Der Online-Wahlkampf der PDS startet erst im März

Allzu bemerkbar macht er sich nicht auf den Seiten der
PDS, der nahende Bundestagswahlkampf. Außer einem Pop-up-Fenster mit der jüngsten
emnid-Sonntagsfrage, nach der die Sozialisten auf acht Prozent kämen, werden Artikel zu Afghanistan, den Berliner Koalitionsverhandlungen oder zum abgelaufenen Wahljahr angeteasert. Auch der Navigationspunkt Wahlen führt lediglich zu einer Seite, die mit dem Ergebnis der Berliner Abgeordnetenhauswahlen aufhört.

Laut Pressesprecher Hendrik Thalheim werde das Internet jedoch eine “große Rolle” im Bundestagswahlkampf der PDS spielen. Am 16. März 2002 – pünktlich zum Bundesparteitag der Sozialisten in Rostock – soll der Startschuss erfolgen für eine eigenständige Wahlkampfplattform unter der URL
www.pds2002.de. Die Trennung zwischen Partei-Site und Wahlkampf-Page soll auch die räumliche Trennung der Wahlkampfzentrale wiederspiegeln. Zur Zeit sei man, so Thalheim, auf der Suche nach einem geeigneten Ort: So extravagant wie die
Kampa02 der SPD in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte werde es aber nicht ausfallen – das sei auch eine Frage der Finanzen. Ein konkretes Budget für den Wahlkampf im Internet konnte Thalheim nicht angeben: Dafür sei die laufende Pflege mit zu vielen Unwägbarkeiten verbunden. Die Anlaufkosten für den von einer Agentur entworfenen, inhaltlich aber von der Partei betreuten Auftritt beliefen sich aber, so der Parteisprecher, auf rund 200.000 EURO.

Personalisierung bleibt Thema

Nachdem die PDS in Berlin mit der extremen Fixierung auf die Person Gregor Gysis im Prinzip den “amerikanischsten” Wahlkampf aller Parteien gefahren hat, setzt die PDS auch im kommenden Jahr auf Personen. Alle 299 Direktkandidaten werden auf
pds2002.de vorgestellt. Die Spitzenpolitiker der Partei erhalten eigenständige Homepages –
Gregor Gysi und Parteivorsitzende
Gabi Zimmer haben schon jetzt ihre Personality-Sites. Von der Interaktivität her sollen die Spitzenpolitiker-Seiten mit besonderen Online-Spielen bestückt werden; die Wahlkampfsite an sich wird auch nicht ohne Audio- und Videoelemente (vor allem Reden) oder E-Cards auskommen. Auch die Informationsvermittlung per SMS – eine Innovation des Steffel-Wahlkampfs in Berlin, wo Journalisten die Termine aufs Mobiltelefon geschickt bekamen – soll für Bürger und Journalisten eingerichtet werden. Nichts richtig Neues, aber immerhin. Laut Parteisprecher Thalheim muss das sein – schließlich werde der Webauftritt gerade von der Internetgemeinde kritisch beäugt und als Ausweis von Modernität oder Reformfähigkeit gesehen.

Wenn es um die Modernität des Auftritts geht, muss die PDS bis März allerdings deutlich zulegen. Die Auftritte unter
www.pds-online.de und
www.sozialisten.de sind schon übersichtlich, grafisch scheinen sich Partei und betreuende Internet-Agentur aber sehr zurückgehalten zu haben. Auch die Navigation ist eher mühsam und erinnert an die Seiten von karitativen Vereinen mit geringen Zugriffszahlen. Die Texte scheinen zudem nicht auf die Erfordernisse des Mediums zugeschnitten: So findet man unter den Biografien der Vorstandsmitglieder lediglich tabellarische Lebensläufe mit Bewerbungsfotos, wie sie auf Kandidatenlisten für Parteitage zu finden sind. Getextete Lebensläufe, aktive Fotos oder gar Filmmaterial: Fehlanzeige. Ein Vorteil ist, dass sämtliche programmatische Texte recherchierbar sind – doch auch hier wird Partei-Papier einfach ins Internet gestellt. Richtig ärgerlich wird es aber für Journalisten: Einen direkten Pressekontakt findet man vergebens, und außer einigen Pressemitteilungen, die online gestellt sind, scheint das Konzept des “Virtual Pressrooms” bei der PDS noch unbekannt. Von Nachteil ist auch, dass man nicht die Rechte an
www.pds.de hat: Zwar habe man, erzählt Thalmann, 1998 versucht, diese zu erwerben, doch dieses Vorhaben sei an hohen finanziellen Forderungen gescheitert. Pech gehabt, denn die anderen, so Thalmann, “waren einfach eher da.”

Allerdings ist es wohltuend, eine Site ohne Bandbreite fressende Flash-Spielereien zu betrachten. Insbesondere bei langsamer Internetverbindung ist die geringe Ladezeit der PDS Homepage ein riesen Vorteil und wirkt äußerst benutzerfreundlich. Unbedingt zu erwähnen sei auch, dass die PDS die einizige Parteien-Website ist, die behindertengerecht gestaltet wurde. Blinde Menschen können mit speziellen Browsern problemlos dieselben Informationen beziehen, wie sehende Besucher.

Der eher schlichte Auftritt der PDS scheint jedoch nicht ohne Erfolg zu sein. Die Partei gibt an, dass die Zahl der Pageviews auf der Site seit dem Relaunch im Oktober von 350.000 im Monat auf 800.000 geschnellt sei. Dies sei, laut Thalheim, auch auf die Berlin-Wahl und dem Bundesparteitag zurückzuführen.

Erschienen am 06.12.2001