Roboterassistenten, intelligente Alarmsysteme und Algorithmen, die Patientendaten analysieren und aufbereiten. Wie können wir in Zeiten der Digitalisierung eine ethische und mitmenschliche Versorgung in den Bereichen Medizin und Pflege gewährleisten? Über diese Frage wurde in einem der vier Foren der Jahrestagung des deutschen Ethikrates kontrovers diskutiert. Ein kurzer Überblick.

Wenn über Roboter gesprochen wird, denken viele wohl zunächst an die “humanoide” Spezies. Dies ist vor allem dem Genre des Science-Fiction, einschlägigen Filmen und der medialen Berichterstattung zu verdanken, die Roboter allzu gerne als dem Menschen nachempfundene Wesen mit künstlicher Intelligenz darstellen. Wie wir mittlerweile wissen, müssen Roboter jedoch keineswegs eine Art menschlicher Ersatz sein. Als teilautonome lernfähige Maschinen sind sie im Alltag längst verbreitet, wie automatische Staubsauger oder Rasenmäher eindrücklich beweisen. Auch in der Pflege von Kranken oder hilfsbedürftigen Menschen, wie auch bei der medizinischen Versorgung wird der Roboter immer häufiger eingesetzt.

Als Assistenten vielseitig einsetzbar

Wie Birgit Graf vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) betont, sind solche Systeme jedoch nach heutigem Stand immer nur Werkzeug zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten. Ziel sei es eben nicht, den Betroffenen eine vollständig autonom agierende Maschine gegenüberzustellen. Denn häufig wird befürchtet, dies könnte letztendlich zu einer Entmenschlichung der Kommunikation und damit auch zum Verschwinden jeglicher sozialer Nähe führen. Pflegeroboter sind daher fast immer bewusst nicht nach menschlichem Vorbild designt. Vielmehr sehen sie danach aus, was sie sind: Technisch und funktionsorientiert. So können sie assistieren, indem sie bewegungseingeschränkten Patienten Essen und Getränke servieren, den Transport unterstützen, in Notfällen Alarm schlagen und sogar als künstliche Skelette bei der Rehabilitation helfen.

Doch auch im Krankenhaus sind sie konkret einsetzbar. Steffen Leonhardt von der RWTH Aachen verweist hier auf die immer komplexer werdende intensivmedizinische Versorgung, bei immer stärkerem Personalmangel. Für Leonhardt sind Assistenzsysteme, ähnlich wie in der Luftfahrt, auch mit Blick auf den Bereich Risikovermeidung und Prävention unbedingt notwendig. Das Niveau der medizinischen Versorgung lasse sich in der aktuellen Situation nur mit Hilfe des Einsatzes automatisierter Systeme halten.

Autonome Systeme können soziale Komponente kaum ersetzen

Arne Manzeschke, Professor für Anthropologie und Ethik für Gesundheitsberufe an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, sieht dies zumindest teilweise kritisch. Das digitale Gesundheitswesen speise sich schon jetzt aus Daten, von denen kaum jemand weiss, nach welchen Kriterien sie erhoben werden. Von daher seien auch die Algorithmen, die mit derartigen Daten gespeist werden, kaum steuerbar. Problematisch sieht er vor allem den Trend zu völlig autonomen Systemen, sprich Systemen, die eigenständig auf Basis der eingespeisten Daten Entscheidungen treffen. Die Abhängigkeit von Patienten und medizinischen Fachkräften von solchen autonomen Systemen ist wohl jenes Thema, das die Redner und Teilnehmer des Diskussionsforum an diesem Tag am meisten beschäftigt. Die Frage, die allen auf der Seele brennt: Wie kann die Autonomie des Menschen in Zeiten autonomer, selbstlernender Systeme erhalten bleiben?

Verantwortung und Erhalt der Steuerungsfähigkeit

Die Stimmung ist hier skeptisch bis ungläubig. Assistenzsysteme in der Medizin erfahren zwar normativ starken Zuspruch und gelten in naher Zukunft auch durchaus als praktikable Instrumente. Bei vollständig autonom agierenden Robotern, die etwa Krankenpfleger ersetzen könnten, sind sich jedoch alle einig: Diesen Schritt wird es nicht geben. Weder aus technischer, noch aus zwischenmenschlicher Perspektive. Prof. Manzeschke sieht die Priorität der Krankenpflege und Gesundheitsversorgung nicht nur in der Optimierung der technischen Durchführbarkeit. Er warnt davor, den Moment des Kümmerns, der im direkten sozialen Kontakt liegt, durch technischen Fortschritt zu vernachlässigen. Stichwort hier: Der Mensch als Therapeutikum.

Auch die Zuschauer sind besorgt. Ob es überhaupt noch solche ethischen Diskussionen geben werde, wenn der Erfolgsquotient der autonomen Systeme im Bezug auf Heilungschancen erstmal viel höher liege als heutzutage? Zögern, kaum eine klare Antwortmöglichkeit. Ein anderer entgegnet , jene Debatte vernachlässige doch gerade diejenigen Menschen, die unbedingt auf Maschinen angewiesen seien. Konsens in der Runde: Die Wahrnehmung von Technik und deren Einsatz sei entscheidend. Verantwortungsvoller Umgang und Erhalt menschlicher Steuerungsfähigkeit sind Stichworte, die im Rahmen dieser Ethikrats-Tagung immer wieder fallen. Sie scheinen, so das vorläufige Fazit des Tages, Grundbedingung für den Zusammenhalt einer digitalen Gesellschaft zu sein, welche technischen Innovationen gegenüber aufgeschlossen sein will, sich aber vor allem der Selbstbestimmung und dem sozialen Zusammenhalt verschrieben hat.

Titelbild: Ethikrat by Daniel Krüger/politik-digital CC-BY-SA 3.0

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