Das Internet der Dinge ist keine Zukunftsmusik, es ist real. Wir nutzen es bereits tagein, tagaus und es ist absehbar, was uns in naher Zukunft noch bevorsteht. Während die Wirtschaft jubelt, warnen Datenschützer vor den Risiken, die diese Entwicklung mit sich bringt. Doch worum geht es dabei eigentlich genau und was ist so revolutionär daran? Mit unserer diesjährigen Sommerreihe wollen wir den „Dingen“ auf den Grund gehen und das Phänomen aus seiner Dunstwolke ziehen. In mehreren Beiträgen sollen Instrumente, Technologien und Dienste vorgestellt werden, in denen sich die Idee bereits manifestiert.

Buzzwords sind so eine Sache: In den immer unübersichtlicheren und vielstimmigeren Netzöffentlichkeiten sind sie notwendig und verwirrend zugleich. Sie organisieren und ermöglichen einen gemeinsamen Diskurs und verwässern gleichzeitig den Gegenstand, weil sie zu viele Einzelaspekte unter sich vereinigen. Das Internet der Dinge ist ein solches Buzzword. Es schwirrt seit einer gefühlten Ewigkeit durch Kongresse, Artikel und Diskussionsrunden. 1999 von Technik-Pionier Kevin Ashton eingeführt, avancierte der Begriff „Internet of Things“ (IoT) in den letzten Jahren zum „Next Big Thing“ der IT-Branche. Mehr noch, es gilt als Triebfeder einer „vierten industriellen Revolution“, in deren Folge sich unsere Gegenwartskultur grundlegend umkrempeln wird.
Nicht verwunderlich also, dass sich über das weite Feld technischer Neuerungen, die unter dem Sammelbegriff zusammengefasst werden können, bereits ein Meer an Verheißungen und Verwünschungen gelegt hat. Es wird munter gewarnt und entwarnt, gefachsimpelt und philosophiert. Doch bei all den Ausblicken und Prognosen kann schnell übersehen werden, dass das Internet der Dinge längst seinen Weg in unseren Alltag, unsere Geräte und Wohnungen gefunden. Die großen IT-Konzerne der Gegenwart haben in entsprechende Technologien investiert, forschen selbstständig an entsprechenden Geräten oder kaufen Startups auf. Die technologische Revolution ist in vollem Gange.

Zur Sache: Was passiert da eigentlich genau?

Bereits Anfang der 1990er Jahre hatte der Informatiker Mark Weiser von „Ubiquitous Computing“ gesprochen. Die Bezeichnung, die sich in der US-Debatte bis heute durchgesetzt hat, bringt das Phänomen auf den Punkt: Rechner, wohin das Auge blickt. Die Idee ist zunächst so einfach wie einleuchtend: Nachdem wir im Web 2.0 unser Leben ins Internet gestellt haben, verlängern wir nun das Internet in die reale Welt. Intelligente Sensoren und eine Netzverbindung machen aus jedem Ding eine potenzielle Datenquelle.
Wo früher Computer und in jüngerer Zeit Mobilfunkgeräte und Tablets die Schnittstellen im globalen Netz darstellten, sind nun Gegenstände die Pfeiler einer umfassenden Struktur. Nahezu jeder Gegenstand kann von nun an senden und empfangen. Cloud-Computing, Apps und Big Data helfen im Weiteren, die generierten Daten zu organisieren, zu verbinden und zu nutzen. Schon heute verwenden wir viele dieser Dienste und profitieren davon, teils ohne es wahrzunehmen. Das Smartphone speichert fortlaufend unseren Aufenthaltsort, das Auto misst die Temperatur, unser iPhone weiß, wie weit wir gelaufen sind, und schließt die Jalousien, wenn es zu hell ist. Während in der öffentlichen Wahrnehmung häufig technische Geräte wie das Smartphone im Vordergrund stehen, reicht das Spektrum an Anwendungsfeldern weit darüber hinaus. Ob in Wirtschaft, Wissenschaft oder öffentlicher Infrastruktur, die Nutzungsmöglichkeiten scheinen nahezu unbegrenzt.

Wozu das Ganze?

Durch das umfassende Zählen und Aufzeichnen erweitert sich unser Wissen immens. Unser Körper, unser Verhalten, unsere Geräte und unsere Umwelt: Das Internet der Dinge weiß Bescheid. Wir erlangen Statistiken zu beinahe jedem Aspekt unseres Lebens und können immens davon profitieren. Von der Verkehrsführung über die Logistik bis hin zum Stromverbrauch werden viele Bereiche der Wirtschaft und des Alltags transparenter und folglich optimierbar. So können Konsumenten nicht nur Zeit und Geld sparen, sondern auch Ressourcen effizienter genutzt und die Umwelt geschont werden. Durch den Abgleich von Bedarf und Angebot bieten sich auch Möglichkeiten der gemeinsamen Nutzung und optimalen Auslastung von Gebrauchsgütern – Sharing-Economy. Kundendaten erlauben außerdem angepasste Produkte je nach Geschmack, Physiognomie oder Wohnort.
Mehr als das, birgt die umfassende Vernetzung unserer Gegenstandswelt auch die Möglichkeit, von überall und jederzeit auf diese zuzugreifen. Das Smartphone wird so zur Schaltzentrale über Haus, Auto und Arbeitsplatz. Noch besser wird das Ganze allerdings, wenn sich die Fenster in meinem Haus von alleine schließen, sobald sie Regen registrieren, oder mein Kühlschrank im Alleingang Milch bestellt, sobald sie aus ist. Letztlich geht die Entwicklung genau in diese Richtung: Maschinen kommunizieren untereinander, voll automatisch, und der Mensch muss nicht einmal mehr eingreifen. Interoperabilität ist das Zauberwort und maximaler Komfort die Versprechung.

Risiken und Nebenwirkungen

Die Entwicklung steht zunächst in unserem Dienst. Sie macht uns sicherer, schneller, organisierter. Letztlich entsteht auf diese Weise eine virtuelle Struktur, die unbemerkt neben uns existiert, arbeitet und neue Realitäten schafft. Doch wie so oft, gilt auch hier: Nicht alles, was technisch umsetzbar ist, ist auch ethisch vertretbar, und auch darüber hinaus gibt es zahlreiche Einwände.
Privatsphäre: Wenn jedwedes Datum unseres Lebens abrufbar ist, vernetzt und schließlich zu umfassenden Nutzerprofilen zusammengefasst wird, dann werden auch Konzepte wie Anonymität und Privatsphäre grundlegend in Frage gestellt. Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung erhalten vor diesem Hintergrund einen völlig neuen Stellenwert und werden gleichzeitig durch die Technologie herausgefordert wie nie.
Diskriminierung: Versicherungen interessieren sich naturgemäß  immens dafür, wie und wie viel wir essen und uns ernähren, ob wir uns die Zähne putzen oder rauchen, wie wir Auto fahren und ob wir Haus, Auto und Fahrrad angemessen gegen Einbruch und Diebstahl sichern. „Pay as you Drive“ – Verfahren machen jetzt schon deutlich, wohin die Reise in dieser Hinsicht gehen könnte: Versicherungsprämien orientieren sich an messbaren Datenströmen. Im Rahmen der Debatte über Big Data-Verfahren wird bereits ausgiebig darüber diskutiert, wo die ethischen Grenzen einer solchen datenbasierten Einordnung liegen.
Entscheidungsfreiheit:  Die letzten Bereiche, in denen noch von einer Trennung zwischen materieller Welt und virtueller Sphäre gesprochen werden konnte, werden nun auch von der Digitalisierung ergriffen. Der Bereich dessen, was wir noch verstehen, nachvollziehen und kontrollieren können, ist und wird in diesem Geflecht immer stärker eingeschränkt. Mit der Automation geben wir immer größere und weitreichendere Entscheidungen an Maschinen und Algorithmen ab. Fragen der Verantwortung und Haftung sind hier ebenso zu stellen wie die Frage nach Handlungsautonomie.
Fremdzugriff: Garagentür auf, Alarm aus – Einbrechen leicht gemacht? Fälle, in denen die technische Infrastruktur gehackt wurde, haben in der Vergangenheit bereits für Aufsehen gesorgt. Auch in Wirtschaft und Politik wird die Frage nach der Sicherheit und Manipulierbarkeit entsprechender Geräte und Technologien diskutiert. Denn eines ist klar: Mit der Digitalisierung all unserer Alltagsgegenstände erweitern sich die Angriffsfläche für Cyberkriminalität sowie dadurch entstehende Schäden immens.

Die Sommerreihe „Internet der Dinge“

Trotz allem: Wirtschaft und Politik können und wollen den Zug nicht verpassen, sondern vielmehr  in voller Fahrt aufspringen. Es geht um Geld, neue Industriezweige, Innovationspotenziale und eine Wachstumsbranche. Die Probleme müssen weiter diskutiert werden, doch sich dem Wandel zu verschließen, ist schier unmöglich. Wir wollen das Internet der Dinge greifbar machen. Mit unserer Sommerreihe werfen wir einen Blick auf Anwendungsfelder und ganz konkrete Produkte. Wir wollen wissen, wie diese technologische Revolution im Kleinen aussieht und funktioniert, was sich verändert und mit welchen Folgen. Was bedeutet es, wenn nahezu mein gesamtes Haus mit Sensoren ausgestattet ist, und was habe ich davon? Was verbirgt sich hinter der „Smart City“ und warum sollte ich intelligente Unterwäsche tragen? Die nächsten Wochen werden es zeigen.

Alle Teile der Sommerreihe Internet der Dinge:

Teil 1: Smart Wearables
Teil 2: Intelligentes Shopping
Teil 3: Smart Home
Teil 4: Smart Cars

Teil 5: Smart CountryTeil 6: Smart City
Teil 7: Industrie 4.0
Bild: deviantart/dadallone  (CC BY-SA 3.0)
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