Modernisierungswillige öffentliche Verwaltungen können viel von effizient geführten Unternehmen lernen. Föderalismus und Beamtentum stellen keine Barrieren für Reformen dar. Aber auch von den europäischen Nachbarländern kann Deutschland sich in Sachen Verwaltungsmodernisierung einiges abgucken. Holger Bill, Direktor für Post und Public Services bei Accenture, beschreibt die Aussichten für den Verwaltungsstandort Deutschland.

Privatwirtschaft und öffentliche Verwaltungen – zwei Bereiche, die auf den ersten Blick nur wenig gemeinsam haben. Während es Wirtschaftsunternehmen vorwiegend darum geht, am Markt erfolgreich zu sein, besteht die Aufgabe der öffentlichen Verwaltung darin, einen ordnenden und strukturierenden Rahmen für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Handeln zu schaffen. Das Generieren von Einkommen ist hierbei – anders als in der Privatwirtschaft – kein primäres Ziel, sondern notwendige Voraussetzung um entsprechend agieren zu können.

Auch wenn die Zielsetzungen beider Bereiche unterschiedlich sind, so sind die Herausforderungen und auch die Ansätze zur Problemlösung doch durchaus ähnlicher Natur. Gemein ist dem privatwirtschaftlichen Bereich und der öffentlichen Verwaltung beispielsweise der zunehmende Wettbewerbsdruck. Das Auftreten neuer und erstarkender Konkurrenzunternehmen erfordert stetige Weiterentwicklungen und Verbesserungen auf Produkt- und Prozessebene. Zudem verschärft die rasante Entwicklung in einigen Ländern den internationalen Standortwettbewerb.

In der Privatwirtschaft gibt es bereits erprobte Strategien, wie auf diese Herausforderungen angemessen zu reagieren ist, die kontinuierlich weiterentwickelt werden. Welche Rahmenbedingungen aber muss ein Staat unter Verwaltungsgesichtspunkten schaffen, um seinen Bürgern und den ansässigen Unternehmen effiziente und hochwertige Leistungen anzubieten, ohne sie gleichzeitig finanziell über Gebühr zu belasten? Mehr noch: Wie lässt sich Verwaltung auf ein zielgerichtetes und effektives Maß beschränken?

An Wissen um die Leistungsfähigkeit betriebswirtschaftlich bewährter Konzepte mangelt es nicht. Lösungsansätze wie Leistungsvergleiche, dezentrale Ressourcenverantwortung, Doppik, Personalmanagement sowie eine stärkere Orientierung am Kunden, oder besser, am Bürger, werden auch in deutschen Verwaltungen diskutiert. Eine aktive und zügige Herangehensweise zur Umsetzung eines „New Public Management“ ist allerdings bislang kaum feststellbar. Zudem fehlt es an Mechanismen, die bisherigen Erfolge der – wenngleich zumeist nur bruchstückhaften – Verwaltungsreformen zu bewerten.

Im internationalen Vergleich bestätigt sich das alte Vorurteil: Deutschland gilt als „strukturkonservativer, vorsichtiger Modernisierer“. Sowohl im Bereich der Makro-Strukturen, wie etwa dem Grad der Nutzung alternativer Sourcing-Modelle, der Implementierung von strategischem Performance Management als auch in den Binnenstrukturbereichen Organisation, Management und Personal werden Reformen in vielen OECD-Ländern schneller und umfassender durchgeführt als hierzulande. Was machen fortschrittliche Länder anders? Ein Blick auf die Art und Weise, wie zentrale Modernisierungsaspekte in anderen Ländern angegangen werden, offenbart Denkbares und Mögliches.

Großbritannien zeigt sich beim Einsatz alternativer Sourcing-Modelle experimentierfreudig – und erfolgreich: Nach einer Schätzung des britischen Analysten Kabel werden dort in 2005/2006 Dienstleistungen im Wert von rund 79 Mrd. Euro von externen Anbietern im Auftrag der öffentlichen Verwaltung erbracht. Zum Vergleich: In Deutschland, so Schätzungen des Analysten PAC, beliefen sich die extern vergebenen Dienstleistungen im Jahr 2005 auf lediglich 866 Mio. Euro.

Die britischen Ambitionen gehen jedoch noch weiter: Mit einer Reihe von Reorganisationsmaßnahmen – etwa über die Einführung von Shared Service-Modellen im Rahmen von Kooperationen zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft in zentralen Bereichen des Regierungsapparates – sollen bis zum Jahr 2008 mehr als 30 Mrd. Euro eingespart werden.

Auf dem Gebiet der kennzahlenbasierten Messung von Verwaltungsleistungen (Performance Management) setzt die kanadische Regierung Maßstäbe. Bürgern und Parlament wird die vollständige Transparenz des Verwaltungshandelns dadurch geboten, dass Ministerien und Behörden auf Basis definierter Kennzahlen über ihre Fortschritte bei der Verbesserung des Kundenservice und bei der Kostenreduzierung berichten.

Von großer Bedeutung für die Leistungsfähigkeit einer Verwaltung sind Qualifikation und Motivation ihrer Mitarbeiter. In Kanada werden in regelmäßigen Abständen verwaltungsinterne Befragungen durchgeführt. Auf Basis der so erhobenen Informationen kann zielgerichtet auf die Erfordernisse und Anforderungen der Mitarbeiter, beispielsweise im Bereich interaktiver und webbasierter Lern- und Schulungsmethoden („Blended Learning“), eingegangen werden. Dies ermöglicht ein effizienteres Personalmanagement sowie deutliche Leistungssteigerungen auf Seiten der Mitarbeiter.

Trotz seiner traditionell stark zentralistischen Prägung und dem deutschen Verhältnissen sehr ähnlichen Komplexitätsgrad in Bezug auf seine Verwaltungsstrukturen, hat Frankreich mit beachtlicher Geschwindigkeit wesentliche Schritte zu einer tief greifenden Reform auf den Weg gebracht. Im Jahr 2003 wurde eine „dezentrale Organisation“ in Artikel 1 der Verfassung aufgenommen; das Gesetz über „lokale Freiheiten und Zuständigkeiten“ setzt zentrale Prinzipien und Anforderungen zur Realisierung der Dezentralisierungspläne um.

Bereits Ende der 90er-Jahre hat Schweden auf allen föderalen Ebenen weit reichende Änderungen im Finanz- und Performancemanagement vorgenommen. Die auf Bundesebene angesiedelte Institution Ekonomistyrningsverket (ESV) bündelt Funktionen, bei deren Umsetzung in Deutschland mehr als ein halbes Dutzend Institutionen involviert sind.

So unterschiedlich die hier skizzierten Ansätze auch sind – ihr Erfolg lässt sich auf die gleichen Erfolgsfaktoren für eine gelungene Verwaltungsmodernisierung zurückführen. Ausgangspunkt und Voraussetzung ist immer die genaue Kenntnis der Kosten einzelner Verwaltungsakte sowie eine darauf aufbauende Analyse der Finanzhaushalte. Erst die sich hieraus ergebenden verwaltungsspezifischen Kennzahlen ermöglichen ein strategisches Finanz- und Performancemanagement, in dem die Ziele der Verwaltungsreform für die Öffentlichkeit nachvollziehbar und messbar formuliert werden.

Diese und zahlreiche weitere Beispiele zeigen: Wenn es um eine konsequente Umsetzung von Verwaltungsreformen geht, stellen auch der bundesdeutsche Föderalismus oder das Beamtentum keine unüberwindbaren Hindernisse dar. Entscheidend für den Erfolg ist, Innovationen auf den Weg bringen zu wollen und deren Umsetzung kontinuierlich und zielstrebig voranzutreiben. Hier kann Deutschland viel lernen – sowohl von seinen Nachbarn als auch von seiner eigenen Wirtschaft.