Was für ein Jahr?! Ein Virus, ein unsichtbarer Krankheitserreger, hat die Welt in Atem gehalten und wird das auch im nächsten Jahr tun. Zugleich waren Neugier und die Notwendigkeit für digitale Themen angesagt wie selten zuvor. Dass 2020 ein außergewöhnliches Jahr war, können wir unstrittig behaupten. Was haben wir dabei gelernt? Ein digitaler Jahresrückblick.

Was ist Digitalisierung? - Die Entdeckung des Neulands

Kurz bevor Reisen nur noch digital erfolgten, machte sich Politik Digital noch ganz analog auf den Weg, das Neuland zu entdecken. Gemeinsam mit der Initiative D3 – so geht digital ging es auf Expedition durch das digitale Berlin. Unsere Mission lautete, Wege zu entdecken, Soziales und Digitales miteinander zu verbinden. Bei den vielen Stationen blieb vor allem eines hängen, wie es einmal die Datenwissenschaftlerin Hillary Manson zusammenfasste: „The job of data scientist is to ask the right question!” Präziser sind es drei Fragen: Was will ich wissen? Wer kann das lösen? Wie komme ich an die Daten? Das Jahr bot viele Antworten

Eine der prägendsten digitalen Erfahrungen für viele war sicherlich das Homeoffice. Plötzlich entstand eine neue Art des Arbeitens, von zu Hause und häufig selbstgesteuert. Natürlich dürfen die negativen Seiten, insbesondere Kinderbetreuung und Homeoffice als Doppelbelastung, nicht unerwähnt bleiben. Trotzdem könnten dies Vorboten von New Work sein. Darunter ist eine Abkehr von strikten und starren Prozessen und Denkweisen zu verstehen. Stattdessen sollen Innovationen und Flexibilität gefördert werden, hin zu mehr Neugier und Freiheit im Arbeitsleben. Ein geübter Umgang mit Technik ist auch in den eigenen vier Wänden
des Smarthome wichtig. Diese smarten Systeme können eine Einladung für Spysoftware sein. Dafür empfiehlt sich für alle, die digital unterwegs sind, regelmäßig die eigenen Fähigkeiten in Sachen digitale Selbstverteidigung zu trainieren und zu verbessern.

Digitalisierung neu (er)lernen

In den letzten Monaten wurde deutlich, wie sehr digitale Technologien unseren Alltag bestimmen. Besondere Prominenz erlangten die Debatten rund um die Corona-Warn-App als technische Lösung. Die rasante Entwicklung eines Impfstoffs gegen das neuartige Coronavirus zeigt die Dynamiken dieser Zeit. Allerdings betonte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken: “Die App muss gut eingebunden sein in ein gut funktionierendes und lernendes System Gesamtgesellschaft.”

Diese Herausforderung zeigte sich deutlich beim Thema Homeschooling. Während einige Schulen gut auf die Pandemiesituation vorbreitet waren, traf andere diese vollkommen unvorbereitet. Digitalisierung bietet die Möglichkeit, den Unterricht mit neuen, zeitgemäßen und kreativen Lernformen zu erweitern, statt bestehende Lernstrukturen einfach in den digitalen Raum zu übertragen. Dies beinhaltet auch, die digitale Teilhabe aller Beteiligten zu stärken. Dafür braucht es Mut und Erfindergeist. Vielleicht lassen sich manche bei der Gestaltung des Onlineunterricht von unserer digitalen Reise zu Schulen in  Ghana inspirieren. Allerdings darf bei aller Euphorie das wichtige Thema Datenschutz nicht vergessen werden.

Manche erinnern sich ungern an den Mathematikunterricht, doch bot dieses Jahr eine Nachhilfe in Sachen Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Bei der Vielzahl an Informationen wurde deutlich, wie wichtig es ist, ein Verständnis für den Umgang mit Medien und Daten zu entwickeln. Darum war dieses Jahr auch ein Jahr der Wissenschaftskommunikation, in welcher die Wissenschaft ihre Wege zu Erkenntnissen immer wieder neu medial erklären musste.

Digitale Demokratie oder Demokratisierung der Digitalisierung

Wie in der Wissenschaft, so gilt auch in Politik und Gesellschaft: „Veränderung beginnt mit Kritik!“ Kritik bedeutet, neue Wege und Alternativen aufzuzeigen und zu entwickeln. Angesichts der außergewöhnlichen Pandemiesituation wird diese demokratische Debatte auf eine harte Probe gestellt. Verschwörungstheorien, Desinformationen und Fake-News gehören leider auch zum digitalen Rückblick. Immer wieder mussten Falschmeldungen gelöscht werden, immer wieder waren Social Media gezwungen, Post zu löschen. Ab wo beginnt Propaganda und Hatespeech, wo endet die Meinungsfreiheit? Ab wann wird aus der Vorsorge eine Zensur?

Bürger*innen stehen als Teil eines demokratischen Systems vor diesen Fragen. Algorithmen als Komponenten eines technologischen Systems lassen sich von diesen Fragen nicht stören. Zwar bietet die Digitalisierung viele Chancen zur Eröffnung demokratischer Debatten, gleichzeitig stellt sie mit ihren technisch vereinfachten Annahmen auch eine Herausforderung für diese dar. Wie weit das gehen kann, zeigte ein Fall aus Kenia. Dort müssen sich alle Kenianer*innen in einem System registrieren, um öffentliche Dienstleistungen oder medizinische Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

Besonders kritisch wird es bei persönlichen und speziell gesundheitsbezogenen Daten. Darum argumentiert das Buch Prinzip Mensch dafür, nicht zu fragen, wie die Demokratie digitaler wird, sondern andersherum wie die Digitalisierung demokratischer gestaltet werden kann. Die Autoren Paul Nemitz und Matthias Pfeffer machen deutlich: „Gerade die Corona-Krise lehrt, dass wir unsere Entscheidungen angesichts des Nicht-Wissens der Zukunft nicht Maschinen überlassen können. Vielmehr sind gerade in der technisierten und globalisierten Welt menschliche Vernunft und Verantwortung gefordert“.

Daten zum Denken und Diskurse zur Debatte

Manchmal braucht es Daten, manchmal braucht es Diskurse. Nicht alles, was im Internet funktioniert, muss neuartig sein. Während der Lokaljournalismus immer mehr aus den großen Zeitungen verschwindet, blüht er im Internet erneut auf. Nachrichten mit regionalem Fokus finden ihre Adressat*innen. In der digitalen Kommunikation erfüllen zunehmend Algorithmen die Aufgabe der Medien als vierte Gewalt. Anhand von Reichweiten, Nutzungsverhalten und Interessen größer Digitalkonzerne bestimmen sie die Tagesordnung.

Der Pädagoge Oskar Negt sagte einmal: „Demokratie muss gelernt werden!“. Angesichts der digitalen Umbrüche der letzten Zeit wird deutlich, wie wichtig dieser Lernprozess ist. Hierzu gehört die Frage nach Medienkompetenz, aber auch die Schaffung einer digitalen Öffentlichkeit, fernab von Filterblasen und begrenzten eigenen sozialen Netzwerken. Medienformate wie Youtube oder Tiktok bieten, mit einem angemessen Bewusstsein über Chancen und Risiken, eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Förderung des öffentlichen Diskurses. Memes erreichen eine große Anzahl von Netz-User*innen und können dazu beitragen, Debatten anzustoßen und sie ansprechend zu gestalten.  Vielleicht kann dies helfen, verlorenes Vertrauen in die Demokratie wiederherzustellen.

Jede Krise ist eine Chance, aus ihr zu lernen

Gehörte 2019 Klimaschutz noch zu den wichtigsten Themen, wurde in diesem Jahr deutlich, wie stark dies mit einer nachhaltigen Digitalisierung verbunden ist. Beide Komponenten verbindet das Projekt „Bits für Bäume“, das sich für eine nachhaltige, digitale und ökologische Zukunft einsetzt.

Was bleibt am Ende dieses Jahres voller Unsicherheiten und Überraschungen noch zu sagen? Sicherlich war 2020 alles andere als ein einfaches Jahr, viel eher war es ein Jahr, das zum Nachdenken anregt. Nachzudenken darüber, wo die Chancen und Grenzen digitaler Technologien liegen. Nachzudenken über die Frage nach der Verantwortung, globale Probleme einer globalen Welt als Menschheit gemeinsam zu lösen, die Zukunft zu gestalten. Natürlich kann Technologie bei dieser schweren Aufgabe helfen, aber niemals die menschlichen Fähigkeiten ersetzen. Paul Nemitz, der für die Europäische Kommission die Datenschutzgrundverordnung verhandelt hat, brachte es auf den Punkt: „Mit Daten von gestern lässt sich die Zukunft nicht berechnen. KI denkt nicht, kann anders als Menschen nichts neues entwickeln.“

Das neue Jahr 2021 kündigt sich anders an als die vielen Jahre zuvor. Mein Wunsch ist, dass wir alle an dieser Krise wachsen, wieder mehr zusammenwachsen. Die Pandemie hat deutlich gemacht: Eine globale und digitale Zukunft benötigt Antworten auf die Frage, wie wir diese gestalten wollen. Anders ausgedrückt fasste es Albert Einstein zusammen: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in dieser gedenke ich zu leben!

Die Autor*innen von politik-digital wünschen allen Leser*innen ein friedliches Weihnachtsfest und ein gesundes und glückliches Jahr 2021. Wir von politik-digital freuen uns darauf, mit Ihnen nächstes Jahr wieder auf digitale Entdeckungsreisen zu gehen.