Das Polittheater in der Internet-Enquete geht weiter. Der Zwischenbericht zum Datenschutz wurde abermals verschoben, beim Thema Netzneutralität gab es ein Patt. Es drängt sich die Frage auf, ob solch ein Gremium überhaupt noch zeitgemäß ist.

(13. Sitzung der Internet-Enquete)

 

Vor allem das politische Gezerre und Taktieren haben die bisherige Arbeit der Internet-Enquete stark verzögert und den 18. Sachverständigen, den Bürger, in punkto Mitwirkung eingebremst. Zumal völlig in den Sternen steht, ob die im Endbericht stehenden Handlungsempfehlungen überhaupt politisch umgesetzt werden, worauf Kommissionsmitglied Markus Beckedahl von netzpolitik.org in einem Interview kurz vor der heutigen Sitzung des Gremiums zu Recht verwies. Dennoch gingen abermals die taktischen Spielchen und politischen Querelen weiter.

So fragte sich das Enquete-Mitglied Lars Klingbeil (SPD) im Laufe der Sitzung treffend via Twitter, ob es denn schon eine Aktion #occupyenquete gäbe. politik-digital.de gegenüber sagte er, dass es leider zunächst wieder so losging, wie es vor der Sommerpause aufgehört hatte: „Mit der Aufkündigung von Absprachen durch die Regierungskoalition.“ Die bereits mehrmals verschobene Abstimmung über die ausstehenden Zwischenberichte endete schließlich am Abend mit einem Unentschieden von 17:17 Stimmen bezüglich der Befürwortung von Handlungsempfehlungen wie einer gesetzlichen Festschreibung von Netzneutralität. Zugleich wurde aber auch ein Alternativtext seitens der Koalitionsmehrheit abgeschmettert – und zwar nur, weil das von der FDP berufene Enquete-Mitglied padeluun seinem Gewissen folgend und nicht nach Parteidisziplin abstimmte.

Das führte am Ende dazu, dass sich keine Seite mit ihren Forderungen durchsetzen konnte. Die Abstimmung über den Bericht der Projektgruppe Datenschutz wurde dagegen erneut verschoben. Wieder einmal spielte sich ein blamables politisches Schauspiel insbesondere auf Seiten der Koalitionsmehrheit ab. Das zeigte sich gleich zu Beginn, als über die Vergabe neuer Gutachten entschieden worden war:

  • Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und weiteren Sachverständigen
    Vergütungsmodelle und ihre Auswirkungen auf die
    wirtschaftliche Situation von Urheberinnen und Urhebern“
    sowie „Netzneutralität und Beschäftigung“

Die Koalitionsmehrheit machte zum Entsetzen der Kommissionsmitglieder der Opposition von Anfang an deutlich, dass sie die Gutachten zu Netzneutralität und Urheberrecht nicht in Auftrag geben möchte und setzte dies mit 17:16 Stimmen durch. Zugleich zeigten sich die Vertreter der Regierungskoalition grundsätzlich offen für andere Gutachten, blieben jedoch eigene Vorschläge schuldig. Manuel Höferlin (FDP) gab den einheitlichen Tenor von CDU und FDP zu Protokoll, dass nämlich die Internet-Enquete nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung habe und man sehen müsse, ob die Steuergelder nicht sinnvoller eingesetzt werden sollten – zumal die Gutachten aus Zeitgründen nicht mehr angemessen in die Arbeit der Enquete einfließen könnten.

Jens Koeppen (CDU) wiederum bekannte, dass ihm die eingereichten Exposés für die Gutachten inhaltlich nicht gefielen. Die Politikwissenschaftlerin Dr. Jeanette Hofmann zeigte sich über die Entscheidung bestürzt und sah auch ihre eigene Arbeit in der von ihr betreuten Projektgruppe Urheberrecht nicht gewürdigt. Und Halina Wawzyniak (Linkspartei) äußerte politik-digital.de gegenüber, dass sich die Internet-Enquete mit der unglaublich langen Debatte über die Umsetzung des schon im Juli gefassten Beschlusses über die Vergabe von wissenschaftlichen Gutachten selbst lächerlich mache: „Der Koalition geht es also offenbar nicht um einen thematischen Informationsgewinn, sondern allein um ihr genehme Politik. Damit trägt die Koalition massiv zur Politik- und Politikerverdrossenheit in der Bevölkerung bei.“ Wie in den vergangenen Sitzungen hätten CDU und FDP auch diesmal mit Geschäftsordnungs-Tricks und Verfahrensdebatten die Arbeit der Enquete-Kommission gelähmt.

Aus Sicht von Lars Klingbeil sind die „Gutachten zur Netzneutralität und zum Urheberrecht, die einstimmig beschlossen wurden, kassiert worden, weil der Koalition die Gutachter nicht passen und sie offenbar Angst vor den Ergebnissen hatte.“ Auf die Frage, ob aus den Erfahrungen der bisherigen Enquete-Arbeit Schlussfolgerungen und Lehren gezogen wurden, um die Zusammenarbeit zu optimieren, erwiderte Klingbeil gegenüber politik-digital.de: „Nach der heutigen Sitzung muss man das mit einem Nein beantworten, weil immer noch Scheindebatten und gegenseitige Vorwürfe die inhaltlich wichtige Arbeit überlagern. Erfreulich ist, dass die Regierungsposition zur Netzneutralität keine Mehrheit in der Kommission gefunden hat.“

Peter Tauber (CDU) forderte, die Erwartungshaltung an die Internet-Enquete etwas herunterzuschrauben und stellte selbstkritisch fest: „Teilweise leisten wir aber auch nicht unbedingt einen Beitrag durch die Art der Debatte.“ Er habe sich die meiste Zeit in der Projektgruppe Netzneutralität eingebracht und diese geleitet. Diese Arbeit sei nun mit dem Abschlussbericht und den damit verbundenen Handlungsempfehlungen bzw. Sondervoten abgeschlossen worden. Nun freue er sich vor allem auf die Arbeit in der Projektgruppe Demokratie und Staat, in der er als normales Mitglied weiterarbeite, da es dort bereits jetzt eine rege Aktivität auf der Beteiligungsplattform Adhocracy und viele spannende inhaltliche Diskussionen gebe.

Fazit

Insbesondere im ersten Teil der Sitzung verstrickte sich die Kommission erneut in Verfahrensfragen – auf Kosten inhaltlicher Debatten. Und es drängt sich immer mehr die Frage auf, ob derlei Gremien und ihr bürokratischer Proporz überhaupt noch zeitgemäß und mit dem digitalen Zeitalter vereinbar sind. Eine ergebnisoffene und zielführende inhaltliche Debatte kam wieder einmal nicht zustande. Das mag in den Projektgruppen selbst zwar anders aussehen, da dort laut überwiegenden Aussagen der Enquete-Mitglieder zumeist sachlich und konstruktiv debattiert wird. Letztlich fallen die Beschlüsse jedoch in den Enquete-Sitzungen – dort wurde die Arbeit des Gremiums nicht nur deutlich ausgebremst, sondern teilweise auch ad absurdum geführt. Dass viele Bürger solcher Politik überdrüssig sind, zeigte sich nicht zuletzt beim Einzug der Piratenpartei ins Berliner Abgeordnetenhaus, wo sie für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung kämpfen will. Ein politisches Trauerspiel wie heute wird den Anliegen der Piraten weiteren Aufwind geben und die Politikverdrossenheit der Bürger nur weiter erhöhen.

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