Dass die Corona-Pandemie unser Leben nachhaltig verändert hat, ist uns allen mittlerweile bewusst. Aber nicht nur das gesellschaftliche Leben ist davon betroffen – auch die deutschen Parteien müssen ihren Kurs im Superwahljahr 2021 neu ausrichten. Doch wie sehr sind die Parteien betroffen und kann ein digitaler Wahlkampf gelingen?

Auswirkungen der Pandemie auf Wahlkampf

Noch in diesem Monat sind in Deutschland bereits drei Wahlen: In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind Landtagswahlen, Hessen wählt kommunal. Prof. Dr. Norbert Kersting von der Universität Münster hat über 1.000 Stadtverordnete und Gemeinderät*innen zur kommenden Kommunalwahl befragt und festgestellt, dass sich 75% massiv durch die Pandemie im Wahlkampf beeinträchtigt fühlen. Trotz dessen geben 83% an, dass sie sich traditionelle und keine reinen Online-Wahlen wünschen.

Nicht nur die Frage wie am Ende gewählt wird stellt sich, sondern auch wie die Kandidat*innen trotz Corona-Maßnahmen ihre Wähler*innen mobilisieren wollen. Durch Abstandsregelungen werden Haustürwahlkampf, Infostände und Co. erschwert, denn insbesondere auf Kommunal- und Landesebene ist der Austausch mit den Kandidat*innen gefragt. Können digitale Formate hier die Lösung für sein?

Auf die Krise reagieren

Sebastian Müller, Rettungsassistent und ehemaliger Stadtrat in Freiburg hat auf dieses Problem reagiert und die Idee für einen Online Wahlkampfstand im Rahmen der kommenden Landtagswahlen in Freiburg entwickelt. Es handelt sich um eine Art virtuellen Marktplatz mit Ständen von den Parteien und lokalen Unternehmen. “Wichtig war uns die Websites der Kandidaten oder Parteien einzubinden, aber auch das ein oder andere Extra wie beispielsweise ein Bierpongspiel für “Die Partei”. Auf Grundlage dieser Idee hat das Start-Up Mobanistio die Map erstellt und den Münsterplatz in Freiburg nachempfunden. Seit dem 20.02 ist bis zum 13.03 jeden Samstag von 17-19 Uhr das Tool nutzbar.

Digitalisierung der “klassischen” Formate als Chance

Kann so ein Online-Tool den Wahlkampf nun revolutionieren und beispielsweise einen Wahlkampfstand ablösen? Sebastian Müller selbst hält es für eine Ergänzung.

“Der Vorteil ist, das man eben individuelle Fragen stellen kann und nicht die strikte Ordnung einer Videokonferenz oder eines Streams hat. Es können eben viele mit vielen diskutieren und auch wieder gehen, wenn sie keine Lust haben”.

Gabi Rolland von der SPD-Freiburg hält den Online Wahlkampfstand für eine sinnvolle Alternative, durch die viele Bürger*innen digital erreicht werden können, die den klassischen Infoständen sonst ausweichen.

“Vor allem Personen, die sich vor Wahlen gezielt informieren wollen, nutzen den Online-Wahlkampfstand, um ihre Fragen hervorzubringen”.

Sie berichtet beispielsweise von einer längeren Diskussion über die Sozialdemokratie, sowie vereinzelte Themen über Bundes-, sowie Landespolitik. Allerdings seien die Fragen eher weniger differenziert, so Frau Rolland. Aber auch nette Gespräche mit den Mitkandidierenden seien zustande gekommen.

Zwar hält sich die Nutzung des Tools bisher in Grenzen, jedoch erklärt die Landtagsabgeordnete, dass es in Zukunft ihrer Meinung nach eine Mischung aus Präsenz- und Online-Formaten, sowohl bei Infoständen als auch Veranstaltungen, geben wird. 

Perspektiven

Ideen und Anregungen wie der Online Wahlkampfstand sind in Zeiten wie diesen wohl umso mehr gefordert. Dennoch ist auch klar, dass nach wie vor viele Menschen das Internet nicht in dem Ausmaß nutzen, dass Online-Angebote ein Ersatz sind, stellt Frau Rolland von der SPD fest.

In diesem Jahr stehen neben der Bundestagswahl noch acht weitere Wahlen an. Wir von politik-digital.de werden uns den digitalen Wahlkampf der Kandidat*innen und Parteien in den nächsten Monaten genauer anschauen. Werden wir einen – bedingt durch die Corona-Pandemie – wirklich stärker auf digitale Medien ausgerichteten Wahlkampf erleben oder wird es wieder “business as usal”?

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