Information, Kommunikation und Vernetzung: Das Internet spielt bei der Organisation und Koordination der derzeitigen studentischen Proteste gegen die Bildungspolitik des Berliner Senats eine zentrale Rolle.

Die Studenten der Hauptstadt gehen auf die Barrikaden. Besetzte Institute, Großdemonstrationen, Vorlesungen in der U-Bahn, aber auch Straßenblockaden und Gebäudebesetzungen sind die Mittel, mit denen die Studenten versuchen, die Öffentlichkeit auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Ausgehend von der Technischen Universität entstand innerhalb weniger Wochen eine studentische Protestbewegung, die ein breites Spektrum an kreativen Protestformen aufweist.

Wie konnte sich in einer so kurzen Zeit eine solch beachtliche und beachtete Protestbewegung entwickeln? Bei der Beantwortung dieser Frage spielt das Internet eine Schlüsselrolle: Die Mobilisierung der Studenten findet oft online statt, die „Teach-Ins“ der neuen Protestgeneration werden zunehmend in den virtuellen Raum verlegt. Charismatische Führungsfiguren gibt es nicht – die Studenten im Jahre 2003 haben ihren digitalen Dutschke.

Zwar wurden elektronische Medien auch schon während der letzten großen studentischen Proteste 1997 in Form von
Protestseiten und Mailinglisten genutzt, doch hat die Einbindung und Bedeutung des Internets bei den derzeitigen Protesten eine neue Dimension erreicht: Es ist inzwischen zu einem unverzichtbaren Instrument der Kommunikation, Organisation und Koordination geworden. Die traditionellen Instrumente und Formen werden durch elektronische Elemente ergänzt, man findet keinen Flyer mehr ohne den Verweis auf eine passende Seite, kaum eine Veranstaltung geht vorüber ohne den Hinweis auf einen entsprechenden E-Mail-Verteiler.

Wer nutzt das Netz? Die Akteure

Das World Wide Web ist für die Belange der Studenten ein ideales Medium: Sie können ihre Aktivitäten dezentral und ohne feste Hierarchien organisieren, das Internet fungiert als Schnittstelle zur Vernetzung verschiedener Akteure auf verschiedenen Ebenen.

Auf der untersten Ebene agieren engagierte Einzelkämpfer, die
Streikaufkleber entwerfen, Arbeitsgemeinschaften, die verschiedene
Aktionen vorbereiten oder Hochschulgruppen wie die
Osi-Kritik-Gruppe, die sich an ihren jeweiligen Instituten einsetzen. Diese Akteure vernetzen sich auf uniweiten Protestseiten wie der
FU-Streikzentrale oder auf der berlinweiten Plattform
www.allefueralle.tk. Auf oberster Ebene bemüht man sich derzeit um eine
bundesweite Vernetzung, die sich allerdings noch in den Anfängen befindet.

Wie wird das Netz genutzt? Die Formen

Das Internet wird in all seinen Ausprägungen und technischen Möglichkeiten genutzt.

Die wichtigsten Instrumente sind hierbei Webseiten, Diskussionsforen und E-Mail-Verteiler, deren Anzahl und Nutzung in den letzten Wochen enorm angestiegen ist. Neben diesen herkömmlichen Kommunikations- und Informationskanälen werden außerdem neueste Internet-Technologien wie
Weblogs genutzt.

Wofür wird das Netz genutzt? Die Inhalte

Die elektronische Kommunikationstechnik dient den Studenten in erster Linie der Kommunikation und Information nach innen, also zur Vorbereitung und Koordination der Protestaktionen. Bei den dabei entstehenden Diskussionen zeigt das Internet sein demokratisches Potenzial, denn in den E-Mail-Verteilern werden hitzige Debatten geführt, längst gibt es mit
www.streikkritik.de.hm auch eine Website, die sich kritisch mit den Protestformen und Forderungen auseinandersetzt.

Die Mobilisierung per Internet funktioniert mit Hilfe von digitalen
Streikkalendern, in welchem man sich informieren kann, wo welche Aktion stattfindet und an wen man sich wenden kann.

Aber nicht nur bei der Vorbereitung, sondern auch bei der Durchführung der Protestaktionen erweist sich das Netz als ideales, da ständig aktuelles Medium. Reale Protestaktionen werden meist parallel im Netz durch eine öffentlichkeitswirksame virtuelle Aktion begleitet. So wurden die Professorenlehrstühle, die im Rahmen einer öffentliche Protestaktion bei der Neueröffnung einer Ikea-Filiale „
gestrichen“ wurden, anschließend zur
Versteigerung beim Auktionshaus Ebay angeboten.

Notfalls wird die digitale Infrastruktur auch zu einer schnellen Mobilisierung genutzt, wie folgender Hilferuf auf
indymedia während einer Besetzungsaktion am 28.11 zeigt:

14.00 Uhr: „Gerade wurde das Büro des Finanzsenators Thilo Sarrazin besetzt. Hilfe benötigt“.

Die Antwort folgt prompt um 14.47: „Solidarität! Wir kommen mit Stullen und Bier!“ Auch bei der Nachbereitung und der Analyse der Protestaktionen findet das Internet seine Anwendung in Form von
Diskussionsforen und
Pressespiegeln . Neben dieser Kommunikation nach innen versuchen die Studenten aber auch, Informationen und ihre Positionen online nach außen zu tragen, indem sie Pressemitteilungen, Bilder und andere Materialien zum Download anbieten. Hierfür wurde sogar eigens eine
Streikmedia-Seite ins Leben gerufen.

Erschienen am 09.12.2003

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