Teaser-DigiKon15Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt radikal verändern. Zu diesem Schluss kommen die Teilnehmer der DigiKon 2015 der Friedrich-Ebert-Stiftung. Darüber hinaus sollte die Nutzung des Internet nicht als Revolution, sondern als Selbstverständlichkeit aufgefasst werden. Vor allem die Politik hinke in dieser Entwicklung sehr weit hinterher. Viele Thesen auf der zweitägigen Fachkonferenz waren nachvollziehbar – wirklich neu waren die meisten Erkenntnisse jedoch nicht.

“Wo bleibt der Mensch”, fragte der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung Kurt Beck zu Beginn der #DigiKon15. Eine berechtigte Frage, da die Digitalisierung oft den Fokus auf die Technik, jedoch nicht auf die Arbeiterinnen und Arbeiter wirft. Der erste Tag der Fachtagung kreiste rund um die Frage, wie wir in Zukunft arbeiten wollen. Am zweiten Tag standen die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Politik im Mittelpunkt. Zahlreiche Workshops versuchten, diese Problemstellungen mit verschiedenen Blickwinkeln zu erörtern. Im Zentrum der DigiKon standen jedoch zwei Podiumsdiskussionen mit prominenter Besetzung.

Arbeit wird sich radikal verändern

Die Podiumsdiskussion zur digitalen Zukunft von Wirtschaft und Arbeit kreiste vor allem um die Frage, was mit Arbeit im heutigen Sinne geschehen wird. Die Digitalisierung wird fast alle Branchen nachhaltig verändern. Jeder zweite Arbeitsplatz wird sich radikal verändern, meint Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Deutschen Industrie. Große Unternehmen müssen sich transformieren, ergänzt Martin Ott, Managing Director bei Facebook, sonst werden sie in dieser Entwicklung untergehen. Autohersteller müssten beispielsweise künftig Mobilität verkaufen, keine Fahrzeuge. Dieser Ansicht ist Start-Up-Beraterin Stephanie Renner, Gründerin des Online-Musiksenders tape.tv. Es gehe um die Weiterentwicklung der Geschäftsfelder und deren Neuerfindung. Sie verstehe dabei die laufende Debatte um die Digitalisierung jedoch überhaupt nicht. Die Nutzung von digitalen Techniken sei für sie selbstverständlicher Arbeitsalltag, keine anstehende Revolution.

Es findet ein Strukturwandel statt, der teilweise auch noch unterschätzt wird, betont der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds Reiner Hoffmann. Der Mensch müsse bei dieser Entwicklung im Mittelpunkt stehen. Vor allem weiterbildende und qualifizierende Maßnahmen seien die Devise der Zukunft. Martin Ott bekräftigte, dass auch Fehler erlaubt sein müssen und als Motor für Innovation dienen können. Unternehmen dürften darüber hinaus auch keine Angst haben, ihr Geschäftsmodell grundsätzlich zu hinterfragen, um zukunftsfähig zu sein.

Netzpolitik führt Nischendasein

Mit der Frage, inwieweit das Internet die politische Kommunikation verändert, beschäftigten sich die Diskussion und die folgenden spezifischen Foren an Tag zwei. Parteien sind gut beraten, so Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Social Media und das Internet für sich zu nutzen. Jedoch sei das Netz dabei nur einer unter vielen Kommunikationskanälen. Die Politik habe „kein Kommunikationsproblem, sondern ein Substanzproblem“. Wer keine Inhalte hat, dem helfen auch die besten Kanäle nicht.

Er widerspricht jedoch der Euphorie, die durch die demokratischen Möglichkeiten des Internet ausgelöst wurde. Es entstünden segmentierte Teilöffentlichkeiten – nicht jeder beteilige sich. Gesamtgesellschaftliche Debatten bleiben weitestgehend aus. Das Internet ist kein demokratischer „Heilsbringer“, so Machnig. Valentina Kerst vom Zentrum für digitalen Fortschritt D64 entgegnete, dass die große Internet-Euphorie durch die Enthüllungen von Edward Snowden zwar gebremst wurde, mittlerweile aber wieder vorhanden sei. Netzpolitische Themen seien aber nach wie vor nicht wahlentscheidend. Man müsse eine „digitale DNA in die Politik bekommen“, um ein entsprechendes Bewusstsein für digitale Kommunikation zu schaffen.

Gebremste Euphorie?

netzpolitik.org-Chefredakteur Markus Beckedahl warf der Bundesregierung vor, netzpolitisch zu stagnieren. Seit den Enthüllungen von Snowden sei im Bereich Datenschutz nichts passiert, dafür aber die Überwachung ausgebaut worden. Wir befänden uns im Internet in einer „total überwachten Kommunikationsumgebung“. Auf die Interessen und Wünsche der BürgerInnen und Organisationen gehen die verantwortlichen PolitikerInnen dabei kaum ein, so Beckedahl. „Netzpolitische Diskurse werden von der Bundesregierung nur mit der Industrie geführt, nicht mit der Zivilgesellschaft.“

Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesjustizministerium, bescheinigte der Politik einen relativ guten Umgang mit dem Digitalen. Das Internet ist dabei jedoch kein reiner Kommunikationskanal, widersprach er Machnig. Aber auch Billen konstatiert, dass das „Paradies Internet“ unter den Enthüllungen des NSA-Whistleblowers gelitten hat. Wir müssten uns fragen, wie wir mit den zwangsweise anfallenden Daten in Zukunft umgehen wollen. Regulierung sei nötig, so Billen. Er prophezeite ein „Digitales Bürgerliches Gesetzbuch“, das sich mit solchen Fragen auseinandersetzt.

Im Internet, so ist sich die Runde einig, können aber auch wichtige politische Trends abgelesen werden. Zwar sei Klick-Aktivismus auf Plattformen wie change.org nicht die effektivste Methode der demokratischen Partizipation. Jedoch zeige sich hier, was die Menschen bewegt – ein gesellschaftlicher „Seismograph“, so Machnig.

Bild: Friedrich-Ebert-Stiftung

CC-BY-SA