„Computer sind unbrauchbar. Sie können nur Fragen beantworten;“ stellte einmal der Maler Pablo Picasso fest. Am Ende eines jeden Jahres steht die wichtige Frage: „Was für ein Jahr?!“

Fest steht bereits, 2018 wird wohl als das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte eingehen. Aber heiß her ging es auch on- wie offline. politik-digital war wieder dabei und blickt zurück. Was für ein Jahr?! Das war das digitale Jahr 2018.

Digitales Durcheinander

Die gute Nachricht gleich vorab: Deutschland ist Spitzenreiter in Sachen Digitalisierung. Ok,diese Meldung wünschen sich wohl viele für die Zukunft. Wir kommunizieren, konsumieren, leben und lernen immer mehr im Netz. Aber sobald es um die öffentliche Verwaltung geht, da klopft noch immer das 20. Jahrhundert an. Sprühten die Parteien im Bundestagswahlkampf noch vor Ideen für den digitalen Wandel, werden die digitalen Aufgaben nicht weniger, sondern mehr. Aber die neue Staatsministerin für Digitales Dorothee Bär zeigt sich durchaus optimistisch: „Ich habe es mir schwieriger und komplizierter vorgestellt!“ Vielleicht neigt das digitale Deutschland auch zu digitalem Durcheinander: „Wir sind sehr perfektionistisch und warten lieber, bis wir 110 Prozent haben, anstatt mit 80 Prozent einfach mal loszulegen!“

Wer nun loslegen möchte, kann sich gleich über Mobile Recruiting via App und Algorithmen um eine Tätigkeit bewerben, ganz flexibel und mobil wie die digitale Generation Z. Es ist zu vermuten, dass sie einige gute Ideen hätten. Sie erkennen immer besser die Chancen und Risiken der sozialen Medien und beginnen, diese Angebote immer bewusster (nicht) zu nutzen.

Smarte Cities und schlaue Dörfer

Deutschland wird digitaler und Deutschland wird urbaner. Immer mehr Menschen ziehen aufgrund der besseren Arbeitsmöglichkeiten und Chancen in die Großstädte. Bis 2050 wird geschätzt, dass etwa 75% der Weltbevölkerung in urbanen Regionen leben werden. Angesichts dieses Zuwachses wird nach nachhaltigen intelligenten Lösungen gesucht, den Smart Cities. Mithilfe modernster Informations- und Kommunikationstechnologie sollen Nachhaltigkeit, Wachstum und ein hoher Lebensstandard in den Städten von morgen umgesetzt werden.

Sommerzeit ist Reisezeit, daher machte sich politik-digital auf, die Smart Cities von morgen schon heute zu erkunden. Mithilfe der Smart Favela App ging es durch die im wahrsten Sinne des Wortes unbekannten Ecken und Kanten von Rio de Janeiro. Mit diesen gesammelten Daten führte die Reise nach Kopenhagen zum „Big Data Marketplace“, auf dem Daten gesammelt, erworben oder selbst hochgeladen werden können. Der Robocop fuhr Streife durch den Wüstensand von Dubai. Für eine spritzige Erfrischung sorgte ein Abstecher nach Wien zum Projekt „Viertel Zwei“. In diesem Neubaugebiet werden die Möglichkeiten von Blockchain genutzt, um aus Konsumenten Produzenten zu machen, die Energieversorgung der Zukunft zu revolutionieren. Das kleine Santander macht eines besonderes deutlich: Eine smarte Stadt braucht vor allem auch smarte Bürgerinnen und Bürger, die diese Stadt annehmen, gestalten und weiterentwickeln wollen.

Bei allen schönen Urlaubserinnerungen dürfen die ländlichen Räume nicht vergessen werden. Hier macht sich der demographische Wandel besonders deutlich. Immer mehr Arztpraxen schließen. Daher sind neue Ansätze der Telemedizin gefragt, die digitalen Möglichkeiten der Diagnose zu nutzen ohne dabei die Sensibilität dieser Daten außer Acht zu lassen. Im besten Fall könnte es sogar gelingen, Menschen wieder auf das Land zu holen, fernab des Großstadtstresses im Coworking Space gemeinsam lokale und globale Ideen zu erarbeiten. Bisher scheitert dies immer noch am Breitbandausbau, so dass viele Gemeinden wie im Projekt MOROdigital selbst die Initiative ergreifen und den Breitbandausbau vorantreiben. Digitalisierung eröffnet neue Chancen, doch müssen dazu noch viele Fragen geklärt werden.

Das Spiel mit den Daten

Das ganze Leben ist ein Quiz, und wir raten, raten, raten! Wir produzieren Daten, Daten, Daten! Es war in einem Sommer, der niemals enden sollte, in einem Wahlkampf, der niemals enden wollte. Im Spiel um die Macht probierten Politik und Gesellschaft wieder einmal andere Wege. In Italien versucht sich beispielsweise die Fünf-Sterne-Bewegung an eine App basierten Demokratie, jedoch mit eher zweifelhaften Erfolg. Stimmungsbarometer versuchten, Wählerschaft und Wahlprogramme in Hessen zu verbinden. Für ein vielleicht passendes Match zu den Landtagswahlen sorgte der Wahlswiper, der Schritt für Schritt zur Wahl wischen sollte.

Demokratie in Echtzeit, dass verspricht die App Democracy mit aktuellen Gesetzesentwürfen. Endlich entdeckte auch die Politik die Gamerszene für sich, eine Anerkennung des E-Sport als offizielle Sportart bleibt jedoch noch abzuwarten. Was Politiker von Gamer allerding alles lernen können, das zeigt ein Blick in die Hochburgen der Gamerszene nach Asien, genauer gesagt China. Das neue Social Scoring System funktioniert wie ein großes Spiel mit über einer Milliarde Mitspieler. Wie im Game werden gute Taten, in diesem Fall parteikonformes Verhalten, belohnt und neue Level bzw. Zugänge zu gesellschaftlichen Positionen eröffnet. Fehlverhalten im Sinne der Spielemacher, hier der Kommunistischen Partei Chinas, werden im Gegenzug geahndet und bestimmte Rechte entzogen. Natürlich mag dies für den westlichen Beobachter befremdlich wirken, einer permanenten Überwachung ausgesetzt zu sein. Allerdings verfolgen Smart Toys mit GPS Funktion nicht eine ähnliche Zielsetzung?

In diesem Jahr trat nun die europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Trotz der teils berechtigten Kritik werden hierin grundlegende Rechte für die digitale Demokratie festgelegt. In diesem Jahr wurde erneut deutlich, dass es für den demokratischen Diskurs nicht reicht, online oder offline zu sein. Wichtig ist viel eher, dass die Demokratie durch die Herausforderungen der Digitalisierung nicht erstarrt sondern weiterhin in Bewegung bleibt.

Denken wir mal digital

„Will ich nachvollziehen, wie eine Entscheidung getroffen wird, und akzeptiere dafür häufiger, dass das Ergebnis nicht korrekt ist, oder will ich es häufiger korrekt haben – und verstehe es dafür nicht, habe also die Black Box?“ Angesichts der vielen aktuellen Fragen erscheint so manche politische Entscheidung kaum nachvollziehbar und je nach Betrachtung intelligent. Vielleicht kann hier ja eines der Schlagworte des Jahres, die künstliche Intelligenz helfen.  Zunächst klingt dies auch einfach wie vielversprechend. Unter KI sind vor allem Algorithmen zu verstehen, also ein Lösungsweg für ein Problem. Diese lernen indem sie aus Erfahrungen generalisieren, Muster erkennen, sowie mit Hilfe von Rückkopplungen Wege vorgeben. Ganz bescheiden müssen wir hier zugegeben, dass Algorithmen uns hier um viele Sequenzen voraus sind. Menschliche Intelligenz ist also, theoretisch, durchaus von Algorithmen zu erreichen.

Schon heute bestimmen Algorithmen unseren Musikgeschmack beeinflussen aber auch in riesigen Echokammern die politische Debatte, indem sie bestimmte Tendenzen verstärken. Technologie ist hier nicht neutral, sondern kann diskriminierend wirken, wenn es um bestimmte Eigenschaften wie Herkunft, Geschlecht oder Einkommen geht. Die Anwendung von Algorithmen befreit somit nicht aus der Verantwortung, sondern bedingt diese geradezu.

Bereits der IT-Pionier Alan Turing erkannte, dass Menschen keine Maschinen sein können. Anders als diese besitzen Menschen Intentionen, sind in der Lage sich selbst Ziele zu stecken und diese zu verwirklichen. Digital ist daher nicht immer gut und analog nicht immer besser.

Digital und dann?

Mittlerweile ist Digitalisierung zu einem Buzzword geworden. Alles spricht darüber, doch wer versteht wovon wir sprechen? Das Internet ist im Kern eine große Kommunikationsplattform. Die Gespräche hier haben keinen Anfang und kein Ende, sondern können jederzeit weitergehen.

Was unterscheidet den Menschen von der Maschine? Ein Kind erlernt innerhalb von drei Jahren auf Basis von etwa einem Gigabyte genetischer Information weitgehend autonomes, intelligentes Verhalten, sich in einer komplexen Umwelt zurechtzufinden. Hier versagen die Maschinen trotz viel höherer Rechenleistungen immer noch, da sie zu unstrukturiert starr sind.

Aus diesem Grund endet digitale Bildung nicht mit der Infrastruktur, sondern muss hier beginnen. „Es ist wie mit alten, kaputten Schulbüchern. Wenn die Seiten fehlen oder nicht mehr lesbar sind, kann man nichts lernen. Der Unterschied ist nur, unsere Bücher werden ersetzt, die Computer nicht“, lautetet eine Beobachtung aus dem Schulalltag. „Was wir wissen ist ein Tropfen, was wir nicht Wissen ist ein Ozean“, soll einmal Sir Isaac Newton gesagt haben. Angesichts der Datenmeere vermehrt sich das Weltwissen stetig und immer dynamischer. Daher wird es immer wichtiger zu wissen, wie dieses Wissen erarbeiten und anzuwenden ist.

Einst waren Bibliotheken die Zentren des Wissens. In Zeiten von E-Books könnten sie dies wieder werden. Heute werden Bibliotheken zu Treffpunkten für Do it yourself und vor allem Do it together, gemeinsam zu lernen. Der digitale Wandel erfordert Bildung für jedes Alter. Vielleicht wird der Generationenvertrag durch einen Digitalpakt ergänzt, in welchem technikaffine Menschen die Verantwortung für technikferne übernehmen, ihnen in diese Welt zu erklären.

Die digitale Debatte geht weiter? Ein Ausblick

„Die Demokratie kann die Grundlagen nicht schaffen, auf denen sie steht“ machte der ehemalige Bildungsminister Klaus von Dohnanyi deutlich. Wer sind wir, wenn wir online sind? Welche Regeln sollen für die digitale Gesellschaft online wie offline gelten? Dieser Frage widmeten sich die Dialogperspektiven. Hier wurden die Fragen nach Identität und Integration, die Suche nach Zugehörigkeit betrachtet. Digitale Technologien sind wie ein Fenster in die Welt. Verschiedene Erfahrungen, Prägungen aber auch Meinungen liefern den Rahmen für diese Fenster. Einflussreiche Organisationen haben dies längst für sich entdeckt und liefern mit ihrer Wortwahl das entsprechende Framing. Unterschiedliche Meinungen treffen im digitalen Raum aufeinander, werden zunehmend nicht diskutiert, sondern auch bewusst polarisiert. Initiativen wie DAS NETTZ versuchen diese Meinungen zu vernetzen, die demokratische Debatte zu fördern. Manchmal ist es weniger entscheidend, was gesprochen wird, sondern das überhaupt gesprochen wird. Vielfach wird diese Debatte eher verkürzt, emotionalisiert, um rasch an Aufmerksamkeit zu gewinnen. „In einer immer komplexeren Welt, die wir alle nur noch bruchstückhaft verstehen können, wird Glaubwürdigkeit zur entscheidenden Währung.“ Die Frage nach dem besten Argument kann nicht nur durch Wissen, sondern auch durch Werte und Wertungen beantwortet werden. Es braucht ein Gefühl für die digitalen ethischen Fragen. Entscheidend ist an dieser Stelle: „Digitalisierung darf zu keinem Unwort werden!“

Das Datenvolumen für 2018 ist nun aufgebraucht. Wie geht es 2019 weiter? „Am Schluss werden wir alle erkennen, dass jeder von uns ein ‘Algorithmus’ ist“.  Was für ein Jahr?! Die Antwort kann wohl niemand besser geben, als der berühmte Wissenschaftler Albert Einstein: „Wenn’s alte Jahr erfolgreich war, dann freue dich aufs Neue. Und war es schlecht, ja dann erst recht.“

Die Autorinnen und Autoren von politik-digital wünschen allen Leserinnen und Lesern einen guten Start in das digitale und analoge Jahr 2019.