Sebastian Jobelius, Vorsitzender der Jusos in Nordrhein-Westfalen
und Stefan Lennardt, Pressesprecher der SPD in NRW im Gespräch
mit politik-digital zur Weboffensive "ab16.de".


politik-digital:
In dieser Zeit wird oft von den politisch desinteressierten
Jugendlichen geredet, denken Sie, dass Sie ausgerechnet
vor den Rechnern die politisch interessierten Jugendlichen
antreffen?

Sebastian Jobelius: Ich glaube nicht, daß Jugendliche per se politisch desinteressiert sind.
In Gegenteil: Viele fühlen sich für ihre Umwelt verantwortlich, sie denken
mit und haben eine Meinung. Was sie ablehnen sind die etablierten Formen
der Politik, die Fratzen im Fernsehen und die ewig gleichen Floskeln der
Politiker. Hier bietet das Internet eine Alternative, denn man muss sich
von niemandem vollquatschen lassen. Mit einem guten Angebot kann man daher
gerade im Netz interessierte Jugendliche erreichen.

Stefan Lennardt: Wir wissen aus Erfahrung, dass viele
Internet-User das Web für politische Information nutzen. Man kann ja
politische Infos nirgends so gut aufbereiten. Und: Wer auf unserer Site
landet, wollte schließlich dahin. Mit wirklich Desinteressierten kriegen wir
es also kaum zu tun.


politik-digital:
Glauben Sie, dass Jugendliche durch das Internet eher auf ihr neues
Recht aufmerksam werden als durch Zeitung und Fernsehen?

Sebastian Jobelius: Zeitung und Fernsehen informieren nur sehr verkürzt über das neue Wahlrecht
für 16jährige. Im Netz dagegen kann man sich in aller Ruhe mit dem neuen
Wahlrecht beschäftigen: wie geht das überhaupt, muß ich mich anmelden, was
wollen die überhaupt von mir ? Unsere Seiten gehen natürlich noch weiter.
Wir wollen zeigen, dass man etwas verändern kann und dass die Jusos was auf
die Beine kriegen. Schließlich haben wir auch mit das Wahlrecht 16
durchgesetzt.

Stefan Lennardt: Es gehört alles zusammen. Manche lesen wenig und sehen nur fern, andere
haben gar keinen Fernseher und stattdessen mit dem Web genug. Für die
meisten bietet das Internet in Sachen Politik wohl eher Zusatz-Infos. Aber
für uns ist das sehr attraktiv.


politik-digital:
Wie schätzen Sie allgemein das Engagement bei Jugendlichen ab 16
Jahren im politischen Bereich ein? Auch aufgrund Ihrer
persönlichen Erfahrungen bei den Jusos?

Sebastian Jobelius:Ich stelle fest, dass Jugendliche eigentlich an allen Ecken und Enden
engagiert und aktiv sind. Das Angebot ist ja auch riesig. Natürlich würde
ich mir oft wünschen, mehr Jugendliche wären bei den Jusos oder anderen
Jugendorganisationen aktiv, doch das ist nicht immer der Fall. Wenn ich das
Engagement der meisten Jugendlichen beschreiben sollte, würde ich sagen: es
muss Spaß machen, konkret sein und bloß nichts Bindendes mit sich bringen.
Das ist natürlich mit einer Jugendorganisation wie den Jusos nicht immer
vereinbar, aber wir arbeiten daran.


politik-digital:
Fordern Sie, dass auch auf Bundesebene ab 16 Jahren gewählt werden
kann?

Sebastian Jobelius: Ich setze mich für das Wahlrecht ab 16 auf Landes- und Bundesebene ein.
Hierfür kann ich kurz drei Gründe nennen: 1. Die Probleme unserer
Gesellschaft haben Ende der 90er Jahre in vollem Maße die Jugend erreicht.
Man nehme nur die Krise auf dem Ausbildungsmarkt. Jugendliche haben das
Recht zu sagen, wem sie am ehesten zutrauen derartige Probleme zu lösen.
Politiker würden die Probleme ernster nehmen, wenn sie auf die Stimmen der
16jährigen angewiesen sind. 2. Ich darf mit 16 meinen Beruf und meine
Religion wählen, ich bin straffähig, kann Kinder kriegen und heiraten. Die
Politik sollte sich hier nicht wichtiger nehmen als sie ist: wer das darf,
darf auch einen Abgeordneten mitwählen. 3. Viele sagen: 16jährige
interessieren sich noch nicht für Politik. Doch das ist eine vermessene
Position. Es geht ja darum, eine politische Entscheidung zu treffen. Und
dazu sind 16jährige sehr wohl in der Lage.

Stefan Lennardt: Das ist keine durchgängige Forderung in der SPD. Ist vielleicht auch ganz
gut, jetzt erstmal ein paar Erfahrungen zu machen. Privat fände ich auch ein
bundesweites Wahlrecht ab 16 absolut okay.


politik-digital:
Haben Sie schon feedback von den Jugendlichen bekommen? Wie ist
die Resonanz allgemein auf das Projekt?

Sebastian Jobelius: Das Feedback ist hervorragend. Wir hatten alleine in der ersten Woche über
20.000 Besuche auf unserer Site. Die Jusos machen mit www.ab16.de
Wahlkampf und stoßen dabei auf das Interesse vieler Jugendlicher. Das
ermutigt uns, auf diesem Weg weiterzumachen.

Stefan Lennardt: Die meisten Mails bekommen direkt die Jugendlichen, die auf unserer Site
vorgestellt werden. Die Nutzung war in der ersten Woche schon höher als auf
unserer klassischen "SPD-Site" – das hat uns gefreut und gewundert.


politik-digital:
Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Sebastian Jobelius und Stefan Lennardt führte Anne-Katrin Fischer.