Am 28. September wählen zwei österreichische Bundesländer neue Landtage. Erstmals auf Länderebene werden virtuelle Entscheidungshilfen im Internet eingesetzt.

Der politische Herbst wird heiß. 3 Bundesländer im deutschsprachigen Süden wählen neue Landtage. Die Landtagswahlen in Tirol und Oberösterreich werden am 28. September unser südliches Nachbarland beschäftigen. Bayern wählt am 21. September. Die Kampagnen der Parteien laufen bereits auf Hochtouren und auch das Internet wird von den Parteien wieder intensiv genutzt.

Politische Bildung auf Landesebene

Aber auch die politische Netzöffentlichkeit hat reagiert. In Tirol und Oberösterreich gibt es, wie zuletzt bei den Nationalratswahlen im Herbst, wieder diverse Angebote im Netz, wie die virtuelle Wahlentscheidungshilfe „
Wahlkabine“ für die Landtagswahlen in Oberösterreich und Tirol sowie eine
Wahlbörse, die für den tiroler Wahlgang das Ergebnis prognostizieren soll. Die Wahlkabine wird organisiert vom Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung, Abteilung Politische Bildung (
IFF) unter der Leitung von
Prof. Peter Filzmaier und dem
Institut für neue Kulturtechnologien Public Netbase t0. Die Wahlbörse ist eine Kooperation der Tiroler Tageszeitung mit dem IFF.


Wahlbörse


Wahlkabine

Wahlkabine Oberösterreich

Die Geschichte virtueller Wahlentscheidungshilfen geht zurück bis zum
Nationalratswahlkampf 2002, bei dem das IFF mit Partnern das erste derartige Projekt in Österreich startete. Die aktuellen Neuauflagen für die beiden Landtagswahlen sind in Österreich wieder eine Pionierleistung, weil es derartige Projekte auf Länderebene vorher noch nicht gab. Die Themen der Wahlkabine sind an die speziellen Umstände der Länderwahlen angepasst: Mehr noch als bei der Wahlkabine zur Nationalratswahl, geht es diesmal um konkrete, vor allem regionale Sachthemen. So wird man beim Durchlaufen der 25 Fragen beispielsweise gefragt: „Soll sich Tirol noch einmal für die Olympischen Winterspiele bewerben?“ „Soll Kunst, die die Hand beißt, von der Sie gefördert wird, weiterhin Fördermittel des Bundeslandes Oberösterreich erhalten?“

Die Idee hinter Tools wie der Wahlkabine ist, die Nähe oder Distanz der Einstellungen des Bürgers zu den Linien der einzelnen Parteien zu messen. Dem Wähler soll dadurch die Chance gegeben werden, sich über die Positionen der Parteien zu den wichtigsten Sachthemen zu informieren und sie mit seinen eigenen Einstellungen zu vergleichen. Der Wert für die politische Bildungsarbeit liegt neben der Information des Wählers über die Themen vor allem im Schaffen des Themenbewusstseins. Daraus folgt, dass Kompetenzen und politische Handlungs- und Gestaltungsspielräume von Länderregierungen aufgezeigt werden.

Hohe Qualitätsstandards

Bei der aktuellen Neuauflage wurde das Redaktionsteam, das für die Frageformulierung, das Erheben der Parteipositionen sowie deren Auswertung verantwortlich war, um einen wichtigen Kompetenzbereich erweitert: neben Politikwissenschaftlern waren auch Politikjournalisten eingeladen, ihre Kompetenz bei der Themenaufbereitung und der unmissverständlichen Formulierung der Fragen einzubringen.

Die aktuellen Wahlkabinen erfüllen, wie zuletzt auch schon die Wahlkabine bei der Nationalratswahl, die von den Initiatoren aufgestellten Qualitätskriterien von virtuellen Entscheidungshilfen. Demnach müssen der Transparenz wegen die Recherchequellen der Standpunkte der Parteien offen gelegt werden sowie die Methodik wissenschaftlich fundiert sein. Bei der Wahlkabine ist die Methodik, nach der die Antworten des Users mit den Positionen der Parteien verglichen werden, in einem eigenen Dokument nachzulesen.

Diese ersten beiden Wahlkabinen auf Länderebene sollen aber nicht die letzten gewesen sein. Wie Prof. Filzmaier bestätigt, gibt es sowohl Pläne als auch schon konkrete Vorgespräche zu Wahlkabinen für die beiden Landtagswahlen in Salzburg und Kärnten, die im Frühjahr 2004 stattfinden werden. Aber auch andere Verwendungsmöglichkeiten des Tools als Instrument der politischen Bildung über Wahlkämpfe hinaus sind angedacht, z.B. wahlkampfunabhängig als Vergleich zwischen Bürger- und Parteimeinung zu aktuellen Politikthemen auf Gemeindeebene oder zur Sachinformation und dem Schaffen von Themenbewusstsein in bestimmten Gruppen, z.B. bei Jugendlichen.


http://wahlboerse.tirol.com


Gemeinsam mit der Tiroler Tageszeitung startet das IFF zur Tirolwahl auch eine Wahlbörse zur Prognose des Wahlergebnisses. Der Vergleich mit Wahlbörsen auf Bundesebene zeigt Vor- und Nachteile des regionalen „Parteienmarktes“: Während Wahlbörsen auf Bundesebene des Öfteren dem Vorwurf ausgesetzt sind, sie würden nur die Ergebnisse der beinahe täglich veröffentlichten Meinungsumfragen widerspiegeln, lässt Prof. Filzmaier das in diesem Fall nicht gelten: „Während Landtagswahlkämpfen werden überhaupt nur eine Hand voll Umfragen veröffentlicht. Das kann keinen entscheidenden und durchgehenden Einfluss auf das Händlerverhalten haben.“ Ein problematischer Aspekt ist, dass bei Wahlbörsen zu Wahlen in Bundesländern die Gefahr von externen Händlern, also Teilnehmern, die in einem anderen Bundesland leben, groß ist. Denn das Prinzip, nach dem Wahlbörsen funktionieren, geht davon aus, dass den Teilnehmern alle Informationen über den Wahlkampf zur Verfügung stehen. Während aber bei einer Nationalratswahl der Wahlkampf im ganzen Bundesgebiet thematisiert wird, wissen z.B. Wiener über einen tiroler Wahlkampf nicht Bescheid und können damit die Ergebnisse verzerren.

Erschienen am 17.9.2003