senator von Vermont, James M. Jeffords, aus der republikanischen Partei ausgetreten und hatte mit den Demokraten gestimmt), im Repräsentantenhaus erweiterten sie die Zahl ihrer Mandate von 222 auf 225. Erstmals seit fünfzig Jahren werden daher das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses von der Grand Old Party dominiert – ein Sieg auf der ganzen Linie für die Partei des US-Präsidenten Bush. Und nicht nur das: Die Konservativen haben mit ihrem Erfolg auch eine historische Zwangsläufigkeit durchbrochen, nach der die regierende Partei bei den Zwischenwahlen traditionell an Stimmen verliert. Sie haben nicht nur in wichtigen Rennen um Senatorenposten von North Carolina bis New Hampshire gepunktet, sondern auch Gouverneurswahlen in traditionell demokratisch regierten Staaten gewinnen können.

Abstimmung über den Präsidenten

Vater des Erfolges ist Präsident Bush höchstselbst. Denn nur oberflächlich ging es bei den diesjährigen Kongresswahlen um Senatorenposten und Sitze im Repräsentantenhaus. Vielmehr waren die Wahlen eine Abstimmung über den Präsidenten und seine Politik. War George Bush 2000 noch höchst ruhmlos per Gerichtsentscheid in das höchste Amt der Vereinigten Staaten befördert worden, hatte er nach dem elften September die Gunst der Stunde konsequent genutzt um sich als entschlossener Kämpfer gegen den Terrorismus zu profilieren, der im Namen der gesamtem amerikanischen Nation handelt. Nur so ist es zu erklären, dass der Präsident trotz diverser Finanzskandale und schwächelnder Wirtschaft weiterhin hohe Zustimmungsraten zu verzeichnen hat.

Diese Popularität hat Bush im Kongresswahlkampf in die Waagschale geworfen. In einer stark personalisierten Kampagne hat er sein eigenes politisches Kapital riskiert, um Wackelkandidaten aus seiner Partei in ihrem jeweiligen Staat den Rücken zu stärken. Als ob es um seine eigene Wiederwahl ginge, hat Bush mehr als 150 Millionen Dollar an Spendengeldern eingesammelt und war in der letzten Woche zu einem Wahlkampfmarathon durch 15 Staaten aufgebrochen, um unentschlossene Wähler für die Republikaner zu gewinnen. Diese Mühen sind belohnt worden: Ab Januar kann der Präsident nun mit der Unterstützung beider Parlamentskammern regieren und seine eigene Wiederwahl 2004 in Angriff nehmen. Nun, da der Vorsitz in allen Senatsausschüssen wieder an die Republikaner fällt, können diese endlich wichtige Punkte ihrer innenpolitischen Agenda, wie z.B. Steuersenkungen, Verschärfung der Gesetze zur inneren Sicherheit und die Reform des Gesundheitssystems realisieren.

Fehler der Demokraten

Neben einer geschickten Kampagnenführung spielte den Republikanern zusätzlich die Ideen- und Konzeptlosigkeit der Demokraten in die Hände. Diese hatten es nach dem elften September besonders schwer, sich mit einer eigenen politischen Agenda zu profilieren. Jegliche Kritik an der Politik des Präsidenten wurden als Landesverrat abgestempelt, was es den Demokraten schwer machte, innenpolitischen Widerstand gegen den Irak-Krieg zu mobilisieren. Daher schafften sie es nicht, angesichts der alles überlagernden Irakdebatte aus den innenpolitischen Schwächen der Bush-Regierung Kapital zu schlagen – viel zu spät thematisierten sie beispielsweise die Wirtschaftspolitik im Wahlkampf und wirkten auch sonst saft- und kraftlos.

Masse und K(l)asse im Webcampaigning

Beiden Parteien gemeinsam war im diesjährigen Kongresswahlkampf eine gewisse Einfallslosigkeit im Bereich des Webcampaigning. Eine soeben erschienene Studie von
PoliticsOnline bestätigt, dass es zwar kaum Innovationen gab, das Netz dafür aber breiter und effektiver für Wahlkampfzwecke eingesetzt wurde: So sei die Zahl derjenigen Kandidaten, die über eine eigene Homepage verfügen, im Vergleich zum Jahr 2000 um zehn Prozent auf siebzig Prozent gestiegen. Außerdem werde immer extensiver von der Möglichkeit des Online-Spendensammelns Gebrauch gemacht – ersten Schätzungen zufolge habe sich die Zahl der im diesjährigen Wahlkampf eingesammelten Dollars im Vergleich zu 2000 verdoppelt. Ebenfalls etabliert hat sich das Versenden von Emails als kostengünstige und flächendeckende Kommunikationsform. Alles in allem, so die Autoren der Studie, sei das Internet zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Wahlkampfführung geworden, welches bei den Präsidentschaftswahlen im Jahre 2004 erst seine volle Wirkung entfalten werde. So wird prophezeit, dass sich durch das Inkrafttreten des sogenannten McCain Feingold Gesetzes, welches die Kampagnenfinanzierung reformiert, die Ausgaben für das Webcampaigning um 300 bis 500 Prozent erhöhen werden. Mindestens. Außerdem wird mit der Reform der Kampagnenfinanzierung eine Regel abgeschafft, wonach amtierende Senatoren sechzig Tage vor der Wahl ihre offiziellen Webseiten nicht mehr aktualisieren dürfen. Damit wollte der Kongress ursprünglich einen vom Steuerzahler finanzierten Wahlkampf auf Regierungsseiten verhindern, was im Endeffekt jedoch zu der absurden Situation führte, dass die Webseiten der amtierenden Senatoren veraltet wirkten, die der Herausforderer jedoch jederzeit auf dem neuesten Stand waren.

Erschienen am 07.11.2002