Die Berliner Landesparlamentarier verschlafen das Zeitalter der digitalen Kommunikation mit dem Bürger, lautet das Fazit einer aktuellen Studie der Initiative Politika Berlin. Nach Wahlen altern die Internetauftritte vieler Abgeordneter vor sich hin.

Nur wenige Abgeordnete des Berliner Parlaments seien bereit für
die digitale Zukunft, befindet die Studie „Abgeordnete
im Dialog
" von Politika
Berlin
. Die Politikplattform hat im März 2007 die Internetauftritte
aller Berliner Landesparlamentarier auf Angebote zum digitalen Dialog
überprüft. Heraus kam: Viele Abgeordnete ließen
ihren Webauftritt, falls sie einen haben, bis zur nächsten
Wahl vor sich hin altern.
Für die Kontaktaufnahme mit den Bürgern nutzten Berliner
Politiker das Internet kaum. Sie beschränkten sich mehrheitlich
darauf, Informationen an die Bürger zu senden, anstatt den
Dialog zu suchen. Laut der Studie passt das nicht zu Berlins Stellung
als der deutschen Stadt mit den meisten Internetsurfern und der
besten Breitband-Infrastruktur ((N)Onliner-Atlas
2007
, politik-digital.de
berichtete
) .

Das Ergebnis der Studie bestätigt das Fazit einer Untersuchung
von politik-digital.de und dem British Council zu Partizipationsprojekten
in Deutschland und Großbritannien: Darin stellte Christoph
Dowe 2006 fest,
dass die deutschen Politiker und deutsche politische Institutionen
internetbasierten Experimenten eher ängstlich gegenüber
stünden.

Bemühungen einzelner Abgeordneten

Laut der Studie von Politika Berlin bemühen sich einzelne
Berliner Abgeordnete, Nähe und Kontakt zu den Bürgern
herzustellen. Unterschiedlich oft setzten sie hierzu Newsletter,
Foren, Downloads, Möglichkeiten zum Online-Parteibeitritt,
Terminkalender, Blogs, sowie Audio- und Videodateien ein. Pro Partei
im Abgeordnetenhaus empfiehlt die Studie je einen vielversprechenden
Internetauftritt einzelner Parlamentarier. Gelungen seien demnach
die Webauftritte von Özcan
Mutlu
(Grüne), Heiko
Melzer
(CDU), Markus
Pauzenberger
(SPD), Evrim
Baba
(Linke) und Björn
Matthias Jotzo
(FDP).

Von den 149 Berliner Abgeordneten bieten laut der Studie nahezu
die Hälfte eine umfassende Linksammlung und jeder vierte zeigt
seinen Terminkalender online. Rar seien hingegen Diskussionsforen
(sieben Prozent), Blogs (fünf Prozent) und aktuelle Video-
oder Audiodateien (drei Prozent).

Deutliche Unterschiede zwischen den Parteien

Deutliche Unterschiede im Onlineangebot ergaben sich im direkten
Parteienvergleich: Die SPD hat die meisten Webauftritte, die regelmäßig
aktualisiert werden und belegt so den ersten Platz in der Kategorie
Onlinepräsenz (42 Prozent), gefolgt von den Grünen, der
FDP, CDU und der Linken. Bei Informations- und Mitmach-Angeboten
liegen jedoch die Grünen und die CDU vorn, während die
FDP noch hinter der SPD und der Linken auf dem letzten Platz rangiert.

Mit der Untersuchung will die 2006 gegründete Initiative Politika
Berlin die Hauptstadtpolitiker zu mehr digitaler Kommunikation mit
den Bürgern anregen. In die Bewertung der Abgeordnetenseiten
floss sowohl die Umsetzung der internetbasierten Dialogmöglichkeiten
ein, als auch die Zahl der aktiven „Onliner" einer Partei.
„Einzelne Abgeordnete der Linken und der FDP haben unsere
Hinweise willkommen geheißen, bei den anderen ist die Reaktionszeit
länger", sagte Malte Mau, der Projektleiter der Untersuchung

Schwächen bei der Auswertung

Obwohl die CDU mit ihrem Dialog- und Informationsangebot 16 Prozentpunkte
vor den Grünen liegt, belegt sie hinter ihnen nur den zweiten
Platz in der Kategorie der Internetnutzung. „Da war wohl auch
persönliches Ermessen bei der Bewertung dabei", sagte
Malte Mau auf Nachfrage. Inzwischen gibt es nach einer Anfrage von
politik-digital.de eine überarbeitete Version der Studie. Im
Original entsprachen die Angaben im Text nicht den Zahlen in den
Grafiken. Das schmälerte die Argumentationskraft der Untersuchung.
So hatten nach der ausführlichen Auswertung der Berliner Linken
nur 16 Prozent der Abgeordneten Audio-Angebote, während das
entsprechende Diagramm 33 Prozent anzeigte.

Für Politika Berlin erklärt die geringe digitale Präsenz,
weshalb sich vor allem junge Menschen von der traditionellen Politik
entfernen und sich entweder außerhalb dieser Strukturen engagieren
oder das Interesse an Politik verlieren. „Gerade für
die junge Generation, die mit den neuen Medien aufwächst, muss
die Politik zukunftsfähige Angebote machen", meint Malte
Mau.