artikelbild_nds_fdp_kleinDiese Woche wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Aktuelle Umfragen deuten auf einen Regierungswechsel in Hannover hin. Zusätzliche Bedeutung erhält die Wahl durch die sich möglicherweise verschiebenden Machtverhältnisse im Bundesrat, außerdem könnte die neue Sitzverteilung im Leineschloss als Fingerzeig für die Bundestagswahl im Herbst 2013 interpretiert werden. In einer Artikelreihe beleuchten wir das netzpolitische Wahlprogramm der Parteien: Wer ist wofür? Wer ist wogegen? Welche Themen werden nicht erwähnt?
Der Schutz der Bürgerrechte galt lange als ein zentrales Anliegen der FDP. Namhafte Liberale standen und stehen für das bürgerrechtliche Engagement. In den letzten Jahren setzten die Liberalen jedoch andere Prioritäten, was sich bei der Bundestagswahl 2009 auch als erfolgreiche Strategie erwies. Seit dieser Wahl hat die FDP mehrere Krisen durchlaufen, nun scheint sich die FDP Niedersachsen auf alte Werte der Partei zurück zu besinnen. Im Wahlprogramm finden sich viele Verweise auf einen Sinneswandel und einen stärkeren Einsatz für die Bürgerrechte.

Rückbesinnung auf Gerhart Baum und Burkhard Hirsch?

Gerhart Baum und Burkhard Hirsch gelten als Vertreter des linksliberalen Flügels der FDP, der sich für den Schutz von Bürgerrechten einsetzt und deren Einschränkung durch staatliche Überwachungsmaßnahmen zu verhindern sucht. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist eine der letzten aktiven Vertreter_innen dieses Flügels. Beim Streitthema Vorratsdatenspeicherung sind die niedersächsischen Liberalen an der Seite der Bundesjustizministerin und verweisen auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht, dass ″zu Recht die Regelung zur Vorratsdatenspeicherung, die CDU und SPD gemeinsam geschaffen hatten, als verfassungswidrig verboten″ hat.
Die FDP plädiert dafür, dass die im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Grenzen eine neue Regelung gefunden werden muss. Vom Strafverfahren der Europäische Kommission, weil Deutschland die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung noch nicht umgesetzt hat, ist keine Rede. Die FDP, deren Wiedereinzug in den niedersächsischen Landtag gefährdet ist, lehnt die präventive Telefonüberwachung als auch die so genannte Online-Durchsuchung ab. Biometrische Daten sollen nach den Vorstellungen der FDP von staatlicher Seite nicht zentral gespeichert werden. Die FDP will sich dafür einsetzen, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch in der Privatwirtschaft durchgesetzt wird und der Staat nur dann intervenieren darf, wenn persönliche Daten ohne Genehmigung der Berechtigten weitergegeben wurde.

Ausbau der virtuellen Mobilität

Wie auch die meisten anderen Parteien in Niedersachsen planen die Liberalen den Ausbau der E-Government-Strukturen. Ziel ist es, ein einheitliches Portal für Serviceleistungen des Landes und der Kommunen zu implementieren. Das Parlament soll durch interaktive Haushaltsberatungen, Live-Streams von öffentlichen Ausschusssitzungen sowie die Ausweitung der Sitzungsdienste transparenter für die Bürger_innen werden. Wie auch die SPD und die Grünen setzt sich die FDP für ein Landesinformationsfreiheitsgesetz ein.
Das neue Landesinformationsfreiheitsgesetz soll eines der zweiten Generation sein, bei dem die Bürger_innen nicht ihre Auskunftsersuche rechtfertigen müssen, sondern der Staat eine Ablehnung begründen muss. Die FDP verspricht sich davon eine Stärkung der Transparenz und damit mehr Akzeptanz von demokratischen Entscheidungsprozessen. Des weiteren sollen Elemente der direkten Demokratie attraktiver werden, indem die Möglichkeit der Befragung und Abstimmung über das Internet eingeführt wird. Ob dies ausschließlich übers Internet oder ergänzend erfolgen soll, wird leider nicht konkretisiert. Ein ″Digital First″-Ansatz ist begrüßenswert, nur online klappt eine stärkere Beteiligung aber nicht.

Digitalisierung des niedersächsischen Kulturerbes

Mit der Förderung der Digitalisierung des niedersächsischen Kulturerbes bringen die Liberalen eine eigene interessante Forderung in den Landtagswahlkampf. Um die Kulturgüter bestmöglich zu schützen und dennoch zugänglich zu machen, soll die Digitalisierung des niedersächsischen Kulturerbes gefördert werden. Ein guter Vorschlag, dem noch im Detail fehlt, wie das gemacht werden soll und vor allem wie offen und frei der Zugang zum kulturellen Erbe gestaltet sein wird. Zumindest beweisen die Liberalen hier Mut zu innovativen politischen Ideen.
Auch der Breitbandausbau findet sich im Wahlprogramm der FDP. Zwar fehlen auch hier genauere Vorstellungen und Prinzipien, nach denen der Ausbau erfolgen soll, jedoch plädieren die Liberalen ähnlich wie die Oppositionsparteien für die Aufnahme eines vollwertigen und breitbandigen Internetanschlusses als Universaldienst in das Telekommunikationsgesetz. Zudem spricht die FDP sich für einen Schutz der Netzneutralität aus, mit der Einschränkung bei Überlast-Situationen eine zeitlich begrenzte Aussetzung des Prinzips akzeptieren zu können. Ob der Schutz der Netzneutralität durch ein Gesetz erfolgen soll, schreiben die Liberalen nicht.

Fazit

Die FDP zeigt zwar wieder verstärkt, dass die Partei immer noch für die Bürgerrechte eintritt, bleibt aber an den Stellen, an denen es um Ideen geht und nicht nur um eine Position, vage. Auch die FDP setzt sich für eine Reform des Urheberrechts ein, schreibt aber im Wahlprogramm nur, dass sie die Abmahnpraxis und auch das vollständige Aufweichen von Schutzvorschriften ablehnt. Genau wie Grüne und Sozialdemokrat_innen setzt sich die FDP für eine den digitalen Zeiten entsprechende Ausbildung von Lehrkräften ein, benennt aber keine genaueren Konzepte, um dies erfolgreich umzusetzen. An vielen Stellen, an denen ein Bekenntnis zu mehr Offenheit (z.B. durch Open Data und Open Source) möglich gewesen wäre, fehlen konkrete Konzepte. Die Schlagwörter im Wahlprogramm stimmen zum Teil, was dahinter steckt ist aber nicht genau zu sagen.
Disclosure: Der Autor ist neben seiner Tätigkeit als Blogger und Journalist auch Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen Berlin.
Hier findes Sie das Programm der Piratenpartei im Netzpolitik-Test.

Hier finden Sie das Programm von Bündnis 90 / Die Grünen im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm der CDU im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm von DIE LINKE. im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm der SPD im Netzpolitik-Test.
 
CC-BY-SA-Lizenz