politik-digital sprach mit Ludwig Späth, leitender Ministerialrat beim
Bayerischen Obersten Rechnungshof über den Einsatz von Open Source Software in der öffentlichen Verwaltung.

politik-digital: Was hat bei Ihnen ganz persönlich das Interesse an Freier Software und Open Source geweckt?

Ludwig Späth: Der Hauptgrund war die neue Lizenzpolitik der Firma
Microsoft, die erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Informationstechnologie des Freistaats Bayern hat. Außerdem haben unsere Prüfungserfahrungen gezeigt, dass in bestimmten Bereichen, zum Beispiel in der Vermessungsverwaltung oder bei Universitäten, Open-Source-Produkte bereits erfolgreich eingesetzt wurden.

politik-digital: Welche Kostenvorteile und Einsparpotentiale sehen Sie bei der Einführung von Open-Source-Software (OSS) in öffentlichen Verwaltungen gegenüber bestehenden Windows-Infrastrukturen?

Ludwig Späth: Ein Kostenvergleich der möglichen Lösungen bei Einführung von Open-Source-Software wie beispielsweise Linux, SuSE eMail und StarOffice oder die

Umstellung der bestehenden Infrastruktur auf Windows XP und Exchange 2000 zeigt in unserer Behörde folgendes Bild:

Die Distribution SuSE Linux 8.0 Professional ist für 79,90 Euro beschafft und kann auf beliebig vielen Clients installiert werden. Das Büropaket

StarOffice 6.0 wird nach Auskunft der Firma Sun für 300 Clients etwa jeweils 60 Euro kosten, insgesamt also etwa 18 000 Euro. Das Produkt SuSE eMail

Server III kostet einmalig etwa 5 000 Euro. Zusammen beträgt der Kaufpreis rund 23 000 Euro.

Microsoft stellt gegenwärtig mit einem “Enterprise Agreement” ein neues Lizenzmodell für den Freistaat Bayern vor. Demnach würden pro Microsoft-Client und Jahr Lizenzkosten in Höhe von etwa 208 Euro anfallen. Bei 300 Clients ergibt dies jährlich etwa 62 300 Euro. Hinzu kommen Lizenzkosten für Server-Produkte, insbesondere für den Mail-Server MS-Exchange von rund 2 900 Euro je Standort. Zusammen ergibt dies auf einen Zeitraum von fünf Jahren rund 335 000 Euro. Auch unter Einrechnung von Umstellungs- und Schulungsaufwänden erscheint damit eine Umstellung auf OSS-Produkte wirtschaftlicher zu sein, weil auch eine Migration auf MS-Windows XP einen nicht unerheblichen Umstellungsaufwand erfordert.

politik-digital: Können sie Beispiele aus Bayern nennen?

Ludwig Späth: Würde man dieses Ergebnis auf die im Freistaat Bayern Ende 1999 im Verwaltungsbereich eingesetzten rund 70 000 IT-Arbeitsplätze umrechnen, so ergäben sich bei den Lizenzkosten Einsparungen in Höhe von jährlich über 13 Mio Euro, wenn man davon ausgeht, dass für die Lizenz des Büropaketes

StarOffice bei der Firma Sun pro Client einmalige Kosten von rund 60 Euro anfallen würden und ein Abschreibungszeitraum von drei Jahren Jahren

zugrunde gelegt würde. Die Einsparungen wären noch wesentlich höher, wenn man die Server-Kosten mit einbeziehen und berücksichtigen würde, dass die

Zahl der Clients nach den Planungen auf über 110 000 im Verwaltungsbereich anwachsen. Bei einer zusätzlichen Einbeziehung der rd. 130 000 Schul-PCs

sowie der PCs im Hochschulbereich würde sich die erwähnten Einsparungen sogar weit mehr als verdoppeln.

politik-digital: Sehen Sie die großen Potentiale von OSS wie Linux eher im Serverbreich oder auch auf dem Desktop?

Ludwig Späth: Aufgrund der hohen Installationszahlen sind insbesondere im Client-Bereich große Einsparpotentiale enthalten. Derzeit wird in Pilotprojekten

untersucht, inwieweit OSS-Produkte im Client-Bereich eingesetzt werden können.

politik-digital: Stehen die Behörden bei einer großflächigen Einführung von OSS nicht vor massiven Schulungskosten und hohem Zeitaufwand, um Windows-gewöhnte

Mitarbeiter umzuschulen?

Ludwig Späth: Nicht nur die Einführung von OSS erfordert einen hohen Schulungsaufwand; auch bei einer großflächigen Umstellung auf Windows XP fallen erhebliche

Schulungskosten an. Deshalb kommt es darauf an, Versionswechsel nur im notwendigen Umfang durchzuführen. Die neue Lizenzpolitik von Microsoft ist

aber eher auf häufige Versionswechsel ausgerichtet. In der Vergangenheit wurden bei den regelmäßigen Versionswechseln von der Firma Microsoft u. a. auch die Dokumentenformate geändert. Wollte die Verwaltung weiterhin am Dokumentenaustausch ohne Probleme teilnehmen, war sie faktisch gezwungen,

auf die jeweils aktuellste Version umzustellen. Der Aufwand dafür ist höher als einmalig auf OSS-Produkte umzustellen und diese dann längerfristig zu

nutzen. Im übrigen entspricht die Öberfläche von OSS-Produkten weitgehend der Windowsoberfläche.


politik-digital: Sind ihnen Kolleginnen oder Kollegen bekannt, die sich ebenfalls intensiv mit dem Einsatz von OSS in der öffentlichen Verwaltung beschäftigen?

Ludwig Späth: Wie anfangs bereits erwähnt, befassen sich auch Kollegen in anderen Verwaltungen mit dem Einsatz von OSS. Im Serverbereich ist der Einsatz schon sehr viel weiter verbreitet.

politik-digital: Abschließend: Welche Perspektiven sehen Sie in der Zukunft für den breiten Einsatz von OSS in Behörden und Verwaltungen?

Ludwig Späth: Sicher wird OSS die Microsoft-Produkte nicht verdrängen; aber in vielen Bereichen eine ernstzunehmende Alternative darstellen. Knappe Haushaltsmittel, die Forderung nach mehr kontrollierbarer Sicherheit, das Wachstum sicherer, koexistenzfähiger OSS-Anwendungen verschiedenster Hersteller, die

Standardisierung offener Datenaustauschformate, wie zum Beispiel XML, werden dazu beitragen, dass OSS zunehmend auch in der öffentlichen Verwaltung

eingesetzt werden wird.