(Artikel) Die Initiative D21 veröffentlicht in Zusammenarbeit mit tns infratest den (N)ONLINER Atlas 2006 – Eine Topographie des digitalen Grabens durch Deutschland. Welche neuen Erkenntnisse liefert diese Studie und welchen Einfluss wird sie auf die Digital-divide-Debatte haben?

 

Der Billig-Flug ist unerreichbar, weil er nur online buchbar ist.

Die tägliche Nachrichtendosis beschränkt sich auf die Tageszeitung.

Die Verabredung fürs Kino wird telefonisch gemacht.

Für 37,8 Mio. Deutsche über 14 Jahren ist dies unvorstellbar, denn sie sind online. Die Charakteristik des typischen Onliners und dessen Surf-Verhalten wurde mittlerweile hinlänglich erforscht (z.B. Studie der
Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.V.)

Doch was ist mit denen, die kein Internet nutzen? Der Offliner- das unbekannte Wesen?

Die
Initiative D21 hat in Zusammenarbeit mit
tns infratest bereits zum fünften Mal den
(N)ONLINER Atlas 2006 veröffentlicht. Die "Topographie des digitalen Grabens durch Deutschland" beruht auf der Basis von über 50.000 Telefoninterviews und ist damit die größte Studie zur Internetnutzung bzw. dessen Nichtnutzung in Deutschland. Die drei Typen Onliner, Offliner und Nutzungsplaner werden nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Einkommen, Bildungsgrad und Beschäftigung ausgewertet und nach Postleitzahl-Bereichen gegliedert dargestellt.

Frauen über 60

Demnach ist die Anzahl derjenigen, die das Internet nutzen, seit dem Vorjahr um drei Punkte auf mittlerweile 58 Prozent gestiegen. Im nächsten Jahr beabsichtigen sogar vier Millionen Deutsche, das Internet zu nutzen, also so genannte Nutzungsplaner.

Trotz des ungebremsten Anstiegs der momentanen und zukünftigen Onliner nutzen 23 Millionen Menschen über 14 Jahren in Deutschland noch immer kein Internet, das sind immerhin 36 Prozent. Um ein präziseres Bild von ihnen zu bekommen, nimmt der (N)ONLINER Atlas diese Gruppe genauer unter die Lupe. Kurz gesagt: Offliner sind im Schnitt 61 Jahre alte Frauen mit "Volkschulabschluss", Allein daran sieht man, wie alt sie sein müssen: Das Volksschul-Modell gibt es seit 1968 nicht mehr, wer damals acht Jahre Schulpflicht hinter sich gebracht hat, entspricht heute also am ehesten Hauptschulabgängern. Nur zum Vergleich: Der typische Onliner ist 40 und hat einen Hochschulabschluss oder mindestens Abitur – oder ist noch Schüler.

Auch die ökonomische Situation hat Einfluss auf das Nutzungsverhalten: Offliner haben weniger Geld als Onliner, drei Viertel von Ihnen sind nicht berufstätig, die meisten davon Rentner. Übrigens: Stolze elf Prozent der Rentner sind online!

Die Studie untersucht jedoch nicht nur sozio-ökonomische Faktoren, sondern zeigt auch, wo in Deutschland die Offliner leben, in welchen Regionen, ob in Metropolen oder im Kaff. Auffallend ist dabei, dass es bei diesem Thema kaum Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland gibt. In beiden Fällen beträgt der Anteil der Offliner etwa ein Fünftel der Bevölkerung ab 14 Jahren. Allerdings ist das Wachstum der Onliner-Gemeinde in Ostdeutschland mit 3,9 Prozent höher als in Westdeutschland (2,9 Prozent).

Und auch die Gemeindegröße hat gemäß der Studie keinen Einfluss auf das Nutzungsverhalten. Damit lässt sich die Annahme, dass in städtisch geprägten Regionen ein anderes Nutzungsverhalten als auf dem Land existiert, ins Reich der Legenden verweisen.

Die Studie beschränkt sich jedoch nicht darauf, die Einflussfaktoren auf das Nutzungsverhalten zu definieren, sondern sie bewertet auch deren unterschiedlich hohen Einfluss. Zusammengefasst steigt die Wahrscheinlichkeit, Offliner zu sein mit zunehmenden Alter, sinkender Schulbildung sowie sinkendem Einkommen.

Von digital divide und e-inclusion

Dies sind wiederum die Merkmale, die auch im Zuge der Diskussionen über die digitale Spaltung, etwa beim
UN Gipfel zur Informationsgesellschaft, genannt werden.

In einer Welt, in der das WorldWideWeb eine immer größere Rolle im täglichen Leben spielt, besteht die Gefahr, dass 23 Millionen Offliner in Deutschland den Anschluss an die digitale Welt verlieren. Allerdings muss dabei unterschieden werden zwischen denen, die bewusst auf das Internet verzichten, weil sie sich keinen Nutzen davon versprechen, und denen, die aus technischen oder finanziellen Gründen keinen Zugang finden.

Die damit zusammenhängende
digital-divide-Debatte ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite sind in den vergangenen zwölf Monaten in Deutschland zwei Millionen Menschen zu Onlinern geworden. Das bedeutet, dass die digitale Spaltung kein unumstößliches Gesetz ist, sondern dass die Anstrengungen der so genannten e-inclusion Früchte tragen können. Dazu können auch die Initiativen der
EU-Kommission und der
Bundesregierung aber auch die zahlreichen gesellschaftlich getragenen Projekte beitragen.

Nachdem der (N)ONLINER-Atlas die Merkmale eines typischen Offliners analysiert hat, müssen diese Kenntnisse genutzt werden, um den Offlinern weiterhin den Weg zum Onliner zu erleichtern. Dazu gehören laut Barbara Schwarze, Vorstand der Initiative D21, „nutzenorientierte Informationen, Anwendungsbeispiele und Lernangebote, ebenso wie öffentliche Internetzugangsorte und einfach zu nutzende Technologien.“