(Buchbesprechung) „Was wird aus dem Journalismus, wenn jeder im Internet Nachrichten sendet und empfängt?“ Diese Frage stellen sich neun Autoren im kürzlich erschienenen Buch „Die Zukunft des Journalismus“. Ihre vorläufigen und vorsichtigen Antworten sind wohltuend wissenschaftlich, findet Florian Steglich.

Der Band – kompakte 190 Seiten – will zum Nach- und Weiterdenken anregen. Er behandelt seinen Gegenstand nicht abschließend; und könnte dies auch nicht. Zu wenig erforscht sind Auswirkungen und Gegenstrategien, zu sehr in Bewegung die neuen Kommunikationsräume des „Web 2.0″, die häufig als größte Gefahr für den „traditionellen” Journalismus gesehen werden.
Und so bleiben die Beiträge des Buches bewusst offen und versuchen nicht, Antworten zu geben, wo noch keine möglich sind. In einem einleitenden Aufsatz fordert Jan Ekecrantz, Soziologe an der Universität Stockholm, eine Analyse der politischen, sozioökonomischen und kulturellen Kontexte, in denen Medien und Technologien genutzt werden. Das sei für die Vorhersage der Zukunft dienlicher als die unkonkreten Trendbegriffe wie Globalisierung oder Visualisierung. Harald Rau, Herausgeber des Bandes, betont im Anschluss, dass die Buchstaben WAP bei aller Multimedialität und sich ändernden Anforderungen auch zukünftig Kennzeichen der journalistischen Arbeit bleiben werden. Er meint damit nicht den Internetzugang übers Handy, sondern die journalistischen Basistätigkeiten „Wahrnehmen, Auswählen und Präsentieren”.
Blogs und Leserbeteiligung aus sachlicher Perspektive
Christoph Neuberger von der Universität Münster schlägt in seinem Beitrag ein paar Schneisen in den Dschungel der „Nutzerbeteiligung im Online-Journalismus”, der Abstimmungstools auf den Webseiten von Tageszeitungen ebenso einschließt wie schreibende Jugendliche bei jetzt.de. Dem Projekt „Opinio” der Rheinischen Post widmet er eine Fallstudie. Neubergers Sicht auf diesen Mitmach-Journalismus bleibt dabei ebenso wohltuend analytisch wie der sich anschließende Beitrag von Martin Welker (Universität Leipzig) über Weblogs und Journalismus. Welker zeigt, in welchem Maße Journalisten bereits heute Blogs als „publizistisches Tool” und „Recherchetool” nutzen. Es wird deutlich, dass es schlichte, aber wissenschaftlich vorsichtige Formulierungen wie „zum überwiegenden Teil” sein können, die diese Texte von manchen journalistischen Beiträgen der jüngeren Zeit trennen, die sich beinahe agressiv gegen die „Kakophonie” des Web 2.0 oder der Blogosphäre richten.
Ein weiteres Kapitel des Bandes – „Blogging: Format für einen interaktiven Online-Journalismus?” – überrascht mit einer gut gemeinten Darstellungsform, die jedoch gründlich scheitert. Gewählt wurde ein Dialog zwischen zwei offenbar eher jüngeren Personen, „Edith” und „Fritz”, die sich über Weblogs und deren Potenzial austauschen. Diese Form wird spätestens dann absurd, als „Edith” die Ergebnisse der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation auswendig aufsagen kann oder Sätze mit Klammern spricht. Ein weniger origineller Aufsatz wäre dem an sich guten Überblick über das Verhältnis von Blogs und Journalismus angemessener gewesen.
Journalistische Standards – nur wo?
Christoph Fasel widmet sich in seinem Beitrag der Zukunft der Zeitschrift und nennt fünf Gründe, warum Magazine auch in 30 Jahren noch einen festen Platz im Medienset haben werden. Dabei betont er unter anderem die Stärke der Marke – ein Mantra, das man seit längerem aus allen Verlagshäusern kennt. Fasel vertraut auf die journalistischen Standards, die „das Internet” als nicht-journalistisches Medium nicht einhalte. Dort mische sich alles – „Gerüchte, Klatsch, Kolportage, Propaganda, Werbung, Fakes und Karikatur” – im „Rührteig des Netzes”. Der nachfolgende Beitrag von Sebastian Köhler (Universität Leipzig) wirkt da wie eine unfreiwillige Gegenrede – behandelt er doch unter dem Titel „Kriegs-Geschichten” vor allem die Schwächen aktueller Kriegs- und Krisenberichterstattung: Die „Presselenkung” genannte Manipulation der Journalisten durch die Kriegsparteien, intransparente, tendenziöse und auf „Story” gebrachte Informationsvermittlung; ein nicht wohlschmeckenderer Rührteig.
Lars Rosumek betrachtet schließlich das Zusammenspiel von Public Relations und Journalismus und prophezeit, dass die „Schlachten der Vergangenheit”, die um gegenseitige Abhängigkeit geführt wurden, in den Hintergrund treten werden – auch bedingt durch eine klarere Rollentrennung und Konzentration auf die ureigenen Aufgaben.
Und das ist wohl die Gemeinsamkeit aller Beiträge: Die Autoren sind sich einig, dass der professionelle Journalismus eine Zukunft hat, die in seiner Vergangenheit liegt; in der Rückbesinnung auf journalistische Tugenden und Standards, die in einer verschmelzenden, unübersichtlichen Medienwelt nicht überflüssiger, sondern gefragter als zuvor sein werden.