Der Südwesten marschiert voran: Der Landesverband Baden-Württemberg veranstaltet vom 24.
November bis zum 3. Dezember den ersten virtuellen Parteitag der Bündnisgrünen, womöglich
den ersten dieser Art überhaupt. politik-digital sprach mit dem verantwortlichen
Projektleiter Marc Mausch über die Hintergründe.

 


politik-digital: Ist der virtuelle Parteitag der Grünen eine deutsche Premiere?

Marc Mausch: Meines Wissen nach ist das der erste virtuelle Parteitag weltweit.
Die Frage ist natürlich immer, was ist eine Premiere, für den virtuellen Parteitag gibt
es ja keine festgelegte Definition. Es gab kürzlich eine Meldung, in der jemand anderes
behauptete, den ersten virtuellen Parteitag durchzuführen, nämlich die CDU, die aber im
wesentlichen nichts anderes gemacht hat, als ein Diskussionsforum zu veranstalten, welches
nicht einmal öffentlich war. Nach dieser Definition veranstalten die Grünen schon seit vier
Jahren virtuelle Parteitage. Diesmal haben wir gewählte Delegierte, wir haben eine
Öffentlichkeit, wir haben eine Beschlussfassung, die rein elektronisch funktioniert –
ich glaube das kann man schon einen virtuellen Parteitag nennen.

politik-digital: Gab es Vorbilder bei der Konzeption?

Marc Mausch: Da muss man klar zwischen der elektronischen Komponente und den
demokratischen Inhalten einer solchen Veranstaltung unterscheiden: Die eigentliche Wahl,
die wir hier durchführen, ist ja nur eine Elektrifizierung der klassischen Demokratie.
Vorbilder sind in diesem Bereich die Versuche in Köln mit Wahlcomputern, Ideen kamen
auch vom Internetbanking her.
Bezüglich der inhaltlichen Ebene, also den Diskussionsforen und der Meinungsbildung kann
man den Bereich des Telelearnings als Vorbild zitieren. Die eigentliche Herausforderung
war, den virtuellen Universitätsbereich und die technischen Vorbilder auf die Demokratie
anzuwenden und hierfür gab es kein Vorbild

politik-digital: Die Grünen haben das Thema IT
in letzter Zeit verstärkt behandelt: wie sah die innerparteiliche Bereitschaft aus,
einen virtuellen Parteitag durchzuführen?

Marc Mausch: Die Grundstimmung war von Anfang an sehr positiv. Dann wurde das
Thema mit dem grünen-eignen Skeptizismus behandelt und auf die Sicherheit und auf die
tatsächlichen Partizipationselemente geprüft. Der Wille war aber in jedem Fall vorhanden.

politik-digital: Wie sieht es mit der Beteiligung aus?
In den offenen Foren kann ja jeder mithören, in den Diskussionsrunden können die
Delegierten mit Passwort teilnehmen. Glauben Sie, dass diese Angebote wahrgenommen werden?

Marc Mausch: Im Vorfeld haben viele auch nicht-Parteimitglieder gesagt, dass
sie auf jeden Fall mal reinschauen. Die Resonanz an der Basis war sehr positiv, die
Ortsverbände waren geradezu begeistert, jetzt auch mal mitreden zu können.

politik-digital: Sind denn bei den Grünen genügend
Mitglieder mit einem Internetanschluss ausgerüstet?

Marc Mausch: Die Computerdurchdringung ist bei den Grünen traditionell hoch.
Es gibt natürlich auch Ausnahmen. Für viele war das aber auch ein Anlass, sich jetzt
mit dem Medium auseinander zu setzten. Wir können allerdings nicht ganz ausschließen,
dass das ein oder andere Mitglied außen vor bleibt. Bei den Delegierten haben wir
vor allem darauf geachtet, dass sie sich für die Themen des Parteitags interessieren.
Bei denjenigen, wo die Infrastruktur nicht vorhanden ist, schlagen wir dann die Brücke
zur Technik: entweder es können Computer in den Kreisverbänden genutzt werden oder in
Ausnahmefällen auch Computer geleased werden.

politik-digital: Sie bringen also nicht nur den
Parteitag online sondern auch die Grünen ans Netz. Wie sieht es mit dem rechtlichen
Rahmen aus? Ist das System der Abstimmung wasserdicht?

Marc Mausch: Vom Sicherheitskonzept her haben wir eine ganz klare Trennung
zwischen dem kritischen und dem weniger kritischen Teil gemacht, das hat auch
finanzielle Gründe. Der kritische Teil ist derjenige, in dem die Abstimmung stattfindet.
Dieser Bereich ist sicher. Der Teil, in dem diskutiert wird, ist nur formal gesichert,
die Passwörter werden teilweise per email ausgegeben, die Verschlüsselung ist ziemlich
niedrig. Sollte hier jemand den Parteitag "knacken" dann ist das so, als ob das
Rednerpult gestürmt würde, also nicht richtig gefährlich. Wichtig ist: Wo die Position
festgeklopft wird, haben wir Software genommen, die in weiten Teilen identisch ist
mit den Sicherheitsmodulen, die es beim Internetbanking gibt. In diesem Bereich ist
es zum Beispiel aus Sicherheitsgründen den Kreisverbänden nicht möglich, die Delegierten
per email anzumelden. Also genau andersherum als früher: da wurde per email angemeldet
und dann zum Parteitag gereist, heute erfolgt die Anmeldung mit der Post und der
Parteitag findet im Netz statt. Die Sicherheitsstufe ist vergleichbar mit der von
Media@Komm, wir setzen aber keine Kartenlesegeräte ein, das wäre zu aufwendig. Auf
den Punkt gebracht: Das Sicherheitsniveau bewegt sich zwischen Media@Komm und
Internetbanking.

politik-digital: Wird mit dem Parteitag ein Exempel
statuiert? Werden die Grünen in Zukunft auch ihre Bundesparteitage ins Netz verlegen?

Marc Mausch: Wenn das so endet, wie es angefangen hat, dann wird es sicherlich
weitere virtuelle Parteitage geben. Wir werden dann die Satzung ändern müssen. Es ist
aber kein festgelegter Plan, zunächst wollen wir die Ergebnisse abwarten und sehen in
welcher Form diese Art Parteitage die herkömmlichen ergänzen kann. Der Entscheidungsstau
kann mit solchen Methoden verringert werden, mittelkritische Entscheidungen könnten
zeitsparend auf virtuellen Parteitagen getroffen werden. Die Tools können darüber hinaus
ja auch für Landes- oder Bundesarbeitsgemeinschaften angewandt werden.

politik-digital: Ist der Hintergrund Transparenz
und Partizipation oder soll viel mehr das Medium Internet stärker als grünes Thema
besetzt werden?

Marc Mausch: Es geht insgesamt darum, die Parteiarbeit effektiv zu formen.
Es gibt im wesentlichen drei Aspekte: einmal den medialen Effekt, zum zweiten
wird die Parteiarbeit effizienter, die Mitglieder können sich besser untereinander
abstimmen wenn sie die Medienkompetenz besitzen. Der dritte Punkt ist der politische
Aspekt. Internettechnik ist ja kein fachpolitisches Thema, sondern hat Auswirkungen
auf alle Bereiche. Der virtuelle Parteitag ist daher auch ein didaktisches Mittel,
damit unsere Parteimitglieder sich inhaltlich politisch mit dem Thema Internet
beschäftigen. Gemeinsam mit den diversen Veranstaltungen der letzen Wochen zur
Internettechnologie ergeben sich da Synergieeffekte. Die Partei hat einen Crashkurs
in Computertechnologie absolviert und kann nun bis in die Ortsverbände hinein aus
eigener Erfahrung heraus Politik über dieses Thema machen.

politik-digital: Ein Aspekt auf der Seite ist ja
das Ziel, die grüne Politik transparent zu machen.

Marc Mausch: Das ist auch eine wichtige Chance, die Transparenz von
politischen Abläufen gehört aber von je her zum Profil der Grünen. Von daher war
für uns die Nutzung der Technologie durch die Mitglieder der Hauptmotor. Die
elektronische Bürgerdemokratie wollen wir zunächst innerparteilich testen, bevor
wir sie im Parlament fordern.

politik-digital: Wird es diese Forderung konkret geben?

Marc Mausch: Wir befinden uns hier in der Phase der Meinungsfindung. Dieser
Parteitag ist auch mit ein Mittel, um das sachkundiger beurteilen zu können. Wir sind
ja auch selber Forschungsobjekt in diesem speziellen Fall. Wichtig ist, das wir eine
zeitliche Begrenzung haben und sich dadurch die Möglichkeit bietet, den Parteitag
wissenschaftlich zu betreuen und aufzubereiten.

politik-digital: Wie viele Leute kommen zu einem
normalen Parteitag?

Marc Mausch: 7000 Mitglieder haben rein theoretisch den Zugang. In der Regel
kommen bei "normalen" Parteitagen außer den Delegierten zwischen 20 und 100 Mitglieder.
Wir hoffen, dass es beim virtuellen Parteitag einige mehr sein werden.

politik-digital: Herr Mausch, wir bedanken uns
für das Gespräch.