dieses plakat ist in deinem land_bearbAnfang Mai hat die EU-Kommission ihre 16 Initiativen für die Schaffung eines europäischen digitalen Binnenmarktes vorgestellt. Dabei will sie das Urheberrecht vereinheitlichen und auch das von EU-Vizepräsident Andrus Ansip scharf kritisierte Geoblocking soll endlich reformiert werden. Es klingt alles sehr ambitioniert, doch die hehren Ziele werden wahrscheinlich vorerst nur schöne Träume bleiben.

Wir fühlen uns oft, als leben wir in einer zunehmend kleineren Welt. Dank billiger Flüge können wir jeden noch so weitentfernten Winkel bereisen und Orte entdecken, von denen unsere Urgroßeltern nicht einmal geträumt haben. Trotzdem sind wir dank Skype und Facebook immer mit der Heimat und Freunden im Kontakt. Über Nachrichtenseiten und soziale Medien wissen wir in Sekundenschnelle über Ereignisse auf der anderen Seite des Globus Bescheid, drücken bei Katastrophen unsere Anteilnahme aus und können Hilfe und Unterstützung organisieren. Wir gucken Serien im Original, weil wir keine Lust haben auf die deutsche Ausstrahlung in einem Jahr zu warten und auf den Geschmack der Originaltonspuren gekommen sind. Die früher exklusiv linear verfügbaren Inhalte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erreichen über die Mediatheken, zumindest für sieben Tage, neue Zielgruppen und finden eine größere Verbreitung als es das gute, alte Fernsehen heute noch ermöglichen kann. Und nicht zuletzt hat der Aufstieg von YouTube den Untergang des Musikfernsehens wie es die Neunziger Jahre geprägt hat, entscheidend beschleunigt. Das alles trifft zu. Bis man auf diese kleine, fiese Botschaft trifft, die einen unvermittelt zurück in die Realität holt: „Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar“.

Filme, Musik, Sportübertragungen oder gleich ganze Services werden innerhalb der EU durch Anbieter geblockt. Ein Grund hierfür ist der Verkauf von Ausstrahlungslizenzen in jedem einzelnen Mitgliedsland, zum Beispiel für die Ausstrahlung von Sportereignissen wie der Champions League oder den Olympischen Spielen. Im Fall von YouTube liegen der regionalen Blockade von Inhalten zumeist Streitigkeiten über die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken, vor allem Musik, zugrunde.

Ein kleines bisschen Reform wagen

Als der für den digitalen Binnenmarkt zuständige EU-Vizepräsident Andrus Ansip Ende März verkündete, er hasse Geoblocking und werde sich für eine Abschaffung innerhalb der EU einsetzen, hofften viele genervte Nutzer, die neue Digitalstrategie würde sich endlich diesem Problem annehmen und gegen die Ländersperren vorgehen. Tatsächlich sehen die Anfang Mai vorgestellten Maßnahmen für den digitalen Binnenmarkt vor, den Abbau von „ungerechtfertigtem Geoblocking“ voranzutreiben und noch bis zum ersten Halbjahr 2016 hierfür geeignete Vorschläge vorzustellen. Die Ausführungen zum Geoblocking in dem Papier beziehen sich allerdings ausschließlich auf den Onlinehandel, der in ganz Europa harmonisiert und kundenfreundlicher gestaltet werden soll. Eine Umleitung auf womöglich teurere Online-Shops und –Angebote eines Händlers im eigenen Land soll es dann nicht mehr geben. Den Abbau von Ländersperren für geschützte Inhalte will die Kommission durch eine europaweite Harmonisierung der Urheberrechtssysteme ermöglichen. Dadurch soll die Portabilität bereits erworbener Inhalte innerhalb der EU ermöglicht werden. Dann könnten deutsche Touristen beispielsweise auch im Urlaub ihren Netflix- oder Amazon Prime-Zugang innerhalb des EU-Auslands nutzen. Vorschläge für eine Richtlinie sollen noch vor Ende 2015 vorgelegt werden. Zunächst wird die EU-Kommission allerdings nur die Sperren für bezahlte Inhalte angehen, öffentlich- und werbefinanzierte Werke werden wohl zumindest vorerst weiterhin geblockt. Zwar erkennt die Kommission in der Strategie an, dass die Territorialität der Urheberrechts in Europa dem sich wandelnden Konsumverhalten der Bürger nicht mehr gerecht wird, konkrete Maßnahmen für die Schaffung eines europäischen Urheberrechts macht sie bislang aber nicht. Die Einführung eines europäischen Urheberrechtstitels, wie ihn die Europaabgeordnete Julia Reda in ihrem Bericht vorgeschlagen hat, könnte ein entscheidender Schritt zu einem gemeinsamen europäischen Binnenmarkt sein. Auf diesem Wege wäre ein Interessenausgleich zwischen den Urhebern, die ihre Werke dann einheitlich unter europäischem Urheberrecht schützen könnten, und den Nutzern, die von einem grenzüberschreitenden Angebot profitieren, möglich. Die Kommission wagt sich aber offenbar nicht an ein derart großes Projekt heran und schafft zunächst nur geringe Erleichterungen für Europareisende.

Ja, nein, vielleicht

Ländersperren werden von ihren Verfechtern, wie dem deutschen EU-Digitalkommissar Günther Oettinger, häufig als Schutz der kulturellen Vielfalt in Europa und für kleine Nischenproduktionen im audiovisuellen Bereich verteidigt. Dabei hilft es vor allem den Verwertern englischsprachiger Großproduktionen, ihre Inhalte von Land zu Land zu lizenzieren, solange es kein einheitliches System in Europa gibt. Produktionen in wenig verbreiteten Landessprachen bleiben so auch für interessierte EU-Bürger aus anderen Ländern unzugänglich. Vor allem für linguistische Minderheiten schränkt sich der legale Zugang zu Programmen in der Muttersprache so stark ein. Oettinger hat bereits angekündigt, dass er Ausnahmen für die Filmindustrie bei einer Einschränkung des Geoblockings sehr offen gegenübersteht und eine Abschaffung des Territorialprinzips bei der Rechtevergabe nicht geplant sei. Ein bemerkenswerter Sinneswandel: Noch Anfang des Jahres fand der Digitalkommissar Ländersperren sinnlos und forderte eine Urheberrechtsreform, um im Zeitalter der digitalen Revolution mitzuhalten.

Viel ist von der europäischen Digitalstrategie bei der Schaffung eines echten digitalen Binnenmarktes nicht zu erwarten. Bislang liegen noch keine konkreten Umsetzungsvorschläge vor, aber die Lobbygruppen vor allem aus der Filmverwertungsindustrie sind bereits von den spärlichen Ideen aufgeschreckt. Die Botschaft „Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar“ wird also auch innerhalb Europas nicht so schnell verschwinden. Dafür sind die Interessen von Verwertern und Produzenten nach wie vor zu stark im Vergleich zu einer weniger lauten Gruppe von Nutzern, die freien Zugang zu Inhalten in ganz Europa einfordern.

Bild: Pierre (CC BY-SA 2.0)

 

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