Beinprothesen und Herzschrittmacher helfen dort, wo der Körper Begrenzungen erfährt. Smartphones und Datenbrillen erweitern unser Wissen im Alltag. Doch wo verläuft die Trennung zwischen Mensch und Maschine? Und wann werden wir zum Cyborg? Mit dieser kontroversen Leitfrage beschäftigten sich die Teilnehmer der Diskussionsrunde des “Digitalen Salons” am Mittwoch.

Eines vorweg: Allein über die Definition eines Cyborgs lässt sich leidenschaftlich und wohl auch unendlich lange streiten. Um dieses Dilemma zu umgehen – und den Zeitplan der Veranstaltung einzuhalten – versuchte sich Katja Weber nicht nur als Moderatorin. Sie hatte sich augenscheinlich auch auf die Rolle der Vermittlerin in einer hitzigen Debatte eingestellt. Die relativ bunte Teilnehmergruppe, bestehend aus Philosoph Christoph Asmuth, Ingenieur Michael Hasenpusch und Künstlerin Susanna Hertrich war sich entgegen aller Erwartungen dennoch vor allem bei den technischen Fragen ziemlich einig.

Technische Möglichkeiten und Visionen weit auseinander

So machte Hasenpusch, der bei Ottobock HealthCare den sogenannten Open Innovation Space – eine Art Experimentierraum für die Entwicklung von Prothesen – leitet, relativ schnell klar: Das technisch Machbare ist aus der aktuellen Perspektive weit entfernt von dem momentan überall spürbaren digitalen Zukunftsoptimismus. Körperinterne Systeme können Hasenbusch zufolge nur begrenzt per Elektronik gesteuert, geschweige denn reibungslos mit ihr verbunden werden. Der Grund: Sie sind viel zu komplex. Jener Tenor schlägt einem momentan auf Veranstaltungen dieser Art nicht selten entgegen. Es bleibt dann auch bei den Zuschauern nicht selten ein starkes Gefühl der Unsicherheit. Lohnt es sich überhaupt, ethische Grundsatzdebatten zu führen, wenn die Zukunft doch dermaßen ungewiss ist?

Weniger Cyborg als gedacht

Klar ist: Die Vorstellung eines Science-Fiction-artigen Cyborgs, einer hybriden Form von Mensch und Maschine muss wohl vorerst weniger spektakulären Visionen weichen. Auch wenn Militärs durchaus an der Nutzung digitaler “Optimierungs-Gadgets” für den Menschen interessiert sind, zeichne sich doch eine ganz andere Richtung ab, argumentiert etwa Philosophieprofessor Asmuth. Der Trend führe viel eher zu Kampfrobotern, Drohneneinsätzen oder dem digitalen Cyberwar. Prothesen etwa müssten viel mehr als Ausgleich für körperliche Benachteiligungen, weniger als technisches “Doping” verstanden werden, meint auch Hasenpusch. Das zeige der Fall Pistorius, dessen Laufhilfe in Bewegung funktionstüchtig sei, im Alltag aber nur wenig nütze.

Schwierige Themen und wenig Zeit

Hertrich, die Prothesen und technologische Möglichkeiten immer wieder in ihrer künstlerischen Arbeit nutzt, sieht das ähnlich. Die Technik sei häufig auch gar kein Helfer, sondern sogar eine Last, kritisiert sie. Skepsis herrscht in der Runde auch, als das Thema des Brain-Computer-Interfaces aufkommt. Eine Zuhörerin meldet sich zu Wort. Die Juristin schreibt gerade an ihrer Dissertation über die Rechtsprobleme, die sich mit dem BCI ergeben könnten. Wer ist verantwortlich, wenn ein Teil der menschlichen Gehirnfunktion auf Programmierung basiert? Die Diskussion erreicht zum ersten Mal eine spannende Tiefe. Hitzig beginnt Philosoph Asmuth zu argumentieren. Für ihn ist technologische Selbstoptimierung keine rechtliche Kontroverse, da sie sich im Rahmen der individuellen Handlungsfreiheit bewege. Widerspruch aus dem Publikum, doch dann ist die Zeit auch bald zu Ende, weshalb Weber die Debatte unterbricht. Oftmals erweckt es den Eindruck, als seien Themenkomplexe wie Cyborgs oder Medizinethik doch etwas zu groß für den Rahmen, den derartige Veranstaltungen bieten.

Mehr Interdisziplinarität, mehr Kommunikation

Daher auch ein eher ernüchterndes Fazit. Viel wurde diskutiert, aber am Ende bleiben eben doch nicht wenige Fragen offen. Vor allem jene nach dem technisch Möglichen und dessen Konsequenzen. Weil niemand weiss, was die Zukunft bringt, so scheint es, bezieht man sich lieber auf die Gegenwart. Verstrickt sich in kleine Details und philosophische Sinnfragen. Vielleicht ist es wirklich notwendig, Interdisziplinarität über die Grenzen von Debatten hinaus im wissenschaftlichen Bereich noch viel stärker zu verwirklichen. Denn: Nur wenn sich technologisches Potential und visionäre Ansätze wieder mehr einander annähern, können ethische Fragen angemessen bearbeitet werden. Hierbei geht es weniger darum, klein zu denken, als zwischen allen Seiten Kommunikation zu stärken. So wäre es auch möglich, einen gemeinsamen “Grundwissens-Pool” zu etablieren und diesen allen Interessierten zugänglich zu machen. Damit die wichtigen Fragen geklärt und gute Lösungsansätze gefunden werden können. Dann klappt es auch in Diskussionen besser.

Titelbild: Digitaler Salon, by Daniel Krüger/politik-digital,  CC-BY-SA 3.0