Schon längst sind fast alle Lebensbereiche digital berührt. Nicht nur „unter anderem“, sondern eher „vor allem“ die zwischenmenschlichen Beziehungen haben durch den digitalen Wandel eine neue Dimension erreicht. Schnelle, günstige und globale Kommunikationsmöglichkeiten schlagen ein neues Blatt der Geschichte in puncto Beziehungen auf. Familie, Freunde und Partner sind einfach und durch unterschiedlichste Medien mit fast allen Sinnen adressierbar. Mal ist es der bloße Austausch via Kurznachricht, das Senden einer Voicemail oder gar der Videochat, wodurch uns unsere Liebsten stets nahe sind. Aber nicht nur Neuigkeiten werden auf diese Weise ausgetauscht, auch Sinne des Hörens und Sehens werden angesprochen und senden viel mehr als bloß reine, sachliche Informationen. Es werden Gefühle vermittelt.

Zahlreiche Websites, soziale Netzwerke und Apps ermöglichen den ständigen Austausch mit den Menschen, die uns wichtig sind. Und erlauben uns zu wissen, was aktuell ansteht, wie die neue Frisur aussieht oder wie groß die Enkel geworden sind – Kommunikation auf den unterschiedlichsten Ebenen. Aber was geschieht dabei mit der Beziehung an sich? Das Gefühl jemanden zu kennen, alle Facetten eines Menschen zu erfassen, verliebt zu sein, gute Freundschaft und familiäre Nähe zu spüren – ist das digital machbar? Gefühle aus Einsen und Nullen herstellen? Und was ist eigentlich mit Bekanntschaften die aus dem Netz heraus entstehen? Sollten diese besser digital bleiben oder kann der Sprung in die analoge Welt gelingen?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich die diesjährige Sommerreihe von politik-digital.de und geht verschiedenen Formen der Beziehung in Zeiten von digitaler Medien auf den Grund. Fernbeziehungen…Onlinedating….alte Bekanntschaften erhalten…. oder neue Freundschaften schließen – es gibt zahlreiche Wege und Geschichten, wie sich zwischenmenschliche Intimität im Netz bildet und erhält.

Die Onlinewelt von Liebe und Freundschaft in Zahlen

Einen Weg, um mit Freunden, Partnern und Familie in Kontakt zu bleiben, haben die 800 Millionen Whatsapp-Nutzer schon gefunden. Der Instant-Messenger verbindet Personen rund um den Globus und ermöglicht es, Nachrichten, Bilder und Videos in Echtzeit zu verschicken. Um das Funktionieren der App kümmern sich gerade mal 50 Angestellte.
Der Facebook-Messenger wird von 700 Millionen Menschen genutzt. Durchschnittlich verbringen Nutzer 45 Minuten pro Tag in der Facebook-, Messenger- oder Instagram-App. Zum Vergleich: laut optimistischer Erhebungen spricht ein Ehepaar im Durchschnitt nur 93 Minuten am Tag miteinander – also etwa eine Spielfilmlänge. Von den rund 14 Millionen Alleinstehenden in Deutschland suchen laut der Website Single-Börsen-Vergleich etwa 8 Millionen ihr Liebesglück im Netz. Der Vermittlungsmarkt boomt, was daran deutlich wird, dass es allein in Deutschland 2.000 verschiedene Singlebörsen, Partnervermittlungen, Seitensprung-Portale oder Sextreffs gibt. Die Websites bieten jedem Nutzer das, was er sucht: ob feste Beziehung oder eine kurze Affäre, an Auswahl fehlt es jedenfalls nicht.

Das Internet bietet viel Raum für individuelle Herangehensweisen. Intensive Gespräche sind nicht nur nachts auf einer Parkbank schön, auch online gibt es viele Möglichkeiten, sich über Tiefgründiges auszutauschen. Das World Wide Web bietet günstige Rahmenbedingungen für solche Gespräche, und dies ist ein wichtiger Schlüssel zur Intimitätsentwicklung. Während auf Single-Börsen Websites knapp jeder zweite Nutzer über 50 Jahre alt ist, ist die deutliche Mehrheit der 2 Millionen Nutzer der Flirt- und Kuppel-App Tinder unter 34 Jahre alt. Daraus werden Zielgruppen und Absichten recht gut erkennbar. Angeblich trifft sich aber nur einer von fünf Tinder-Nutzern auch wirklich mit einem Tinder-Match, also einer virtuell eingeleiteten Sympathie. Insgesamt beginnt dennoch über ein Viertel aller Partnerschaften im Internet. Leider wird das Internet aber auch immer häufiger zum Trennungsgrund: Ein Drittel der 5.000 Scheidungen, die im letzten Jahr bei der britischen Agentur Divorce-Online eingereicht wurden, erhielten einen Hinweis auf das soziale Netzwerk Facebook. Jede fünfte Scheidung in Amerika geht bereits auf Facebook und das Kommunikationsverhalten deren Nutzer zurück. Und die Tatsache, dass 42% der Tinder-Nutzer bereits vergeben sind, macht den Kreis rund.

Sommerreihe beleuchtet verschiedene Facetten von Beziehungen im Netz

Der durchschnittliche Facebooknutzer hat 342 Freunde. Ein Deutscher hat laut Wissenschaftszentrum für Sozialforschung im Schnitt 3,3 wirklich gute Freunde.
Das Internet bietet uns einen Weg, Bekanntschaften zu erhalten, die möglicherweise sonst längst keine mehr wären. Distanzen zu überbrücken, um eine Liebe am Leben zu erhalten. Den Kontakt zu Geschwistern und Eltern -auch nach einem Umzug in eine ferne Stadt- intensiv zu pflegen. Menschen zu treffen, denen man sonst nie begegnet wäre, und Fantasien auszuleben, für die im Alltag kein Platz ist. Welchen Einfluss das auf Gefühle, Intensität, Echtheit und Vertrauen zwischen Menschen hat, soll in mehreren Artikeln dieser Sommerreihe untersucht werden. Dafür werden wir verschiedene Facetten digital gelebter Beziehungen, technische Neuheiten und interessante Lebensgeschichten vorstellen.

Lesen Sie weiter: Tinder, Grindr, Finya – Was ein bisschen nach Kindernamen für Fantasy Fans klingt, sind digitale Orte der modernen Partnersuche. Im Internet Menschen zu finden, um sie zu daten und zu lieben, fällt nicht mehr aus dem Rahmen. Sondern ist eine unter vielen Möglichkeiten, mit potentiellen Liebes- und Sexpartnern in Kontakt zu kommen. Als neue Kulturtechnik und neues Geschäftsmodell beschäftigt Online-Dating Wissenschaftler und Journalisten gleichermaßen wie Business Manager und Entrepreneurs. Unsere Redakteurin Alexa Schaegner hat sich gefragt, wer, wie und warum eigentlich auf Online-Partnersuche geht. Was sie herausgefunden hat, lesen Sie hier.

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