Chinas Zensur im Selbstversuch, Angriff der Möchtegern-Piraten, die Angst der Buchbranche vor Raubkopierern und die konservative Kraft des Internet – dies und mehr in der Digitalen Presseschau.

Über Internetzensur in undemokratischen Ländern wird viel berichtet. Was die Zensur aber für den einzelnen bedeutet, bleibt oft abstrakt. Umso eindrücklicher ist der Erlebnisbericht von Friedrich Leist, der sich für das hive-Magazine auf die andere Seite der “Great Firewall” begeben hat und den wir auf Platz eins gewählt haben.

China: Du weißt nicht, wer dich beobachtet

Im Artikel beschreibt der Autor, wie er sich in der von Unruhen gezeichneten Stadt Urumqi auf die beschwerliche Suche nach einem Internetazugang begibt. Fündig wird er schließlich in einem gut versteckten Internet-Cafe, wo er zu ahnen beginnt, was die ständige Angst vor der staatlichen Überwachung bedeutet: “Die Zensur blockiert nicht einfach nur Inhalte, sie blockiert das freie Denken”.
Gegenangriff der Möchtegern-Piraten

Auf dem zweiten Platz ein Artikel von Annelie Naumann und Philipp Wittrock bei Spiegel-Online. Darin verfolgen die Autoren die Anbiederungsversuche der etablierten Parteien bei den netzaffinen Piratenwählern. Seit der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus seien blitzartig alle Parteien zu großen Web-Fans mutiert:
Die Kanzlerin bittet zum Bürgerdialog auf YouTube, CDUler Peter Altmeier schwärmt von den Piraten, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel fordert mehr Beteiligung und Transparenz, Dirk Niebel von der FDP mehr Spontanität und Horst Seehofer eröffnet den CSU-Parteitag per Facebook-Eintrag. Und die Piraten? Müssen noch nicht um ihre Existenz fürchten.
Internet-Enquete: „Keine Mehrheit für Niemand“

Die Tagung der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ vergangenen Montag glich einer “Grundschul-Veranstaltung”, schreibt Jakob Rondthaler in seinem Beitrag für den Freitag. Weder habe man zu einem Kompromiss beim Thema Netzneutralität gefunden, noch sei eine parteiübergreifende und unabhängige Debatte überhaupt zustande gekommen. Die Hoffnung, dass in der Netzpolitik ein Konsens zwischen den Parteien möglich ist, gehöre deshalb begraben. Nun müsse die politische Debatte beginnen.
Technologie kann eine konservative Kraft sein

Auf den vierten Platz wählte die Redaktion ein Interview, das zum Nachdenken anregt. Der Harvard-Professor Harry Lewis hinterfragt darin den blinden Fortschrittsoptimismus und warnt vor einem Kontrollverlust über das Private. Das Internet führe nicht notwendigerweise in eine demokratischere Zukunft, sondern könne eben auch den existierenden Autoritäten dienen und die freiheitliche Gesellschaft bedrohen. Lewis fordert deshalb neue soziale Konventionen im Umgang mit Transparenz und Öffentlichkeit.
Die Buchbranche und das Raubkopierer-Schreckgespenst

Im Hyperland-Blog berichtet Giesbert Damaschke von der Frankfurter Buchmesse, wo die Angst vor Piraten und Raubkopierern um sich greift. Damaschke kritisiert, dass die Buchbranche aus den Fehlern der Musikindustrie nichts gelernt habe. Anstatt sich aktiv an der Debatte um ein neues Urheberrecht zu beteiligen und innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, schiebe man die Verantwortung einfach der Politik zu. Erklärter Feind seien dabei die Piraten und ihre liberalen Positionen bei Urheberrechtsfragen.
Lollipop: Wie Facebook unsere Privatheit auslutscht

Eine Facebook-Applikation hat in den vergangenen Tagen für Furore gesorgt. Erlaubt man Take this Lollipop Zugriff auf das eigene Profil und sämtliche private Daten, findet man sich in einem Horrofilm wieder, in dem man selbst von einem Psychopathen via Facebook gejagt wird. Olaf Kolbrück nahm die gelungene Kampagne zum Anlass, die Evolution der Datenkrake Facebook nachzuzeichnen.